Plesiosaurier zählen sicher zu den spektakulärsten Tieren, die es je auf der Erde gab. Hier als Beispiel ein Plesiosaurus

 

Plesiosaurus 3DB.jpg
Von Creator:Dmitry Bogdanov – dmitrchel@mail.ru, CC BY 3.0, Link

und ein Kronosaurus

Kronosaurus.jpg
Von ДиБгд in der Wikipedia auf Russisch – Übertragen aus ru.wikipedia nach Commons., Gemeinfrei, Link

Die Plesiosaurier (das ist die Oberbezeichnung für die ganze Tiergruppe, Plesiosaurus ist ein Beispiel aus dieser Gruppe) sind übrigens keine Dinosaurier und mit diesen auch nicht besonders eng verwandt, ihre nächsten heutigen Verwandten sind vermutlich die Eidechsen und Schlangen. (Hier findet ihr mehr über Saurier und Dinosaurier und warum nicht alles, was auf den ersten Blick ein Dino zu sein scheint, auch einer ist.) Sie lebten in den Meeren des Erdmittelalters (Mesozoikums), während an Land die Dinosaurier herumliefen.

Während der Kronosaurus oben noch einigermaßen “normal” aussieht (ein bisschen wie eine Art Meeres-Kroko), fällt beim Plesiosaurus natürlich der lange Hals auf. Der konnte bei einigen Plesiosauriern extrem lang werden, hier beispielsweise ein Elasmosaurus:

Elasmosaurus NT.jpg
Von Nobu Tamura https://paleoexhibit.blogspot.com/ https://spinops.blogspot.com/Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link

Wie genau diese langhalsigen Plesiosaurier ihre Hälse benutzt haben, ist natürlich eine Interessante Frage. Eine Theorie besagte, dass sie an der Wasseroberfläche herumpaddelten, den Hals schwanenartig in die Luft reckten und dann von oben aus der Luft auf Beutefische herunterstießen. Dieses berühmte Bild zeigt ein bisschen, wie man sich diese Bewegung vorstellte (links im Bild ein Mosasaurus, die hatten aber keine Spritzlöcher für Wale, das Bild ist etwas älter…)

Ichthyosaur and Plesiosaur 1863.jpg
Von EDOUARD RIOU (ENGRAVED BY LAURENT HOTELIN AND ALEXANDRE HUREL – https://www.theparisreview.org/blog/wp-content/uploads/2017/07/ju_paleoart_p036-037.jpg, Gemeinfrei, Link

Schaut man sich aber den Elasmosaurus von oben etwas genauer an, merkt man schnell, dass das nicht unproblematisch ist: Wenn der Kopf am langen Hals nach vorne vor das Tier schnellen würde, dabei aber der Hals noch aus dem Wasser ragt, dann würde der arme Saurier schnell Übergewicht bekommen und nach Vorn kippen. Das wäre zwar ein spektakulärer Halsplatscher, dem Beutefangen aber vermutlich eher abträglich.

Was genau Plesiosaurier mit ihren langen Hälsen gemacht haben, ist also nicht so klar: Sind sie durchs Wasser geschwommen und haben den Kopf ruckartig nach links und rechts bewegt, um Fische zu schnappen, ohne dass der große, auffällige Körper den Fischen zu nahe kam, so dass diese nicht geflohen sind? Oder sind sie ein Stück über dem Meeresboden herumgepaddelt und haben von Oben Beute auf dem Grund gejagt?

Statt wild herumzuspekulieren (auch wenn das natürlich Spaß macht), ist es sicher sinnvoll, erstmal zu sehen, was denn überhaupt möglich ist. Wie kann denn so ein Plesiosaurier seinen Hals überhaupt bewegen? Giraffenhälse zum Beispiel sind ja nicht besonders biegsam (die haben natürlich auch sehr wenige Wirbel im Vergleich zu einem Elasmosaurus) – eine Theorie, die sagt, dass Giraffen Schmetterlinge aus der Luft fangen, lässt sich also leicht widerlegen, wenn man sich anguckt, was so ein Giraffenhals überhaupt kann. Auch wenn er lang genug ist, um einen Knoten reinzumachen, heißt das ja nicht, dass das auch geht. (Eigentlich haben Giraffen natürlich eh kurze Hälse…)

Um das herauszufinden, braucht man ein möglichst gut erhaltenes Skelett, bei dem alle Halswirbel vorhanden sind, so wie dieses hier (der Maßstabsbalken beträgt 50cm):

nichollssaura

Bild des Royal Tyrell Museums, aus Nagesan et al. (s.u.)

Dieses Skelett stopft man in einen Computertomographen und erzeugt ein 3D-Modell aller Halswirbel:

plesiosneck1

(Fig 2 aus Nagesan et al. (s.u.))

Dabei trennt man die einzelne Wirbel im Computer voneinander (so wie man es rechts unten sieht), so dass man jeden Wirbel für sich als ein objekt modellieren kann. Jetzt kann man eine 3D-Software verwenden, um die Wirbel im rechner zu bewegen und zu manipulieren. Das ist nicht ganz so einfach, wie es klingt, denn beim echten, lebenden Tier gibt es zwischen den Wirbeln ja noch Knorpel (die Bandscheiben, die wir auch im Rücken haben), und man muss Annahmen darüber treffen, wie dick diese Bandscheiben tatsächlich sind. Dann bewegt man die Wirbel im Computer gegeneinander, wobei die kleinen Vorsprünge an den Wirbeln (die Zygapophysen) einerseits dafür sorgen, dass die Wirbel gut ineinandergreifen und so für eine gute Stabilität hilfreich sind, aber natürlich andererseits auch die Bewegung einschränken.

Um die Technik zu prüfen, wurde deshalb dieselbe Technik auf einen heutigen Waran angewandt. Dabei konnte man den berechneten Bewegungsspielraum mit dem vergleichen, der dem Waran tatsächlich möglich ist. (Dazu wurde der Waran – es wurde ein konserviertes Exemplar verwendet, kein lebendes Tier – entsprechend per Hand bewegt und die jeweiligen Stellungen des Halses wurden ausgemessen.) Es zeigt sich, dass das Modell den tatsächlichen Bewegungsspielraum des Warans unterschätzt. Man kann also davon ausgehen, dass das Ergebnis des Computermodells eher eine untere Grenze darstellt. Hier finde ich das paper zugegebenermaßen etwas eigenwillig, erst wird gesagt, dass das Computermodell den Bewegungsspielraum deutlich unterschätzt (“However, the 3D model (V3DM) appeared to have significantly underestimated the
mean intervertebral dorsal mobility compared with the radiographs”), dann werden mögliche Gründe dafür erläutert, und dann wird geschlussfolgert, dass die Simulationsmethode sehr genau ist (“However, the overall congruence between the 3D model and the radiograph manipulations of V. dumerilii suggests that this type of biomechanical manipulation can accurately estimate neck mobility in a biologically realistic manner for a plesiosaur such as N. borealis.”) Wird die Bewegung nun stark unterschätzt oder ist das Ganze eine relatistische Annäherung (accurate estimate)? Da hätten die Reviewerinnen gern auf eine etwas klarere Formulierung drängen dürfen.

So oder so: Das Ergebnis der Untersuchung zeigt den (möglicherweise unterschätzten) Bewegungsspielraums unseres Plesiosauriers:

plesiosneck2

(Fig 3 aus Nagesan et al. (s.u.))

Oben bei (a) seht ihr den Hals in der geraden Position, bei (b) maximal nach unten gebogen (achtung, der Körper würde hier nach rechts oben zeigen), bei (c) entsprechend maximal nach oben gebogen. (Würde man die Möglichkeiten von b und c zusammensetzen, könnte man auch einen “Schwanenhals” zu produzieren versuchen, aber so wie ich es sehe, lässt sich der Hals im rumpfseitigen teil nur wenig nach oben biegen (siehe Bild c) so dass die Krümmung eher moderat wäre. Spaßeshalber habe ich mal versucht, die beiden Stücke in gimp zusammenzusetzen (Achtung, das ist wirklich sehr sehr ungenau, zieht daraus bloß keine weit reichenden Schlüsse…):

plesiosneck3

Ein majestätisch hoch aus dem Wasser ragender Hals ergibt sich eher nicht, aber zum mal über die Wellen gucken dürfte es vielleicht ja hilfreich sein.

Teilbild d oben zeigt dann die seitliche Bewegung des Halses – mit etwas Mühe konnte sich unser Plesiosaurier also wohl seine Flossen anknabbern, falls es dort mal juckte. Insgesamt sieht man, dass die seitliche Beweglichkeit deutlich größer ist als die nach unten, und die nach oben ist wirklich eher eingeschränkt.

Aber Achtung: Dieses Ergebnis gilt für diese Plesiosaurier-Art (Nichollssaurus borealis). Ähnliche Untersuchungen, allerdings mit etwas anderer Methodik, bei anderen Plesiosauriern (beispielsweise dem Elasmosaurus) zeigen zum Teil andere Ergebnisse: Elasmosaurus konnte seinen Hals deutlich stärker auf- und ab bewegen. Bei Nichollssaurus können wir vermuten, dass er den Hals beim Beutesuchen vor allem seitwärts und ein bisschen nach unten bewegte. Es wäre also beispielsweise plausibel, dass er relativ dicht über dem Meeresboden herumschwamm und den Hals seitlich bewegte, um einen größeren Bereich des Bodens abzusuchen.


Nagesan RS, Henderson DM, Anderson JS. 2018 A method for deducing neck mobility in plesiosaurs, using the
exceptionally preserved Nichollssaura borealis. R. Soc. open sci. 5: 172307.
https://dx.doi.org/10.1098/rsos.172307

Kommentare (7)

  1. #1 Spritkopf
    12. August 2018

    Statt wild herumzuspekulieren

    Mache ich trotzdem. 😉

    Könnte es sein, dass es bei ihrer Fortbewegungsmethode (dem Unterwasserflug) hydrodynamisch ungünstig war, wenn sie zum Atmen an die Oberfläche mussten und dabei der gesamte Körper durch die Wasseroberfläche brach, weil dann z. B. laminare Strömungen um die Flossen herum abrissen?

  2. #2 roel
    13. August 2018

    @MartinB schhöner Artikel. Den langen Hals haben die Plesiosaurier übrigens entwickelt, damit sie stärker in schottischen Süßwasserseen auffallen. https://de.wikipedia.org/wiki/Ungeheuer_von_Loch_Ness

    PS “(Hier findet ihr mehr über Saurier und Dinosaurier und warum nicht alles, was auf den ersten Blick ein Dino zu sein scheint, auch einer ist.)” Wurde der diesbezügliche Zwist in der Zwischenzeit beigelegt?

  3. #3 RPGNo1
    13. August 2018

    Ich finde es spannend, welche Möglichlichkeiten die heutigen Computermodelle oder auch experimentelle Päläontologie-Techniken bieten, um mehr über die Anatomie und somit letztendlich auch die Lebensweise der Urzeitechsen herauszufinden.
    So manche scheinbar unumstößliche Tatsache, mit der ich noch aufgewachsen bin und die in populärwissenschaftlichen Büchern vertreten wurde, wurde in den letzten Jahren vorsichtig revidiert oder komplett ad acta gelegt.

  4. #4 MartinB
    13. August 2018

    @RPGNo1
    Ja, das finde ich auch faszinierend, gerade auch Dinge wie statistische Analysen usw. liefern immer wieder faszinierende Erkenntnisse. Paläontologie ist inzwischen extrem interdisziplinär.

  5. #6 Michael Weis
    14. August 2018

    Was ist der Unterschied zwischen einem Plesiosaurus?
    Er konnte im Wasser schwimmen, an Land nicht!

    Musste sein, pardon!

  6. #7 MartinB
    14. August 2018

    @Michael
    Neues aus Kalau?
    🙂