Im Fischblog wird das Verhältnis zwischen Wissenschaftsjournalismus und Wissenschaft diskutiert. Ich möchte hier das Thema aufgreifen und ein wenig über die Rolle von Politikwissenschaftlern nachdenken.

In The Monkey Cage wurde rein zufällig genau dieses Thema ebenfalls aufgegriffen.

Es fiel mir grundsätzlich auf, dass es kaum Wissenschaftsberichterstattung über sozialwissenschaftliche Themen gibt. Die meisten Sozialwissenschaftler tauchen ausserhalb des Wissenschaftsteils auf. Falls doch einmal über ihre Arbeit berichtet wird, dann handelt es sich meist um Studien zu ‘heissen’ Themen (z.B. Jugendgewalt) die dann je nach persönlicher politischer Präferenz benutzt oder angezweifelt werden (nicht mit wissenschaftlichen Argumenten natürlich). Politologen werden normalerweise zu spezifischen Tagesthemen als Experten befragt. Typischerweise geschieht dies zu Umfragen oder als Länderspezialisten. Häufig schon zugespitzte Aussagen werden dann nicht selten noch weiter reduziert. Nicht aussagekräftige Umfragen werden dann zu absoluten Schlagzeilen. Normalerweise vertraut und beruft sich der Schreibende voll auf das ‘Expertentum’ des befragten Sozialwissenschaftlers.

Lars vom Fischblog identifiziert als Hauptproblem das Verhältnis der Journalisten zur Theorie. Je länger ich darüber nachdenken umso mehr überzeugt mich dieses Argument auch für die Sozialwissenschaften. Es scheint mir dass gerade bei sozialwissenschaftlichen Fragen häufig eine Theorieangst (zu trocken, interessiert niemanden) gepaart mit einer Theoriegeringschätzung (weltfremd, unrealistisch) vorhanden ist. Dazu kommt, dass ‘Theorie’ in den Sozialwissenschaften häufig viel ‘weicher’ ist und es mehr konkurrierende Theorien gibt.

Wer über Tagespolitik schreibt hat zudem kaum Zeit für Theorie. John Sides von The Monkey Cage schreibt dazu treffend:

I certainly recognize that political science research is often a cold shower, as political scientists are much more cautious about trumpeting the importance of recent events whose impact is not yet clear, while journalists have incentives to generate “news” by inflating the importance of these events.

So werden Dinge als gesetzt dargestellt und durch ständige Wiederholung zur Wahrheit, die eigentlich keine ist. Welche Rolle spielt Geld wirklich in einer Wahlkampagne? Wer profitiert von Schutzzöllen? Was bedeutet Abschreckung jenseits des täglichen Wortgebrauchs? Was wären mögliche Verhandlungstaktiken? Ein wirkliches Verständnis der gewonnen Information ist ohne Antworten auf solche Fragen nicht möglich und dazu braucht es eben einen theoretischen Hintergrund.

Bloggende Sozialwissenschaftler können da bestimmt eine Rolle spielen, als fünfte Gewalt sozusagen. Wir scheinen aber noch weit von einem entsprechenden Einfluss entfernt zu sein (siehe dazu den Eintrag bei Weitergen). Einerseits können in einem Blog solche Fragen erörtert werden, die in der tagespolitischen Berichterstattung untergehen, anderseits kann das Verständnis der Theorie geschärft und die Angst davor abgebaut werden. Würden nur mehr Journalisten Blogs lesen und mehr Sozialwissenschaftler ihr eignes Blog schreiben.

Kommentare (2)

  1. #1 Fischer
    Mai 8, 2008

    Der Vollständigkeit halber: Die Idee mit dem Verhältnis von Journalisten zur Theorie stammt nicht von mir, sondern von Werner Große, der Medienwissenschaft an der Uni Braunschweig lehrt.

    Das spezifische Problem der Sozial- und Politikwissenschaften in den Medien scheint mir allerdings zu sein, dass man ihnen eine solche theoretische Basis gar nicht zutraut.

  2. #2 Beatrice Lugger
    Mai 8, 2008

    Vielleicht liegt es an diesem Verhältnis, dass sich Sozialwissenschaftler in den Blogs nun so stark Gehör verschaffen. Wenn ich mir die Liste von Marc zur aktuellen Wissenschaftsblog-Szene so ansehe, sind dort die Sozialwissenschaftler eindeutig in der Überzahl.