Israel hat offiziell nie zugegeben, dass es Atomwaffen besitzt, es hat aber auch nie versucht den Verdacht zu zerstreuen.

Nun hat der Ex-Präsident Jimmy Carter auf eine Frage zu Iran antwortend gesagt, Israel hätte etwa 150 Nuklearsprengköpfe. Die Information ist nicht sehr neu, bestätigt aber was viele bisher vermuteten. Ich möchte aber auf ein paar andere interessante Details hinweisen.

Zuerst einmal eine Bemerkung am Rande: Es gibt eine interessante Diskrepanz zwischen der oben verlinkten Reuters Meldung und der BBC Meldung. Gemäss BBC hat Carter nämlich die Atomwaffen der ‘Sowjetunion’ veranschlagt (statt die des wohl gemeinten Russlands). Anscheinend hat Reuters dies korrigiert (oder in dubio pro reo nicht gemerkt). Es handelt sich hier zwar um ein Detail (1) aber es mutet schon etwas seltsam an, wenn Zitate einfach ohne Hinweis geändert werden. Im akademischen Bereich gelten da andere Standards. Wie kann ich einer solchen Nachrichtenquelle trauen, wenn ich weiss, dass dies die, vermutlich sogar gut gemeinte, Praxis ist?

Zweitens orientiert sich das Iran Argument zu sehr an einer Kalter Krieg Logik, die sich auf das globale konzentriert (darauf weist auch der Versprecher hin). Carter wollte erklären, dass bei der atomaren Übermacht der Grossen, das Gleichgewicht auch durch eine nukleare Bewaffnung des Irans nicht gestört würde. Nun kann man sich aber schon fragen, ob sich Irans Nachbarn (und um die geht es, die USA sind nun wirklich nicht existenziell durch eine iranische Bombe bedroht) sich eine militärische Aktion gegen den Iran vielleicht zweimal überlegen würden, wüssten sie, dass Iran eben solche Waffen besitzt. Genau von diesem Effekt profitiert auch Israel, wenn dort Nuklearwaffen vermutet werden. Genau das gleiche würde Iran sich von einer eigenen Bombe erhoffen. Da kann die USA noch so viele Nukes in ihren Depots haben. Sobald der Zweifel bei den Nachbarn nagt, hat Iran (oder Israel, oder wer auch immer) schon an vermeintlicher Sicherheit dazugewonnen.

Drittens, müsste man sich eigentlich die Frage nach den effektiven militärischen Möglichkeiten stellen und nicht nur einen einfachen relativen Vergleich ziehen, wie Carter das tat. Kann der Gegner abgeschreckt werden? Ist eine Zweitschlagskapazität vorhanden? Was ist die Einsatzdoktrin, kann zum Beispiel auch auf einen konventionellen Angriff, nuklear geantwortet werden? Ist ein Erstschlag eine Option? Spekulationen zu diesen Fragen zu hören, wäre gerade im Zusammenhang mit Iran interessant, weil ich stark vermute, dass dem Iran nicht die gleiche rationale Entscheidungsfähigkeit zugesprochen wird, wie das in der klassischen Abschreckungstheorie normalerweise für Staaten der Fall ist. Es wird davon ausgegangen, dass der Iran ein Schurkenstaat ist und daher nicht berechenbar (etwas das eigentlich noch bewiesen werden müsste). Israel hat insofern einen ganz anderen Status (2). Sollte jemand nun anbringen wollen, dass der Iran von Mullahs kontrolliert wird, möchte ich entgegen, dass der Einfluss der Religion unter anderem in den USA (12’000 Atomwaffen gemäss Carter) und Israel mich ebenso beunruhigt (3). Es handelt sich einmal mehr um einen dieser Doppelstandards, die in der internationalen Politik so häufig sind und diese auch in Verruf bringen. Es gilt einmal mehr, dass alle Tiere gleich sind, ausser…

(1) Man könnte natürlich argumentieren, dass es etwas über die Weltsicht verrät, den Geisteszustand des Sprechers oder Rückschlüsse auf dessen Konzentration zur Zeit der Aussage zulässt.
(2) Dabei scheint mir gerade Israel zum Beispiel alles andere als frei von irrationalen Überreaktionen.
(3) Es gibt zugegebenermassen bessere demokratische Kontrollmechanismen in den beiden Ländern.

Kommentare (3)

  1. #1 Arnd
    Mai 28, 2008

    Die zunehmende religiöse Radikalisierung der größten Supermacht ist in der Tat erschreckend. Richtig böse kann das ganze werden falls die amerikanische Wirtschaft zusammenbricht, was ja nicht mehr völlig ausgeschlossen werden kann angesichts der maroden Kreditlage. Materielle Not war schon immer ein guter Nährboden für extreme Ideologien bzw. fundamentale Religionen.

  2. #2 ali
    Mai 28, 2008

    Ganz so schwarz sehe ich die Sache nicht. Ich bin überzeugt, dass das amerikanische politische System eine mässigende Funktion hat und extreme Standpunkte tendenziell rausfiltert und abschwächt (starke Gewaltentrennung und unabhängige Justiz, die ausgeprägte föderale Struktur, Zwei Kammern Parlament, etc.). Dies wird auf unserer Seite des Teiches weniger wahrgenommen, da natürlich die extremen Standpunkte interessanter sind zur medialen Aufbereitung.

    Trotzdem ist der steigende (direkte) Einfluss der religiösen Rechten besorgniserregend. Deswegen muss man nicht gleich den Teufel an die Wand malen (wenn mir diese Referenz zum Teufel in diesem Zusammenhang gestattet sei).

    Ausserdem scheint in den USA Armut eher mit politischem Desinteresse denn mit Extremismus einher zugehen.

  3. #3 johannes
    Mai 28, 2008

    Zur Trennung von Kirche und Staat in den USA ist zu sagen, dass diese wesentlich stärker ausgeprägt ist als beispielsweise in Deutschland, wo ja nach wie vor eine enge Verquickung von Staat und Kirche besteht. Das Fehlen einer Staatskirche hat zwar zur Folge, dass es dort mehr fundamentalistische oder evangelikale Sekten gibt, ist aber insgesamt aus säkularistischer Sicht doch die bessere oder zumindest logisch sauberere Lösung.

    Zum Iran: Das Regime wird letzten Endes nicht durch Angriffe von aussen bedroht, die man mit einer Atombombe abschrecken könnte. Bei aller radikalen Rhetorik der Bush-Administration hat deren Politik letzten Endes die Position des Iran gestärkt, dessen traditionelle Feinde wie der baahistische Irak oder das Afghanistan der Taliban existieren nicht mehr. Der Konflikt mit Israel ist ohnehin nicht rational zu begründen, da dieses Land keine Interessen östlich des Jordan hat.
    Was den Iran bedroht, sind soziale und ethnische Konflikte von innen. Um die drei- bis viertausend Soldaten im Jahr fallen allein im Einsatz gegen Drogendealer. Ein grosser Teil der Bevölkerung ist männlich, unter zwanzig und arbeitslos, und eine Rivalität, sozusagen ein permanenter kalter Bürgerkrieg, zwischen den verschiedenen staatlichen und parastaatlichen Instiutionen ist schon quasi in die Verfassung geschrieben. Die Frage ist also, was wird aus der Bombe, und welche Fraktion entscheidet über ihren Einsatz, wenn staatliche Strukturen zusammenbrechen (das selbe gilt im Prinzip auch für Pakistan)? Und besteht die Gefahr, das die Regierenden eine Götterdämmerung dem Ende eines Ceaucescu vorziehen?