Das sieht wie eine ziemlich unsinnige Frage aus, oder? Die Lichtgeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit, mit der sich Licht ausbreitet (299792458m/s), also heißt sie auch so. Warum sollte dieser Name ungeeignet sein?
Verantwortlich dafür, dass die Frage (zumindest mir) nicht ganz so unsinnig scheint, ist die Relativitätstheorie. Die Postulate der speziellen Relativitätstheorie (SRT) sagen, laut Wikipedia:
- Das erste Postulat ist das Relativitätsprinzip und besagt, dass physikalische Gesetze invariant gegen den Wechsel des Inertialsystems sind, d. h. dass sie in allen Inertialsystemen gleich sind. Aus diesem Grund lässt sich prinzipiell keine absolute Bewegung feststellen, sodass alle Bewegungen als relativ angesehen werden müssen.
- Das zweite Prinzip ist die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Es besagt, dass in allen Inertialsystemen die Vakuumlichtgeschwindigkeit gleich groß ist.
So hat Einstein die Postulate aufgestellt, und der Titel von Einsteins berühmter Arbeit (“Zur Elektrodynamik bewegter Körper”) legt ja auch nahe, dass es bei der SRT um Elektrodynamik geht, also um die Theorie von elektrischen Ladungen, elektromagnetischen Wellen (wie Licht) und solchen Dingen.
Aus den Postulaten der SRT folgt allerdings, dass die Lichtgeschwindigkeit nicht nur für Licht relevant ist, sondern dass sich generell nichts schneller als das Licht bewegen kann. (Von hypothetischen Tachyonen mal abgesehen, die diskutiere ich hier nicht.) Auch wenn ihr eine Metallkugel beschleunigt, ein Elektron, ein Schwarzes Loch, eine Gravitationswelle oder sonst etwas – für alle gilt, dass sie sich nicht schneller bewegen können als mit Lichtgeschwindigkeit, obwohl diese Objekte mit Licht und elektromagnetischen Feldern wenig bis nichts zu tun haben. (Die Wechselwirkung zum Beispiel einer Gravitationswelle mit einem elektromagnetischen Feld ist absolut vernachlässigbar.)
Es ist also schon ein bisschen erstaunlich, dass – egal was für ein Objekt ihr anguckt und egal wie stark oder schwach das Objekt mit elektromagnetischen Wellen, Ladungen oder Photonen wechselwirkt – eine Theorie des Elektromagnetismus immer für dieselbe maximale Geschwindigkeit sorgt.
Verwendet man das Bild der Raumzeit, dann stellt sich die Sache ganz anders da. Raum und Zeit sind miteinander verbunden, und es gibt gewissermaßen einen universalen Maßstab, der es erlaubt, Zeiten und Längen ineinander umzurechnen. Weil wir aus einer Zeit (in Sekunden) eine Länge (in Metern) berechnen, hat dieser Maßstab die Einheit Meter pro Sekunde, ist also eine Geschwindigkeit. Als Analogie könnt ihr euch vorstellen, ihr würdet Strecken in Nord-Süd-Richtung in Metern messen, solche in Ost-West-Richtung in Yard, dann könnt ihr die ineinander umrechnen, wenn ihr wisst, wieviel Yard ein Meter sind (ihr habt eine Umrechnungsfaktor in Yard pro Meter).
Dass die Lichtgeschwindigkeit in den Gleichungen steckt, die das elektromagnetische Feld beschreiben, liegt deshalb schlicht daran, dass diese Gleichungen die Änderung des Feldes mit dem Ort und mit der Zeit enthalten. Um die ineinander umzurechnen, brauchen wir die Lichtgeschwindigkeit. Dass das so ist, kann man den Gleichungen sogar direkt ansehen – Details verbanne ich in ein PS, weil die etwas mathematisch sind. Die Lichtgeschwindigkeit ist also nicht wirklich eine Konsequenz des Elektromagnetismus, sondern es ist eher umgekehrt: In jeder (fundamentalen) Theorie, in der räumliche und zeitliche Änderungen relevant sind, wird auch in irgendeiner Weise die Lichtgeschwindigkeit relevant sein. (Das gilt beispielsweise auch für die Theorie der Quantenfelder (klickt rechts bei den Artikelserien für mehr Infos), in der die Lichtgeschwindigkeit ebenfalls überall drin steckt, egal ob es sich um die Gleichungen für Elektronen, Quarks, Gluonen oder sonst etwas handelt.)
Stellen wir uns vor, wir wären Wesen, die ohne jeden Kontakt zu irgendwelchen elektromagnetischen Feldern oder Ladungen leben würden – beispielsweise bestehen wir aus dunkler Materie oder irgendwelchen anderen merkwürdigen Teilchen. Trotzdem würden wir auch experimentell feststellen, dass es da eine besondere Geschwindigkeit gibt, weil es für uns unmöglich wäre, Objekte auf eine größere Geschwindigkeit zu beschleunigen als 299792458m/s. Wir würden diese seltsame Geschwindigkeit vielleicht “Grenzgeschwindigkeit” nennen. Aus der Existenz der Grenzgeschwindigkeit könnten wir ableiten, dass sich Teilchen, die keine Ruhemasse haben, mit dieser Geschwindigkeit bewegen müssen. (Wie das im einzelnen geht, erkläre ich jetzt mal nicht.) Und wenn wir dann eines Tages das Phänomen “Licht” entdecken, dann würden wir sagen “Klar, das bewegt sich mit der Grenzgeschwindigkeit”.
Wir können uns auch umgekehrt vorstellen, es gäbe noch eine zweite Art von Wechselwirkung ähnlich zur elektromagnetischen. Es gäbe dann eine andere Art von Strahlung, nennen wir sie Y-Strahlung. Auch diese Y-Strahlung würde sich mit Grenzgeschwindigkeit ausbreiten. (So etwas ähnliches gibt es tatsächlich, die starke Kernkraft, die die Quarks in Protonen und Neutronen zusammenhält, funktioniert so – mit Teilchen namens “Gluonen” -, die hat nur den Nachteil, dass wir keine “Gluonenstrahlen” beobachten können, weil Gluonen miteinander verklumpen.) Hätten wir historisch zuerst die Y-Strahlung entdeckt, würden wir von der “Y-Geschwindigkeit” reden.
Und schließlich gibt es ja noch, wie oben erwähnt, die Gravitationswellen. Dank aktueller Beobachtungen von Gammablitzen mit Gravitationswellen wissen wir, dass sich Gravitationswellen mit dieser Grenzgeschwindigkeit ausbreiten, obwohl Gravitationswellen wie bereits erwähnt wirklich so ziemlich nichts mit dem Elektromagnetismus zu tun haben.
Umgekehrt ist es auch denkbar, dass Licht sich gar nicht wirklich mit genau dieser Gechwindigkeit ausbreitet. Zumindest theoretisch wäre es möglich, das Photonen doch eine (extrem winzige) Ruhemasse haben. Das lässt sich experimentell nicht ausschließen, würde an unseren Theorien (zumindest was die SRT angeht) aber wenig ändern. (In der Quantenfeldtheorie des Elektromagnetismus müssten wir an den Gleichungen drehen, aber möglich wäre das durchaus.) Gravitationswellen wären trotzdem immer noch mit genau derselben Geschwindigkeit unterwegs wie vorher.
Dass wir von der Grenzgeschwindigkeit als “Lichtgeschwindigkeit” reden, ist in vieler Hinsicht historischer Zufall, man hätte das Phänomen, dass es in einem Universum eine maximal mögliche Geschwindigkeit gibt (die auch für alle Beobachterinnen dieselbe ist) auch anders entdecken können. [Und so erzähle ich die Geschichte auch in meinem demnächst erscheinenden Buch…]. Experimentell ist Licht schlicht das, was am einfachsten zugänglich ist, und deswegen wurde die Grenzgeschwindigkeit “Lichtgeschwindigkeit” genannt. Stellt euch als Analogie vor, irgendwelche Aliens würden die Fernsehsignale der Erde beobachten und würden feststellen, dass der Abstand zwischen zwei Sendungen des “Sandmännchens” immer derselbe ist. Sie würden diese Zeiteinheit dann “Sandmännchen-Intervall” nennen. Später lernen sie, dass das ganze etwas mit der Drehung der Erde zu tun hat, aber der Name “Sandmännchen-Intervall” hat sich nun mal in ihrer Literatur durchgesetzt und bleibt, auch wenn sie jetzt wissen, dass er nicht besonders gut gewählt ist.
So ähnlich ist es auch mit der “Lichtgeschwindigkeit”. Licht bewegt sich mit dieser Geschwindigkeit, weil Licht aus Teilchen ohne Ruhemasse besteht und weil die Raumzeit es erzwingt, dass sich alle solche Teilchen (Photonen, Gluonen, Gravitonen,…) mit dieser Geschwindigkeit bewegen, egal durch welche Theorie sie im einzelnen beschrieben werden. Insofern ist der Name “Lichtgeschwindigkeit” tatsächlich nicht gut gewählt. Die RT ist keine Theorie des Elektromagnetismus, sondern eine Theorie der Raumzeit, die für alles gilt, auch für elektromagnetische Wellen.
PS: Hier das Argument, warum c in den Maxwell-Gleichungen auftaucht:
Die ersten beiden Maxwell-Gleichungen können wir ignorieren, sie enthalten weder zeitliche Änderungen noch irgendwelche c-Faktoren.
Die letzten beiden schreibe ich wie folgt (rot ist der Rotations-Operator, der die räumliche Änderung des jeweiligen Feldes beschreibt, für Details könnt ihr meine Serie zu den Maxwell-Gleichungen angucken):
Hier taucht in der ersten Gleichung kein c auf, in der zweiten dafür gleich ein c². Das liegt aber daran, dass man (in SI-Einheiten) einen Faktor c braucht, um zwischen E- und B-Feld umzurechnen, wie man zum Beispiel an der Gleichung für die Energiedichte sieht:
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Man kann also mit einem c die Einheit von B und E angleichen.
Damit bekomme ich jetzt
Damit sieht man, warum das c in die Maxwell-Gleichung eingeht: Einmal schlicht, weil wir B ungeschickt definiert haben, einmal, weil wir auf der linken Seite jeweils räumliche, auf der rechten Seite zeitliche Ableitungen haben und die ineinander umrechnen müssen. (Raumzeit!) Und taucht immer gemeinsam mit der Ladung auf, entweder als oder als , weil nichts anderes angibt als die Kopplung zwischen Ladung und Feld. (falls jemand über nachdenkt, die magnetische Permeabilität oder wie das Ding heißt, die lässt sich aus und der Lichtgeschwindigkeit ableiten. Da es nur eine Art von Kopplung zwischen elektrischen Ladungen und Feldern gibt, kann es auch keine unabhängige Größe für die Kopplung von Ladungen an das elektrische und von Strömen an das magnetische Feld geben. Das sieht man übrigens auch daran, dass man z.B. das Magnetfeld eines stromdurchflossenen Drahts über die Lorentz-Kontraktion herleiten kann, das erkläre ich im ersten Teil meiner QFT-Serie. )
Ganz analog ist die Situation übrigens bei der Einsteinschen Feldgleichung für die Krümmung der Raumzeit: Da steckt zum einen eine Größe drin, die die Kopplung zwischen Masse und Raumzeitkrümmung angibt (wie viel Krümmung bekomme ich pro Kilogramm?), das ist die Gravitationskonstante. Und dann steckt c drin, weil auf der linken und rechten Seite unterschiedliche Ableitungen stecken, die man umrechnen muss. (Dass da Ableitungen drin sind, sieht man der Gleichung nicht unmittelbar an, weil man auf der linken Seite immer nur den Einstein-tensor hinschreibt, aber der ist ein Krümmungsmaß und gibt deshalb an, wie sich Dinge von Ort zu Ort (oder auch in der Zeit) ändern.)
PPS: Falls ihr diesen Text mal wieder zum Anlass nehmen wollt, eure Privattheorien zur SRT oder zur Physik zu verbreiten oder mir zu erklären, dass alle Physkerinnen doof sind und dass ihr die SRT widerlegen könnt – lasst es. Ich lösche eure Kommentare, außer wenn sie so absurd sind, dass ich euch lieber auslache.
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