Lange hat der US Präsident sich nur sehr zurückhaltend zur Situation in Iran geäussert. Keine Verurteilungen, keine Unterstützung für eine Seite und jegliche Einmischung wurde vermieden. Unter anderem unter Druck von prominenten Republikanern hat er sich nun doch zu klareren Worten zwingen lassen. Das gibt uns etwas Denkstoff für das Wochenende.

Denn nun ist ein Krieg der Worte zwischen Ahmadinejad und Obama ausgebrochen. Ersterer hat den Fehdehandschuh wohl mit Vergnügen aufgenommen, bietet der grosse Satan doch nun eine herrliche Projektionsfläche um als Sündenbock zu dienen.

Die Republikaner wollten ein klares Bekenntnis zu Menschenrechten, Demokratie und Freiheit, ein Statement, dass sehr idealistisch ist und im Iran kaum was ändern wird und vermutlich gar kontraproduktiv ist (auch der Ex-UN Botschafter Bolton mischte sich ein). Auf der anderen Seite stehen die Demokraten, die aus aussenpolitischen Kalkül auf die Zunge beissen und gute Miene zum bösen Diktator-Spiel machen. Sind die Republikaner plötzlich von der Venus und die Demokraten vom Mars?

Nicht ganz. Wären die Rollen anders verteilt würden wohl auch die Argumente in die gegenteilige Richtung fliegen. Interessant ist aber, dass es diese starke idealistische Strömung in der US Aussenpolitik gibt und dass sie eine lange Geschichte hat. Dieser fast schon ans messianische grenzende Wunsch, Demokratie, Recht und Ordnung der ganzen Welt zu bringen. Das nächste mal wenn wieder die nur-wegen-Öl/knallharte-nur-auf-militärische-Stärke-beruhende-Machtpolitik Argumente aus der Schublade geholt werden um hier in Europa du US Aussenpolitik zu kritisieren, lohnt es sich, diese idealistische Komponente nicht zu vergessen. Selten positiv in ihren Auswirkungen aber häufig zumindest ehrlich gemeint (das war wohl auch im Fall des Iraks so). Klar benutzen die Eliten dieses Element auch manipulativ (zumindest im Publikum scheint es gut anzukommen) aber wenn wir von den Neo-Konservativen absehen, reflektiert es wohl bei vielen ein aufrichtiges Grundgefühl. Sind wir nun für Idealismus oder kalte Kalkulation in der Aussenpolitik? Mir bereitet beides oft Schwierigkeiten. Eine Inkonsistenz über die es sich nachzudenken lohnt.

Kommentare (6)

  1. #1 Shin
    Juni 28, 2009

    Wieso sollte eine klare Aussage des US-Präsidenten, dass sich mit den Aufständischen und ihrem Wunsch nach mehr Freiheit solidarisch erklärt, denn kontraproduktiv sein?

  2. #2 ali
    Juni 28, 2009

    Weil die USA eine Geschichte der (mehr als verbalen) Einmischung in Irans Politik haben. Genau dieses Feindbild ist a) eng mit der heute so oft erwähnten Revolution verbunden (wurde doch der US unterstützte Shah vertrieben als der Klerus die Macht ergriff) und b) hat dieses Feindbild mitgeholfen seit der Revolution das Regime zu legitimieren (Stichwort ‘Grosser Satan’).

    Wenn nun die USA sich kritisch äussern, wird Ahmadinejad darauf anspringen (was er nun auch tut). Dies festigt eher seine Position (respektive schwächt die der Demonstrierenden). Ausserdem will die Obama Administration mit Iran eine Annäherung um über das Atomprogramm zu verhandeln. Wenn man dem Gesprächspartner die Legitimität aberkennt oder dieser sich damit legitimiert gegen den Verhandlungspartner zu stehen, wird das eher schwierig.

    Darum halte ich (und ich hatte auch den Eindruck Obamas Team) es für kontraproduktiv.

  3. #3 Shin
    Juni 29, 2009

    Sind denn Verhandlungen mit unmenschlichen Diktatoren wie Ahmadinedschad wirklich wünschenswert? Ich halte Appeasement, sofern es nicht zur Sicherung der eigenen Existenz unbedingt notwendig ist, nicht unbedingt für die richtige Strategie. Im Fall der Fälle wäre eine Bombardierung iranischer Atomanlagen durch die IDF in meinen Augen eher vertretbar, als sich mit jemandem wie Ahmadinedschad an einen Tisch zu setzen und so den Eindruck zu vermitteln, dass man ihn einerseits ernst nimmt und andererseits seinem Wort Gewicht gibt.

    Diejenigen, die heute gegen die Wahl und generell gegen die Unterdrückung demonstrieren, sehen im Sturz des Schahs und der Machtergreifung des Klerus nichts positives, wohl aber in den USA. Unterstützung durch den Präsidenten der USA, wenn auch nur verbal, könnte sie daher weiter motivieren statt entmutigen. Dass die Mullahs hinter den Aufständen wieder die Zionisten und den Großen Satan sehen und dies auch kundtun, war doch so oder so klar, wie Chatami ja kürzlich bewiesen hat.

  4. #4 ali
    Juni 30, 2009

    Sorry, Shin, ich kam erst jetzt zum Antworten und hoffe du siehst das noch.

    Ich vertrete hier im Blog immer wieder die Meinung, dass ein Dialog immer besser ist, als keiner. Das Problem mit dem Appeasement Argument ist (mal abgesehen davon, dass es selten wirklich den historischen Kontext spiegelt) auf Konzessionen bezogen. Hitlers Expansionskurs wurde durch Konzessionen im Nachhinein legitimiert. Das ist was anderes als Dialogbereitschaft zu zeigen. Ein gezielte Bombenaktion hat nur eine beschränkte Wirkung und würde vermutlich das Atomprogramm bestenfalls verzögern. Sollten Gespräche scheitern kann man immer noch darauf zurückfallen, ausserdem kann man diese Option auch als Druckmittel in den Gesprächen verwenden. Warum soll man seine Optionen einschränken?

    Ich bin kein Iran-Kenner. Ich bin jedoch überzeugt, dass die Vermutung, dass die Demonstranten nichts Positives im momentanen iranischen politischen System sehen, eher für westliches Wunschdenken. Es gibt bestimmt viele. Viele wollen aber einfach nicht mehr Ahmadineschad. Moassavi ist Teil des Establishements. Ausserdem handelt es sich bei den Protesten vor allem um die urbanere Bevölkerung. Man kann durchaus gegen Ahmadinesdschad sein aber gleichzeitig gegen die USA/Westen/Feindbild nach Wahl sein.

    Mit den USA halten es wohl viele Iranerinnnen und Iraner wie auch viele hier auch. Man schwankt zwischen Bewunderung und Abneigung. Eine seltsame Hassliebe.

    übrigens hatten die USA genau mit dem Problem der fehlenden Kanäle zu kämpfen während der Protesten. Sie haben kaum jemanden vor Ort, niemand kann Informationen vermitteln oder überbringen und man muss von Aussen her zuschauen.

  5. #5 Shin
    Juni 30, 2009

    Kein Problem, ich bin ja froh dass du dir überhaupt die Mühe machst zu antworten 😉

    Das mit dem Unterschied zwischen Dialog und Konzessionen ist ein guter Punkt, wobei allerdings bei ersterem letzteres vermutlich nicht immer fern ist. Ich halte z.B. Obama für jemanden, der Leuten die Ahmadinedschad oder auch Chavez nicht nur die Hand, sondern beide Arme ausstreckt, und das ist in meinen Augen ein falsches Signal.

    Ich habe mich mit einer Exil-Iranerin über die aktuelle Lage unterhalten. Natürlich aht auch sie nur einen begrenzten Blick auf das Land, zumal sie seit langem hier lebt und nur selten im Iran ist. Allerdings war sie der Auffassung, dass die Iraner sich zwar mehrheitlich wünschen, dass Iran Atommacht wird, dass allerdings auch die Ober- und Mittelschicht und insbesondere die Teheraner Bevölkerung wenig von der Theokratie hält und grundsätzlich relativ freiheitlich und pro-westlich eingestellt ist. Das Problem ist ihrer Ansicht nach die ungebildete und religiöse Landbevölkerung, etwas, das wir ja auch aus der Türkei kennen.

  6. #6 ali
    Juli 2, 2009

    Der Stadt-Land Gegensatz kenne ich auch aus der Schweiz. 🙂

    Wer was genau denkt ist schwierig zu etablieren. Ich hatte in diesem spezifischen Fall einfach den Eindruck, dass sehr viel Wunschdenken bei uns in die Proteste projiziert wurden (und ich sehe die Bemerkung betreffend Atomwaffen die du erwähnst als eine Bestätigung davon). Der Begriff “Reformer” ist halt auch relativ.