Die Wahlen ins Europaparlament können da kaum gemeint sein. Stimmt auch. Ich schreibe über den Libanon. Das fragmentierte Land wurde auch schon als ‘Schweiz des Nahen Ostens’ bezeichnet, wie kann ich mir da verkneifen, ein paar Zeilen zum Wahlwochenende zu schreiben. Ausserdem halte ich den Libanon für ein gutes Beispiel wie Religion (und/oder Ethnie) sich schlecht mit Politik verträgt und internationale Einmischung den Mix nicht verbessert.

Das libanesische Parlament umfasst 128 Sitze und diese werden nach einem Quotensystem an die 16 anerkannten religiösen Gruppierungen vergeben. Die Parteienlandschaft ist stark fragmentiert und wird vor allem von religiösen Identitäten dominiert. Was besonders auffällt ist, wie nicht nur im Landesinnern Wahlkampf betrieben wird, sondern wie sich viele andere Nationen ebenfalls in die Wahlen einmischen.

Rückblick

Seit den letzten Wahlen 2005 wird das Land von einer Koalition regiert, die normalerweise unter dem Namen der ‘Bewegung vom 14. März’ läuft. Die Gruppe unter der Führung von Saad al-Hariri profitierte vom Rückzug der Syrischen Truppen nach dem Mord von Saad al-Hariris Vater, Rafik im Februar des selben Jahres. Vor etwas mehr als einem Jahr kamen verschiedene Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppierungen zu einem neuen Höhepunkt und schiitische Hisbollah Milizen besetzten Teile Beiruts. Die Krise wurde entschärft durch das sogenannte Doha Abkommen, welches unter der Vermittlung von Quatar zustande kam. In diesem Abkommen wurde der Opposition ein Drittel der Kabinettsposten zugesichert und gleichzeitig festgelegt, dass Fragen von nationaler Bedeutung mit einer zwei Drittels-Mehrheit beschlossen werden müssen. Somit erhielt die Hisbollah ein Vetorecht im Kabinett trotz verlorener Wahl. Im Gegenzug und um die Demütigung der Bewegung vom 14. März etwas abzumildern, wurden gewisse Wahlreformen beschlossen.

Internationales Interesse

Als ob die ganze Sache nicht schon kompliziert genug wäre, mischt sich nun auch noch die halbe Welt im Libanon ein. Da wären einmal die USA und Saudi Arabien. Beide sind sich einig, dass sie vor allem keinen Sieg der Hisbollah wollten. Die Hisbollah ist eine schiitische Organisation was den Saudischen Wahabisten (eine Untergruppe der Sunniten) ein Dorn im Auge ist. Die Amerikaner stören sich wohl viel grundsätzlicher an deren Anti-Israel Position und deren Unterstützung der Palästinenser. Die Hisbollah erhält dafür Unterstützung von Schiitischen dominierten Ländern wie Iran und Syrien, letzteres mit traditionell einer wichtigen Rolle in libanesischer Politik.

Zur allgemeinen Überraschung hat sich an der Zusammenstellung des Parlamentes wenig geändert. Die Hisbollah hat übrigens vermutlich unter anderem verloren, weil einer ihrer Allierten nicht genug Wählende mobilisieren konnte. Es war nicht etwa eine andere schiitische Splittergruppe, sondern die christliche Gruppierung geführt von Michel Aoun. Sunniten mit den USA gegen Schiiten mit Christen, soviel zum Zusamenprall der Kulturen. Abgesehen davon, hat der gute Wirtschaftsgang (sic!) im Libanon wohl auch das seine dazu beigetragen, so kann man zumindest spekulieren.

Das Resultat: Wie weiter?

Wie geht es jetzt weiter ist natürlich die grosse Frage nach diesem Wahlwochende. Zuerst einmal wird nun die Bewegung vom 14. März ihre Stellung leicht gestärkt sehen. Die Opposition wird auf einen Weiterbestand ihrer Sperrminorität pochen, welche die Regierung ihr zu verweigern versuchen wird. Viel hängt auch davon ab wie sich nun das Ausland benimmt. Präsident Obama hat das Resultat begrüsst aber vor allem dem libanesischem Volk gratuliert (und nicht etwa den Gewinnern). Das war wohl weise, denn US Unterstützung wäre eher kontraproduktiv. Deswegen und wegen der doch eher selektiven Gutheissung von Wahlresultaten in der Region hat die International Crisis Group auch genau dies empfohlen. Interessant wird es auch zu beobachten, welchen Einfluss das Resultat auf die Wahlen des wichtigsten Allierten der Hisbollah haben wird: Iran. Dort wählt man am 12. Juni und die Niederlage der Hisbollah könnte entweder das politische Establishement zu einem Eingreifen in den Wahlkampf treiben und dem Gegenkandidaten von Ahmadinadschad Ahmadinejad Auftrieb verleihen.

Übrigens ist ‘hohe Wahlbeteiligung’ ein sehr relativer Begriff. Im Libanon war sie etwas über 52%. Das gilt schon als sehr hoch. Wir Europäer und Schweizer können dem nur zustimmen.

Wer mehr Informationen zur Wahl im Libanon möchte, dem sei folgende Lektüre empfohlen:

Kommentare (3)

  1. #1 David Marjanović
    Juni 9, 2009

    Ahmadinadschad

    Wird mit dem frz. j ausgesprochen, nicht mit dem englischen.

  2. #2 ali
    Juni 10, 2009

    Ich habe den Namen mit der Schreibweise der NZZ ersetzt. Manchmal verwirrt mich mein Babelfisch.

  3. #3 rolak
    Juni 10, 2009

    ein gutes Beispiel wie Religion und/oder Ethnie sich schlecht mit Politik verträgt und internationale Einmischung den Mix nicht verbessert.

    Jetzt mal ganz abgesehen vom Libanon, es kann meines Erachtens nicht oft genug gesagt werden.

    Muß mal wieder etwas mehr über den nahen Osten lesen…