Vorgestern flogen US Truppen in Somalia eine Angriff und töteten dabei mindestens dreizehn Personen. Ein weiterer Erfolg im “War on Terror”? Leider nur im Propagandakrieg.

Sucht man bei Google News die Nachrichten dazu findet man Schlagzeilen wie diese und diese.

Wie bitte? Al-Kaida Führer getötet? Führender Islamist umgebracht? Bei absoluten Gewissheiten kriege ich Gänsehaut. Erst recht wenn ich weiss, dass es keine sind.

Die richtige Formulierung wäre wohl (bei BBC International am Radio übrigens auch so gemacht): Mutmasslicher Führer einer Organisation mit angeblichen Verbindungen zu Al Kaida bei Luftangriffe getötet. Merkt jemand den Unterschied zum Abschreiben der Pressekommunikees des US Militärs?

Teil von Al Kaida wird man inzwischen wie Fussballfan. Es reicht wenn man sich selber so definiert (zu Risiken und Nebenwirkungen, fragen sie Ihren Politiker oder General).

Wenn man Al Kaida und Terror ins Spiel bringt, scheinen alle Errungenschaften des Rechtsstaates ebenso wie die Hirne und das Arbeitsethos vieler Journalisten ausser Kraft gesetzt. Was ist mit dem Recht auf Anhörung und auf einen Prozess? Was ist mit der guten alten Unschuldsvermutung?

Aber akzeptieren wir doch für einen Moment, dass es sich tatsächlich um einen bösen Jungen gehandelt hat. Was ist mit den anderen zwölf Menschen die getötet wurden? Wer hat die verurteilt, was haben die verbrochen? Wer hat entschieden, wie viele zusätzliche Menschenleben der Tod des einen Verbrechers wert ist (oder noch schlimmer, hat man sich das gar nicht überlegt)? Ist die Todesstrafe neuerdings von allen Strafen diejenige, die keine Gerichtsverhandlung mehr braucht? Oder soll man nur von Willkür geschützt sein, wenn man in einem Land lebt, welches auf dem richtigen Kontinent liegt?

Ich finde aber das schlimmste ist: Niemand stellt diese Fragen.

In einer Rede vor dem Kongress hat Bush im September 2001 erklärt, was die Terroristen an den USA hassten:

They hate our freedoms — our freedom of religion, our freedom of speech, our freedom to vote and assemble and disagree with each other.

Ich persönlich bin überzeugt, dass die USA tatsächlich für diese Werte stehen. Wenn aber im Namen des sogenannten Kriegs gegen den Terror (eine Metapher mehr nicht), US-amerikanische Grundwerte (in diesem Fall der Rechtsstaat nämlich) mit Füssen getreten werden, ist erscheint es als blosse Heuchelei.

Je länger uns diese leere Metapher “War on Terror” um die Ohren geschlagen wird als ob es sich um einen tatsächlichen Krieg handeln würde, desto abgestumpfter werden wir. Wenn Journalisten ihre Arbeit nicht mehr machen und wir nur gelangweilt weiterblättern ohne zu denken, dann hat das System, welches wir zu verteidigen glauben, jegliche moralische Autorität verloren und wir haben die einzige Chance diesen Wettkampf der Ideen zu gewinnen verpasst.

Kommentare (1)

  1. #1 andré
    Mai 4, 2008

    immerhin: nicht bloss “die journalisten”, sondern auch “wir” mögen’s nicht mehr hören oder sehen, das tägliche todes-bulletin aus bagdad, gaza oder darfour.
    und so kommt es, dass plötzlich jene als gegner des “war on terror” dastehen, die sich für das humanitäre völkerrecht – mit moral hat das wenig, mit recht viel zu tun – stark machen