Jeder kennt sie. Bei einem grösseren Ereignisse verbreiten sie sich viral und sind nicht mehr tot zu kriegen: Verschwörungstheorien. Eine Studie untersuchte 2007 in den USA wer ihnen glauben schenkt und warum (via The Monkey Cage).
In der Studie (Carl Stempel, Thomas Hargrove, und Guido Stempel III, ‘Media Use, Social Structure, and Belief in 9/11 Conspiracy Theories’ in Journalism & Mass Communication Quarterly, Sommer 2007) wurden zwei gängige Erklärungsmuster überprüft. Eines, dass marginalisierte Gruppen eine Tendenz zu Verschwörungstheorien hätten und als Quelle weniger kontrollierte Medien benutzen (u.a. Blogs!). Die zweite Hypothese ist, dass durch das Aufdecken von Machenschaften hinter den Kulissen die etablierten Medien selber solche Erklärungen fördern. So werden Ereignisse in einem innenpolititschen Freund-Feind denken rationalisiert.
Die Studie (ich konnte das Original leider nirgends finden) testete die beiden Hypothesen anhand der Anschläge auf das World Trade Center. Ich war überrascht zu lesen, dass ganze 36% der US Bevölkerung vermuten, dass die Regierung irgendwie ihre Hände mit im Spiel hatte. Die Autoren kommen zum Schluss, dass es für beide Erklärungsmuster plausible Hinweise gibt. Gerade Blogs scheinen eine zentrale Rolle in der Verbreitung von solchen Theorien zu spielen.
Fördern Blogs also Verschwörungstheorien? Liest man beispielsweise das Politblog (gemäss Wikio eines der meistgelesenen Politikblogs ) könnte man diesen Eindruck erhalten. Da wird unter anderem im Zusammenhang mit dem 11. September von der (anscheinend offensichtlichen) ‘Wahrheit’ geschrieben, von Vertuschung und Lüge.
Ich teile jedoch die Vorbehalte von The Monkey Cage betreffend der Studie. Die Kausalität ist nicht klar. Es ist gut möglich, dass sich Verschwörungstheoretiker nur die Bestätigung ihrer abstrusen Gedankengebäude in solchen Blogs holen. Ich frage mich zudem auch inwiefern die zweite Hypothese wirklich anhand des 9/11 Beispiels überprüft werden kann, da die Bush Administration einiges zur Polarisierung in der US Politik beigetragen hat. Der Fokus auf den 11. September könnte also das Resultat verzerren.
Blogs können aber auch ein probates Mittel sein um Verschwörungstheorien zu bremsen. Gerade Wissenschaftsblogs können da eine wichtige Rolle spielen. Verschwörungstheoretiker funktionieren nämlich wie Kreationisten (und so möchte man anfügen, Fahrradhelm-Gegner): Sie geben sich als Skeptiker, werfen ein paar Fragen auf und verwerfen dann eine vollständige plausible Theorie. Als Alternative wird etwas vorgeschlagen, dass zwar dem gleichen Mass an Skepsis niemals standhalten würde, es wird aber direkt als die Alternative zur verworfenen Erklärung definiert (ein rhetorischer Trick, mehr nicht). Wissenschaftsblogs jeder Fachrichtung können hier eine Lücke füllen. Eine Schulung und/oder Praxis in wissenschaftlicher Methode kann helfen zu verhindern in diese Falle zu tappen. Ein Teil der wissenschaftlichen Ausbildung ist nicht Fachwissen, sondern zu lernen wie man über ein Problem nachdenkt. Dazu gehört nicht zuletzt zugeben zu können, dass man Fakten falsch interpretiert hat oder dass neue Argumente überzeugten. Auch das ist eine wissenschaftliche Qualität.
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