Ich nehme an der Amoklauf (oder wie man es nennen will) von Fort Hood dominiert die Schlagzeilen und die Medienberichterstattung auf dem alten Kontinent ebenso wie auf meiner Seite des Atlantiks. Ein paar Gedanken zu einem militärischen Teilaspekt der Tragödie.
Hier stehen die Flaggen auf Halbmast und es gibt vor allem ein grosses Thema. Ich habe auch hier keinen Fernseher, aber was ich bisher vom TV aufgeschnappt habe ähnelte sich sehr. Zuerst werden Gebetsmühlenhafte Floskeln ausgetauscht. Man gibt zu Protokoll, dass “Unsere Gedanken sind in diesen schweren Stunden mit….” oder die “Unfassbarkeit” des Ereignisses wird betont. Darauf wird alle unternommen, dies so fassbar wie möglich zu machen und demonstriert wie ritualistisch viele dieser Beileidsbekundungen sind (z.B. eine Werbunterbrechnung von einer zu kitschiger Musik inszenierten Gedenk-Bilderfolge von Opfern).1
Noch ein weiteres Muster habe ich festgestellt: Man kommt zuerst seiner journalistischen Pflicht nach und spricht von “Verdächtigen”. Auch dass man über die Motive noch gar nichts weiss. Danach wird munter der Verdächtige psycho- und anders-analysiert und unter ständiger Wiederholung der Religionszugehörigkeit des Verdächtigen.
Ich weiss genau sowenig über seine Motivation wie alle anderen. Es geht mir um etwas anders. Der Subtext ist immer der selbe: Man geht davon aus, dass die Tatsache, dass er Muslim ist, etwas mit der Motivation zu seiner Tat zu tun hatte. Man weiss aber im Moment kaum etwas (es kann, es kann aber auch nicht sein). Die anscheinend für so viele ‘offensichtliche’ Kausalität zweier vorläufig wenig verbundener Fakten (das willkürliche Erschiessen von Kollegen und seine Religionszugehörigkeit) verrät vor allem einiges über die Wahrnehmung der Muslime oder des Islams. Ich denke es ist ein typischer Effekt der ein Interpretationsmachtgefälle zwischen der Mehrheit und der Minderheit verdeutlicht.
Ich spekuliere, dass wäre es ein durchgeknallter Christ gewesen (und ich gehe davon aus, dass alle Menschen die so etwas tun irgendwie durchgeknallt sein müssen), wäre wohl die Religionszugehörigkeit zuerst viel weniger ein Thema und wenn sich diese als tatsächliche Motivation erweisen würde, würde die Interpretation dahingehend sein, dass dies ein wahrer Christ niemals tun würde. Der Täter würde als “kein wahrer Schotte” definiert. Wie schon geschrieben, das sind natürlich kontrafaktuelle Spekulationen und schwer belegbar.
Eine weitere Implikation finde ich interessant. Anscheinend fühlen sich muslimische Soldaten und ihre Angehörigen unter Beobachtung. Dies macht der Armeeführung zweifelsohne Angst [Nachtrag: Ich habe festgestellt, dass ich den falschen Artikel verlinkt habe. Ich wollte diesen hier verlinken]. Seit 2001 diente der Islam implizit oder explizit als Feindbild. Nun reisst aber diese Definition plötzlich eine Graben innerhalb der Streitkräfte auf (der übrigens meines Erachtens dort eben so wenig oder vielleicht noch weniger existiert). Dies ist natürlich das gefährlichste was in einer Armee passieren kann: Die Frontlinie im eigenen Schützengraben. Irgendwo lachen sich Bin Laden und seine Fans unterdessen ins Fäustchen, während sich die Armeeführung wahrscheinlich nun plötzlich überlegt, wie sie die gerufenen Geister wieder los wird.
1Um das klarzustellen: Ich glaube nicht, dass dies spezifisch für die USA ist. Ich bin überzeugt, dass der Fernsehzirkus auch bei uns genau so funktioniert.
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