Elastische Wellen
In elastischen Medien können sich aber auch Wellen ausbreiten – Stahl leitet beispielsweise Schall, ein Gummituch kann auf- und abschwingen.Dabei ändert sich die Dehnung an jedem Punkt mit der Zeit, die Atome rücken mal enger zusammen, mal sind sie weiter auseinander. Zusätzlich ist in solchen Medien ist die Schallgeschwindigkeit um so größer, je größer der Elastizitätsmodul ist. Gravitationswellen sind ebenfalls Wellen, bei denen sich die Dehnung von Ort zu Ort ändert. Sie breiten sich bekanntlich mit Lichtgeschwindigkeit aus, also folgt, dass der zugehörige Elastizitätsmodul sehr groß ist.
Auch so könnte man für eine “Elastizität” der Raumzeit argumentieren – schaut man aber genauer hin, dann ist auch das ziemlich problematisch. Für eine elastische Welle in einem Medium braucht man nicht nur eine Spannung, die als rücktreibende Kraft wirkt, sondern noch mehr, nämlich die Trägheit des Materials. Wenn ihr das Gummituch zum Schwingen bringt, dann zieht der Elastizitätsmodul das Tuch wieder zurück, aber die Trägheit des Tuchs (also die Masse der Moleküle, aus denen das Gummi besteht) sorgt dafür, dass das nicht sofort passiert, und daraus ergibt sich die Welle. Die Schallgeschwindigkeit in einem elastischen Medium berechnet sich als Wurzel aus dem Quotienten von E-Modul und Dichte.
Wäre eine Gravitationswelle analog, könnte man also eine “Dichte” der Raumzeit definieren. Die hätte allerdings (wegen der extrem hohen Werte des E-Modules, die man mit den oben erwähnten Rechnungen bekommt) gigantisch hohe Werte, die etwa (wenn ich mich nicht verrechnet habe) 10 Billionen mal größer ist als die Dichte von Wasser. Das ergibt wenig Sinn. (Und nein, bitte kommt jetzt nicht auf die Idee, die Nullpunktsenergie des Vakuums aus der Quantenfeldtheorie ins Spiel zu bringen, die ist ja auch keine Energie des Raums und passt von den Zahlenwerten her auch nicht dazu…)
Noch etwas anderes kommt hinzu: In einem Gummituch habe ich – wie oben erklärt – elastische Energie gespeichert. Die breitet sich mit der Welle aus. Eine Gravitationswelle transportiert zwar auch Energie, aber es ist eine der seltsamen Eigenheiten der ART, dass ihr diese Energie nicht lokalisieren könnt. Dafür sorgt das Äquivalenzprinzip, das besagt, dass man an jedem Punkt der Raumzeit immer ein Bezugssystem finden kann, in dem die Raumzeit flach und ungekrümmt aussieht und genau so, wie man es ohne ART erwartet hätte. (Dieses Prinzip ist letztlich der Grund, warum es überhaupt sinnvoll ist, von einer gekrümmten Raumzeit zu reden: Bei einer gekrümmten Oberfläche ist es ja genauso: In einer kleinen Umgebung eines Punkts ist sie flach, so wie die Erde ja auch flach aussieht, wenn man nur kleine Distanzen anguckt. – ich schweife schon wieder ab…)
Entsprechend gibt es immer ein Bezugssystem, bei dem gerade am Punkt X (zu einer Zeit) gar keine Energie gespeichert ist, egal wo ihr diesen punkt hinlegt, auch in einer Gravitationswelle. Die Energie einer solchen Welle lässt sich also nicht lokalisieren, was auch nicht zu einer elastischen Welle passt.
Elastische Wellen haben zusätzlich auch noch die Eigenschaft, dass sie auch longitudinal sein können: Die Welle schwingt in ihrer Ausbreitungsrichtung
Von Christophe Dang Ngoc Chan (cdang) – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link
Eine Gravitationswelle tut das nicht, sie ist immer transversal – die Dehnungen in der Welle sind immer senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. Ein weiterer Punkt, der dagegen spricht, Gravitationswellen als analog anzusehen (Bemerkung für ganz Spitzfindige: es sei denn, ihr würdet jetzt noch postulieren, der Raum wäre inkompressibel – aber das passt wieder nicht zum Rest, denn wir wissen, dass Abstände im Raum gedehnt und gestaucht werden können.)
Rückstellende Kräfte
Die Definition einer elastischen Verformung ist ja die, dass die Verformungen wieder verschwinden, wenn man die Last wegnimmt, es gibt also eine rückstellende Kraft. Auch das ist in der Raumzeit nicht so einfach. Zum einen ist es natürlich richtig: Wenn zum Beispiel ein Stern die Raumzeit verformt und sich dann weiterbewegt, dann geht die Verformung der Raumzeit wieder zurück. Für eine Gravitationswelle gilt Ähnliches: Wenn sie vorbeigezogen ist, sieht der Raum wieder ganz normal aus. (Expertinnenhinweis: Ja, mir ist klar, dass man hier eigentlich viel Aufwand treiben müsste mit Bezugssystemen, kovarianten Größen usw., weil man zwei Raumpunkte zu unterschiedlichen Zeiten nicht eindeutig identifizieren kann, aber das spare ich mir hier.)
Insofern könnte man argumentieren, dass der Raum ja tatsächlich wieder seine alte Form annimmt. Das ist aber nicht immer so. Denkt beispielsweise an die Expansion des Alls. Der Raum dehnt sich aus und diese Ausdehnung wird durch die Materie im Raum gebremst (zusätzlich durch die dunkle Energie beschleunigt, aber das ist jetzt wieder ne andere Baustelle…). Es gibt da aber keinen Effekt, der den einmal gedehnten Raum selbst dazu bringt, wieder in seine Ausgangsgröße zurückzukehren.Hier entsteht neuer Raum – man kann sich das natürlich im Bild analog dadurch erklären, dass man sagt, dass es so ist, als würde neues Gummi in unserem Gummituch entstehen, aber dann muss man erklären, warum bei manchen Raumzeitkrümmungen (Expansion des Alls) neuer Raum entsteht, bei anderen (Gravitationswelle) aber nicht.
Fazit
Es gibt in einigen Punkten eine Ähnlichkeit zwischen der elastischen Verzerrung eines Materials und der Krümmung des Raums in der ART – aber die Ähnlichkeit ist nicht besonders groß. Daraus eine “Elastizität” des Raums abzuleiten, ist deshalb ziemlich problematisch und vermutlich mehr irreführend, als das es was nützt. Analogien sind eben oft nur sehr bedingt aussagekräftig.
PS: Ich habe mir die Dinge, die ich hier geschrieben habe, selbst zusammengereimt. Falls irgendwer eine plausible Erklärung oder ein Modell kennt, mit dem man die Raumzeit doch sinnvoll als elastisches Medium beschreiben kann, hinterlasst gern einen Kommentar.
PPS: Alle, die hier zum Thema “Aber die RT ist doch sowieso Blödsinn” kommentieren wollen – lasst es einfach. Je nach Laune werde ich eure Kommentare entweder löschen oder mich drüber lustig machen, so wie ich es auch mit Flach-Erdlern tun würde; das hier ist ein Wissenschaftsblog, wenn ihr Blödsinn erzählen wollt, findet ihr anderswo im Netz genügend Gelegenheit dazu.
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