Roquefort.jpg

Die ausgehende Administration Bush hat die Zölle, die auf eingeführten französischen Roquefort Käse erhoben werden, auf 300% erhöht. Dies passierte nicht weil Bush den Käse nicht mag, sonder wegen dem Hormoneinsatz in der US Rinderzucht. Eigentlich erzählt die Geschichte aber, warum das Schlichtungsverfahren der Welthandelsorganisation (WTO) soviel Überzeugungskraft haben kann. Verwirrt?

Es ist selten, dass es in meinem Forschungsgebiet so anschauliches zu berichten gibt. Es gibt nämlich durchaus einen direkten Zusammenhang zwischen dem Käse, dem Fleisch und dem WTO Schlichtungsverfahren. Um zu verstehen was genau passiert ist, muss man das Schlichtungsverfahren der WTO grob verstanden haben. Unter dem Dach der WTO ist ein Bündel von Verträgen untergebracht, der wohl wichtigste davon ist das General Agreement on Trade and Tariffs (GATT). Darin einigt man sich unter anderem auf den maximalen Zoll der auf den Import spezifischer Güter erhoben werden darf (und der gilt dann im Normalfall für alle anderen GATT unterzeichnenden ebenfalls).

Verletzt nun ein Land in den Augen eines anderen diesen Vertrag, kann der vermeintliche Übeltäter in der WTO eingeklagt werden. Die Europäische Union (EU) wurde 1995 von den USA in ein solches Schlichtungsverfahren gezwungen. Bei den beanstandeten Einfuhrbeschränkungen handelte sich um ein Einfuhrverbot von mit Wachstumshormonen behandeltem Rindfleisch. Die EU hat offiziell Zweifel an der Unbedenklichkeit dieses Fleisches für die Gesundheit der Konsumenten. Nun wurde entschieden, dass dieses Verbot nicht mit dem GATT zu vereinen sei und dass die EU entweder das Verbot aufheben muss oder einen wissenschaftlichen Beweis für die Gesundheitsgefahren erbringen soll um ihre Bedenken zu belegen.

Da die EU nichts unternommen hat, dürfen die USA nun Sanktionen im Gegenwert ihrer durch das EU Importverbot erlittenen Verluste erheben (rund 117 Millionen USD). So hat es die WTO 1999 beschlossen und darum ist das Sanktionsregime der WTO relativ effizient. Wenn ein grosser Markt wie die USA (oder mit umgekehrten Vorzeichen die EU) mit solchen Sanktionen drohen kann, stecken da bedeutende Muskeln dahinter. Natürlich wählt man sich die Güter an denen man sich rächt gut aus. Ich gehe davon aus, es ist kein Zufall, dass es gerade eine kleine Gruppe von Herstellern einer landwirtschaftlichen Spezialität in Frankreich ist, die betroffen ist. Die Landwirtschaftslobby ist stark in Frankreich und Frankreich ist eine wichtige Stimme in der EU. Sowas darf man wohl politische Hebelwirkung nennen.

Die USA verhandeln mit der EU über eine Beilegung des Streits. Ursprünglich wurde das Stichdatum für den 300%-Zoll auf den 23. März 2009 angesetzt, ist nun aber um einen Monat auf den 23. April 2009 verschoben worden. Das heisst vermutlich, dass man durchaus auf dem Weg zu einer einvernehmlichen Lösung ist. Wetten der scharfe Roquefort Geruch steckt den an den Verhandlungen beteiligten EU Repräsentanten in der Nase?

Bildquelle: Wikimedia Commons

Kommentare (4)

  1. #1 GeMa
    April 18, 2009

    Hast Du eine Ahnung, weshalb dieser Käse? Decken die 300% den Saktionsbetrag oder wurde generell die Warengruppe Käse, statt mtwg. Wein, ausgewählt.
    Könnte an der von Dir beschriebenen Hebelwirkung liegen, weil bestimmte Käsesorten ohnehin in den letzten Jahren auch innerhalb der EU Herstellungserlaubnisstreß hatten – nochmal den Finger richtig auf´s Schlimme in der Branche quasi.

  2. #2 ali
    April 18, 2009

    Ich kann nur spekulieren da ich mich zuwenig auskenne in der französischen Agrarlandschaft. Folgendes kann ich mir vorstellen hat den Entscheid beeinflusst:

    1. Wie du schreibst, den Betrag für den man zurückschlagen darf, möchte man decken und zwar mit einem Produkt, dass danach kaum mehr verkauft werden kann. Grosse finanzielle Schmerzen bei einer relativ überschaubaren Gruppe verursachen die gute Drähte zur Politik hat. Also tendenziell etwas kleines spezialisiertes.

    2. Die Roquefort Produktion ist sehr arbeitsintensiv und es hängen Landwirte wie Käseproduzenten mit drin. Ausserdem ist sie per Definition geographisch konzentriert. Ideal um bei den Betroffenen eine moblisierung zu vereinfachen.

    3. Frankreich ist wohl das Opfer wegen a) seiner starken Landwirtschaftslobby, b) seiner Stellung in der EU in Landwirtschaftsfragen, c) weil selber auch ein Fleischproduzent mit Hormonvergangenheit (der gegen ein vollständiges Verbot war).

    4. Ein Teil ist wohl auch einfach Zufall, Pech für Roquefort. Es ist aber sicher nicht auszuschliessen, dass es eine Schafsmilch- oder Blaukäselobby gibt in Washington die ein wenig nachgeholfen hat (obwohl natürlich keine richtige Konkurrenz für Roquefort). Vermutlich darf auch die Symbolik vom Angriff auf französischen Käse nicht unterschätzt werden.

    Ich zweifle, dass es etwas mit EU internen Käseproblemen zu tun hat. Man möchte lieber einen gesunden Sektor erwischen (die Betroffenen sollen schliesslich Druck ausüben). Wieviel Druck die Roquefort-Produzenten wirklich ausüben können (in der EU und in Frankreich) weiss ich nicht.

  3. #3 GeMa
    April 18, 2009

    Ah, 3 c) klingt ja auch kompromissbegünstigend.
    Solche Beispiele sind doch immer wieder erhellend. Danke !

  4. #4 Ronny
    April 20, 2009

    Mich persönlich ärgert nur immer diese ‘Entmündigung des Bürgers’. Jeder soll selbst entscheiden. Auf das Fleisch in großen Buchstaben draufschreiben: Enthält Fleisch von hormonbehandeltes Tieren. Dann kann sich jeder selbst aussuchen, ob er das kaufen will.