Es war ein heißer Sommertag im August 2016. Beim Joggen dachte ich mal wieder über die Allgemeine Relativitätstheorie (ART) nach (zum Nachdenken ist Joggen ja ideal) und dachte an das Buch “Incandescence“, in dem eine vorindustrielle zivilisation die ART entdeckt. Leider sind die Details im Buch nicht wirklich nachvollziehbar, wenn man die ART nicht schon sehr gut kennt. Aber wäre es nicht charmant, die Idee zu übernehmen und die ART aus der Sicht von jemandem zu entdecken, der irgendwo im Weltall schwebt und der gar nicht auf die Idee kommt, die Gravitation könnte irgendetwas mit einer “Kraft” zu tun haben? Vor meinem geistigen Auge entstand das Bild eines Raumschiffs mit einer großen Versuchshalle, und darin ein Roboter, der – unterstützt durch einen Menschen – Versuche macht, um die Raumzeit zu verstehen. So wurde Isaac geboren, der Held meines Buchs. Als ich vom Joggen zurück war, setzte ich mich an den Rechner, öffnete eine Datei und tippte den ersten Satz ein: “Die Oberfläche eines Planeten ist ein schlechter Ort, um das Universum zu verstehen.” (Ja, ich weiß – ich predige in meinen Workshops zum Schreiben immer, dass man keinen Artikel und kein Buch damit beginnt, dass man den ersten Satz hinschreibt – aber manchmal sind Regeln auch dazu da, gebrochen zu werden.)
Die zweite Inspiration war – natürlich – das Buch “Gödel, Escher, Bach”, in meinen Augen das beste Wissenschaftsbuch aller Zeiten. (Ja, so Leid es mir für mich selbst tut – meins eingeschlossen…) Wer das Buch kennt, weiß, dass sich dort skurrile Dialoge mit dem eigentlich Sachbuchtext abwechseln. So ähnlich stellte ich mir das auch vor – allerdings mit einer deutlich engeren Anbindung der Dialoge an die erklärenden Teile. Die Dialoge würden dazu dienen, Ideen einzuführen und Unklarheiten möglichst schnell auszuräumen (dazu halfen viele Kommentare hier im Blog weiter, die mir zeigten wo man leicht etwas missverstehen kann), die Erklärtexte würden dann alles vertiefen. Im Laufe der Zeit kam dann noch eine dritte Art Text dazu – Anmerkungen eher technischen Natur, in denen ich viele der Dinge aufschreibe, die ich beim Lesen von Fachbüchern nur mit Mühe verstanden habe. (Die sind in einem Anhang, damit niemand von ganz fiesen Formeln abgeschreckt wird – aber keine Sorge, auch im Haupttext stecken Formeln drin…) Dass sich in den Dialogen dann auch noch so etwas wie eine Rahmenhandlung entwickelt (denn nicht alles ist so, wie es auf den ersten Blick erscheint), ergab sich ziemlich natürlich (und war im letzten Kapitel zur Quantengravitation auch eine dramaturgische Notwendigkeit).
Anfangs dachte ich an ein eher dünnes Buch, so mit etwa 200 Seiten, aber es zeigte sich schnell, dass das Schreiben kurzer Erklärungen nicht meine Sache ist. Na klar will man, wenn man das Wort “Energie” erklärt, auch das Noether-Theorem erklären, natürlich muss man auch genau erklären, wie eigentlich eine Vierergeschwindigkeit in der speziellen RT funktioniert (überraschenderweise ist das in mancher Hinsicht das abstrakteste Konzept der ART), man braucht eine Anschauung, was es eigentlich heißt, wenn etwas “gekrümmt” ist, und selbstverständlich muss man in der ART alle möglichen Tensoren auseinanderhalten – Energie-Impuls-Tensor, Weyl-Tensor, Ricci-Tensor… (Hier waren auch die Bücher von Roger Penrose hilfreich, der diese Konzepte ja auch – wenn auch weniger detailliert – erklärt, beispielsweise in “Emperor’s New Mind”.) Und was ist mit Schwarzen Löchern? Und dem berühmten “frame dragging”? Gravitationswellen? Wurmlöcher und Zeitmaschinen? Und Quantengravitation? All das musste irgendwie auch noch mit ins Buch – es wird euch also nicht überraschen, dass am Ende etwa 560 Seiten draus geworden sind.
Und irgendwann im September 2016 (da hatte ich so etwa 30 Seiten geschrieben) habe ich dann drüben bei GENau die Frage gestellt, wie man denn einen Verlag für eine Buchidee findet. Kurze Zeit später meldete sich eine freundliche Lektorin des Springer-Verlags (ja, dort liest man Scienceblogs!) und fragte mich, ob ich da wohl eine Idee hätte…
Der Rest war gleichzeitig faszinierend und anstrengend – einerseits habe ich mir wirklich Zeit genommen, um zu verstehen, wie die ART funktioniert und versucht, mir eine Anschauung zu basteln, die funktioniert (und die man auch zu Ende denken darf – anders als gewisse Gummitücher…). Andererseits war die Schreiberei auch ne Menge Arbeit – in der Endzeit habe ich in meiner Freizeit nur noch wenig anderes getan als Buch schreiben, über’s Buch nachdenken, Buch korrigieren usw. Entsprechend war auch hier letzten Winter ja lange Zeit Funkstille.
Und nachdem es dann doch einige Zeit dauerte (Copy-Editoren lesen so ein Buch nochmal akribisch, dann muss das Ganze zeitgemäß ins XML-Format übertragen werden, was weniger einfach zu sein scheint, als man naiv denken würde), habe ich nun heute endlich die Belegexemplare des Buchs bekommen – die elektronische Version gibt es schon ein paar Wochen, aber auch die Druckversio ist jetzt erhältlich (Tipp: Die Druckversion ist nur geringfügig teurer und hat hinten einen Download-Link für’s ebook. Der Link führt auf die Springer-Seite, aber das Buch sollte es jetzt auch anderswo geben.):
Martin Bäker
Isaac oder Die Entdeckung der Raumzeit
Springer Verlag, 2019
Dankenswerterweise durfte ich übrigens Dinge tun, die man sonst als Autor oft nicht tun darf: Nämlich bei Titel und Titelbild mitreden. Der Titel war nicht so schrecklich schwer zu finden (das Wort “Raumzeit” sollte drin sein, und irgendwie sollte deutlich werden, dass es kein ganz normales Sachbuch ist); beim Titelbild gab es einige Konzepte, bis ich irgendwann die Idee mit dem Schwarzen Loch in Isaacs Auge hatte (auch wenn Isaac im Buch nie selbst bei einem SL vorbeikommt) – aus meiner gimp-Skizze wurde dann ein schönes Cover.
Zum Abschluss ist natürlich eins ganz wichtig: Ohne diesen Blog (und euch als LeserInnen) hätte ich das Buch nie schreiben können – die vielen Artikel zum Thema und die Diskussionen dazu haben mir geholfen, alles besser zu verstehen, haben mir gezeigt, wo meine Lücken im Verständnis sind und haben mir die Hoffnung gegeben, dass ich das ganze vielleicht tatsächlich gut und verständlich rüberbringen kann. (Falls ich euch in der Danksagung vergessen habe, obwohl ihr hier immer fleissig dabei wart – sorry, war bestimmt keine böse Absicht.) Und auch zwei meiner “TestleserInnen” (dazu gibt es demnächst noch einen Extra-Artikel) habe ich über den Blog gefunden – ohne die würde so manches deutlich unklarer sein und einige Fehler haben sie auch ausgemerzt. (Die, die noch da sind, gehen aber natürlich zu 100% auf meine Kappe.) Und deswegen nutze ich mal wieder die Gelegenheit für ein ganz herzliches Dankeschön an euch als meine fleißigen LeserInnen:
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