Gestern wurde bekannt, wer den durch den Lissabon Vertrag neu geschaffene Posten des Präsidenten des Europäischen Rates und wer das Gesicht für die Aussenpolitik der Europäischen Union werden soll. Nachdem verschiedenste Namen auf das Kandidatenkarussel gesetzt und wieder entfernt wurden, unter anderem so bekannte Personen wie der frühere britische Premier Tony Blair, hat man sich auf einen wohl für die EU typischen Kompromiss geeinigt.
Das Präsidium wird nun der frühere kurzzeitige Premierminister Belgiens Herman Van Rompuy übernehmen. Die hohe Repräsentantin (eine eigentliche Aussenministerin) wird die Britin Catherine Ashton. Über die beiden auserwählten Persönlichkeit kann ich offen gesagt wenig sagen, da mir beide kaum bekannt sind. Vielleicht kann man genau deshalb gewisse Dinge über die EU aus dieser Wahl ablesen.
Die Position des Präsidenten des Europäischen Rates wurde neu im Lissabon Vertrag geschaffen. Der Europäische Rat ist eine der drei zentralen Institutionen. Vor nicht so langer Zeit gab es vor allem Dossier fokussierte spezialisierte Ministertreffen. Die bekanntesten waren wohl die Finanz- und Wirtschaftsminister Treffen (Ecofin oder Rat für Wirtschaft und Finanzen) oder der Aussenministerrat (Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Aussenbeziehungen). Aus diesen eigentlichen Minister-Räten kristallisierte sich der Rat der Staats- und Regierungschefs heraus (der Europäische Rat eben) der in den 80ern formalisiert wurde und mit dem Vertrag von Maastricht dann in der heutigen Form etabliert. Aufgrund der Zusammensetzung (Staats- und Regierungschefs) und den medienwirksamen Themen die meist als typisch nationale Souveränität gesehen werden (z.B. Aussenpolitik, europäische Vertragsänderungen, etc.) prägte der Rat in den letzten Jahren stark das Bild der EU.
Es wurde viel diskutiert was die Position des Präsidenten beinhalten soll. Von ersten Ideen eines wahrhaften EU-Präsidenten und einem Gesicht der Union bis zum simplen Vorsitz der Ratssitzungen war vieles auf dem Tisch. Die Tatsache, dass man nun einen eher wenig bekannten Politiker einem schärferen Profil (i.e. Tony Blair) vorzog, zeigt vermutlich, dass die Staats- und Regierungschefs keine Lust hatten, die prominente Rolle, die Sie in der EU spielen, reduziert zu sehen. Dass er als Ex-Premier Belgiens durchaus seine Erfahrungen hat mit heftig zerstrittenen Gruppen die Gemeinsamkeiten zu finden und den Zusammenhalt zu sichern, wird ihm auf seinem neuen Posten sicher nützen und ist wohl auch kein Zufall. Wie prägend der erste Präsident für die Zukunft der Position sein wird halte ich persönlich für offen obwohl viel gesagt wird, dies sei entscheidend (z.B. auch Kommissionspräsidenten haben die Kommission nach ihrer Gründung fundamental prägen können).
Catherine Ashton hat zwar keinen sehr langen Exekutiven Lebenslauf, war aber ein volles Jahr EU Handelskommisärin. Dies ist eine der mächtigsten (und wohl untersetztesten) Positionen in der EU, deckt sie doch den einzigen wirklich vollständig supranationalen (d.h. nicht mehr in der Souveränität der Nationalstaaten) Bereich ab. Dies wird wohl auch etwas für die fehlenden Aussenpolitik-Erfahrung kompensieren. Ashtons neue Position ist eine doppelte und nicht zuletzt darum sehr interessant:
Das Amt des der Hohen Vertreterin der Union für Aussenbeziehungen und Sicherheitspolitik (häufig etwas einfacher als EU-Aussenministeramt bezeichnet) beinhaltet nämlich zwei Ämter: Einerseits ist Ashton Beauftragte des Rates für die Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik und andererseits Vizepräsidentin der Kommission zuständig für die Aussenbeziehungen. Dieser Koordinationsaspekt unter zwei Hüten birgt natürlich enormes Potential. Sie wird die EU Aussenpolitik (die nach dem Willen der Mitgliedstaaten an Profil gewinnen soll) nach Aussen repräsentieren. Sie wird auch dem Aussenministerrat vorsitzen.
Zuletzt gilt es noch festzustellen, dass die beiden im Doppelpack schön die EU Konsenskultur repräsentieren. Sie stammen aus einem kleinen und einem grossen Mitgliedstaat, eine Frau und ein Mann, ein bisschen Links und ein bisschen konservativ. Als Schweizer ist mir das bekannt (und wärmt mir wohl ehrlich gesagt auch ein wenig das Herz). Wie sich die neuen Ämter und Strukturen bewähren werden und welche Form und Bedeutung sie in Zukunft haben werden ist kaum vorauszusagen. Viele Institutionen und Ämter in der heutigen EU sind langsam gewachsen. Europa scheint sich aber zumindest vorwärts zu bewegen.
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