Um sicherzustellen, dass das nicht so ist, kann man ein Experiment aufbauen, das diese Schlupflöcher schließt, und so etwas hat man auch in der Tat bereits getan (habe ich hier erklärt, übrigens nochmal mit einer Erklärung der Verschränkung). Dabei wird sichergestellt, dass die Entscheidung bei Alice und Bob, wie die Polfilter orientiert sein sollen, erst getroffen wird, nachdem das Photon schon ausgesandt wurde. Ganz geschlossen ist das Schlupfloch damit aber immer noch nicht – wer sagt denn, dass die Entscheidung von Alice und Bob nicht durch den Aufbau des Experiments selbst irgendwie determiniert war? Es könnte ja auf irgendeine mysteriöse Weise so sein, dass beim Aufbau des Experiments irgendwelche Bedingungen geschaffen wurden, die determinieren, wie die Detektoren bei Alice und Bob genau eingestellt wurden und die immer für eine perfekte Korrelation zwischen der Photonenquelle und den beiden Detektoren sorgen. Zugegebenermaßen ist das schon ziemlich an den haaren herbeigezogen und es glaubt vermutlich kaum jemand (niemand sage ich lieber nicht, seit ich diesen Blog schreibe, habe ich gelernt, dass Menschen seeeehr seltsame Dinge glauben können), dass so etwas tatsächlich passiert, aber wer weiß?
Und genau da kommt jetzt das größte Experiment der Welt ins Spiel: Wir sorgen dafür, dass nicht Alice und Bob selbst entscheiden, was sie messen, sondern dass das von Außen entschieden wird. Und zwar von Photonen, die aus dem All kommen.
Quasare sind sehr helle Objekte im All, die so weit entfernt sind, dass das Licht von ihnen zu uns viele Milliarden Jahre braucht. (Die genaue Entfernung zu einem Quasar ist immer ein etwas kniffliges Konzept, weil sich das All bekanntlich ausdehnt und man immer gucken muss, welchen Entfernungsbegriff man meint. Details erklären Florian oder Alderamin.) So oder so sind Quasare Milliarden Lichtjahre entfernt. Wir können jetzt das Licht von einem Quasar nehmen, daraus ein Photon als “Steuerphoton” (mein Begriff) quasi isolieren und an Hand von dessen Eigenschaften bestimmen, wie wir unseren Polfilter einstellen wollen. Wir machen das bei Alice und Bob mit dem Licht von zwei Quasaren in ganz unterschiedlichen Himmelsgegenden. Zur Festlegung der Polarisation nimmt man die Wellenlänge des Steuerphotons, weil man davon ausgeht, dass die sich bei der Ausbreitung durchs All (abgesehen von der Rotverschiebung durch die Expansion) nicht ändert, während so etwas wie die Polarisation ja durch irgendwelche Moleküle im All, die als Polfilter wirken, beeinflusst werden könnte.
Zusätzlich stellt man auch noch sicher, dass beide Steuerphotonen (eins bei Alice, eins bei Bob) erst detektiert werden, nachdem die verschränkten Photonen ausgesandt wurden, nicht dass jemand da noch ein Schlupfloch sieht. Dieses Diagramm zeigt den Ablauf schematisch:
(Aus Rauch et al., s.u., CC4.0-Lizenz)
Bei S wird das Photonenpaar erzeugt, ein Photon fliegt zu A, eins zu B, wo es detektiert wird. QA und QB sind die beiden Quasare, deren Licht als Steuerphotonen bei dem kleinen Galaxiensymbol aufgefangen wird und dann die Messeinstellung bei A und B steuert. Die blauen und roten Bänder geben die Breite der Messunsicherheit an – so gewählt, dass die Steuerphotonen weder S noch den jeweils anderen Detektor beeinflussen können, während umgekehrt S auch nicht die Auswahl der Polarisation (beim Galaxiensymbol) beeinflussen kann. Und weil Licht lichtschnell ist, kann auch nix anderes vom Quasar ausgesandt worden sein, nachdem das Steuerphoton losgeflogen ist, und hier bei uns irgendwie auf unseren versuch eingewirkt haben.
So sieht das ganze dann insgesamt aus:
(Aus Rauch et al., s.u., CC4.0-Lizenz)
Die beiden Teleskope stehen auf der Insel La Palma in den Kanaren und sind etwa einen Kilometer auseinander. Ungefähr in der Mitte zwischen ihnen wird die Quelle für die verschränkten Photonen aufgebaut, CRNG steht für “cosmic random number generator”, also das Gerät, dass aus dem Quasarlicht die Orientierung der Polfilter bestimmt.
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