Ich lebe in einem Land, welches (zumindest de jure) nicht Mitglied der Europäischen Union ist. Vielleicht sollten sich die Schweizer es sich auf den Zuschauerrängen jedoch nicht allzu bequem machen. Die Isländer lernen gerade eine Lektion und merken, dass nicht nur Märkte sondern auch politische Aussagen sehr schnell und drastisch die Richtung ändern können.

Im September des letzten Jahres behauptete der neue Isländische Ministerpräsident noch vollmundig, dass ein EU Beitritt kein Thema sei.1

Nun hat Islands Fischereiminister angedeutet, dass die EU durchaus eine Option wäre für das von der Finanzkrise arg gebeutelte Land. Gestern konnte man lesen, dass die EU einen raschen Beitritt in Aussicht stellt.

Damit würde Island auf die Überholspur kommen. Schliesslich verhandelt die EU mit Kroatien und der Türkei über einen Beitritt (und Mazedonien ist Kandidat). Island blieb bis jetzt zusammen mit der Schweiz und Norwegen freiwillig draussen vor der Tür. Dies nicht zuletzt weil man Nachteile für die Fischerei erwartete. Da hat man vermutlich zu einfach gerechnet und vergessen, dass sich vieles sehr schnell ändern kann. Eine Warnung an die Besitzstandwahrer und Kleinkrämer überall.

1Mit dem wohl absichtlich vagen Formulierung, dass ein solcher natürlich nicht ‘für immer ausgeschlossen’ werden könnte (aber was kann schon?).

Kommentare (3)

  1. #1 Ronny
    Oktober 21, 2008

    Ich bin mal frech (so als Ösi), aber Norwegen ist nicht in der EU weil sie genug Öl haben und auch Angst um ihre Fische. Schweiz und Island sind wegen ihrer Banken auf Distanz. Island hat es voll erwischt, jetzt siehts schlecht aus.

  2. #2 ali
    Oktober 21, 2008

    Die Einschätzung betreffend Norwegen teile ich (obwohl natürlich immer auch noch vieles anderes reinspielt). Ich glaube in Island war die Hauptsorge wirklich fast ausschliesslich die Fischerei. Nun was die Schweiz anbelangt (den Fall, den ich als Helvete natürlich am Besten kenne) finde ich es schwierig es auf einen Hauptgrund halbwegs rationalen einzudampfen (und die emotionaleren lasse ich mal sowieso beiseite). Ich glaube nicht, dass die Banken an vorderster Stelle sind, sondern die Landwirtschaft beim Entscheid draussen zu bleiben eigentlich bedeutender war (und in geringerem Ausmass, andere geschützte Berufsgruppen) in Kombination mit einem relativ hohen Lebensstandard. Letzterer bröckelte zwar in den letzten Jahren, aber die politische Diskussion ist inzwischen so polarisiert und aufgeheizt, dass sich da nicht viel ändern wird (schon nur weil wir de facto fast Mitglied sind und nur nicht mitbestimmen dürfen).

  3. #3 Martin
    Oktober 21, 2008

    Wie ist das eigentlich politisch?

    Island steht ja historisch den USA sehr nahe. Und hat es nicht vor kurzem geheißen, wir brauchen unbedingt den Vertrag von Lissabon, um weiter (wieder?) handlungsfähig zu bleiben?

    Eigentlich fände ich einen Beitritt Islands gar nicht schlecht. Nur beschleicht mich das Gefühl, dass bei führenden europäischen Politikern wiedermal der Drang zum Geschichte schreiben entstehen wird. Dann heißt es (wieder) erweitern ohne um jeden Preis: Jeder wird aufgenommen, egal wie wenig erfüllt wird (Bulgarien!), egal wieviele Zugeständisse gemacht werden müssen.

    Und am Ende hat man dann Mitglieder, die eigentlich nicht dabei sein wollen und die EU noch handlungsunfähiger machen.