Mit dieser Technik kann man also die Atome in ihren Positionen so “hinruckeln”, dass sie energetisch möglichst günstig angeordnet sind. Man könnte jetzt auf die Idee kommen, dass man damit jede beliebige Kristallstruktur berechnen kann: Statt die Nickelatom in der richtigen Anordnung in meinem Simulationsvolumen zu platzieren, könnte ich sie natürlich auch einfach irgendwie reinstopfen und sehen, in welche Positionen sie sich schließlich begeben. Ganz so einfach ist das jedoch nicht – wir haben es hier mit einem komplizierten Minimierungsproblem zu tun (bei welcher Anordnung der Atome ist die Energie minimal?), und solche Probleme sind notorisch schwer zu lösen. Wenn ich die Nickelatome am Anfang in beliebige Positionen bringe, dann werden sie sich zwar etwas günstiger anordnen, aber ob diese Anordnung tatsächlich die absolut beste ist, ist nicht klar. (In Fachsprache: Wir finden ein lokales, aber nicht unbedingt ein globales Optimum.)
Wenn man die optimale Kristallstruktur nicht kennt, geht man deshalb meist anders vor: Man probiert plausible Kristallstrukturen aus und vergleicht deren Energie. Die Struktur mit der niedrigsten Energie ist dann die richtige. (Man kann auch komplexere Optimierungsalgorithmen verwenden und zum Beispiel Atome herumtauschen und ähnliches, da gibt es inzwischen eine Menge Werkzeuge, mit denen ich aber wenig Erfahrung habe.) Wenn man hinreichend viel Computerpower hat, dann kann man eine ganze Menge Kombinationen durchspielen. Ich nutze zum Beispiel gern die “open quantum molecular database”, die hat einige 100000 Einträge. Tippt ihr da bei der Suchmaske zum Beispiel Ni3Nb ein, dann bekommt ihr Daten zur Delta-Phase.
Nachdem ihr jetzt einen kleinen Überblick über die Methode bekommen habt, schauen wir zum Abschluss noch ein paar Anwendungen an.
Eine interessante Anwendung der DFT-Methode findet sich in der Astronomie: Lange Zeit hat man sich ja gefragt, wie genau der Jupiter aufgebaut ist (und ganz klar ist das anscheinend imme rnoch nicht). Der besteht ja vor allem aus Wasserstoff und Helium. Im Inneren des Jupiter steht dieses Material unter extrem hohen Druck; theoretisch ist es dabei möglich, dass der Wasserstoff sich dann wie ein Metall verhält. Genau so etwas lässt sich natürlich prima mit der DFT-Methode untersuchen: Wir setzen unseren Würfel unter extremen Druck (dazu nehmen wir eine eigentlich zu kleine Gitterkonstante) und schauen, welche der denkbaren Strukturen dann energetisch am günstigsten ist. Dazu gibt es eine Menge Veröffentlichungen, so dass ich keinen perfekten Überblick über alles habe (vornehme Umschreibung für “ich habe eigentlich keinen blassen Schimmer…”), aber soweit ich es verstehe, lässt sich auf diese Weise zeigen, dass man im Jupiter tatsächlich metallischen Wasserstoff erwarten sollte. So stellt man sich den Jupiter vor: ganz innen ist ein Kern aus Fels und Eis, drum herum ist aber eine dicke Schicht aus metallischem Wasserstoff:
By Kelvinsong – Own work, CC BY-SA 3.0, Link
Und auch das ist noch nicht alles. Wir haben bisher ja immer nur Grundzustände angeguckt. Bei höheren Temperaturen ändern sich kristallstrukturen allerdings. Die Elektronen tun bei moderaten Temperaturen bis 1000 oder 2000 Grad nicht besonders viel, die sind immer noch im wesentlichen im Grundzustand. (Die Temperatur, bei der die Elektronen signifikant beeinflusst werden, ist die Fermi-Temperatur, die liegt typischerweise bei 10000 Grad.) Die Atome selbst aber fangen an zu schwingen, wenn es warm wird. Den Einfluss solcher Gitterschwingungen kann man mit der Methode ebenfalls berechnen. Das ist ziemlich aufwändig, weil man dazu gucken muss, welche Kräfte auf die Atome wirken, wenn man sie aus ihrer Ruhelage auslenkt, und wenn man mehrere unterschiedliche Atome in seiner Zelle hat, dann gibt es dazu ne Menge Möglichkeiten, die berechnet werden müssen. (Deswegen habe ich auch gerade seeehr viel Rechenzeit im HLRN bekommen…) Wenn man diese Schwingungen berücksichtigt, dann kann man aber zum Beispiel ausrechnen, wie sich das Material thermisch ausdehnt. Das ist bei unseren Nickel-Legierungen wichtig, weil zum Beispiel ein sehr kleines delta-Teilchen, das in Nickel eingebettet ist, eine höhere Energie hat, weil die Gitterkonstanten nicht zusammenpassen. Entsprechend muss man die Gitterkonstanten vergleichen, und zwar nicht bei Temperatur Null (da können wir das Zeug schlecht schmieden), sondern bei der Temperatur, wo das Material tatsächlich bearbeitet wird.
Ganz andere und sehr vielfältige Anwendungen hat die Methode schließlich in der Chemie – dort kann man dann tatsächlich schauen, wie chemische Reaktionen stattfinden, ob eine Oberfläche als Katalysator für eine Reaktion taugt und alles, was Chemikerinnen noch so tun (wovon ich aber wenig Ahnung habe…). Auch in der Medizin ist das beispielsweise wichtig, ein Beispiel findet ihr hier.
Ihr seht also, dass man mit der DFT-Methode eine ganze Menge machen kann. Diese Serie hat euch hoffentlich zumindest einen kleinen Einblick in die Möglichkeiten gegeben.
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