Yoav Sapir von un/zugehörig von Chronologs hat wieder einmal zugeschlagen. Ganz in der Tradition der Idee eines Kampfes der Kulturen verbreitet er Thesen, die zwar in einem gewissen Meinungsspektrum gute Resonanz finden, sich aber nach ein wenig an der Oberfläche kratzen als kaum haltbar herausstellen.
Kurz zusammengefasst freut er sich darüber, dass über sogenanntes racial profiling (Fahndung mit Hilfe vermeintlich ethnischer Kriterien) diskutiert wird und betrachtet solche Massnahmen als Notwendigkeit um ‘westliche Werte’ zu schützen. Wie andere Verfechter solcher Massnahmen wirft er sich den Mantel des Kämpfers gegen die politische Korrektheit um und präsentiert sich als wahrer Realist. Wie oft bei selbsternannten Realisten handelt es sich nur um eine Etikettierung, die über den tatsächlichen Mangel an Verankerung in der Realität hinwegtäuschen soll. Nur weil eine Aussage ‘unbequem’ ist, ist deshalb weder zwangsläufig wahr noch korrekt (oft ist sie nicht einmal “unbequem” für eine Mehrheit).
Beginnen wir mit den Prämissen des Arguments, denn schon diese sind falsch. Erstens geht er davon aus, dass potentielle Terroristen an ethnischen Merkmalen erkennbar sind. Das stimmt aber häufig nicht. Weder der Anschlag von Weihnachten den Yoav als Ausgangspunkt wählt noch hausgemachter Terrorismus können so gestoppt werden, geht es doch darum, ein sehr seltenes und extremes Ereignis zu verhindern. Weder McVeigh, Reid, Rudolph oder der Unabomber hätten so verhindert werden können. Zweitens geht er davon aus, dass Ethnie phänotypisch klar abgrenzbar ist. Die Zeit der Rassen-Tableaus in Enzyklopädien ist aber zum Glück vorbei und zwar nicht zuletzt deshalb, weil eine solche Einteilung einfach nicht haltbar war. Schon gar nicht sollte sie den Vorurteilen der ausführenden Beamten überlassen werden. Selbst wenn solche Merkmale klar erkennbar wären, denkt Yoav wohl mehr an Religion und diese ist noch weniger am Aussehen festzumachen ist. Ein offensichtlich untaugliches Konzept. Drittens funktioniert die Logik nur, wenn die Terroristen sich nicht auf diese Taktik einstellen. Man kann aber davon ausgehen, dass sie dies miteinbeziehen werden (sie brauchen schliesslich nicht ganze Kompanien von Personen die nicht ins Raster passen). Was für ein Geschenk an alle die Böses im Schilde führen, wenn sie wissen wer kontrolliert wird.
Damit kommen wir zu inneren Logik des Arguments. Wie ich auch unter dem Beitrag bei Yoav kommentierte kann man mit einem solchen Argument von Kriegsverbrechen über Folter bis zu Rassengesetze und Apartheid alles rechtfertigen. Wenn so westliche Werte geschützt werden sollen können wir auch gleich auf diese verzichten (zu meinem Entsetzen stellte ich fest, dass er Folter tatsächlich befürwortet).
Dies ist eine Wissenschafts-Plattform und darum habe ich mich kurz auf die Suche nach Artikeln zum Thema gemacht. William H. Press rechnet uns zum Beispiel vor, warum diskriminerende Fahndung rein mathematisch nicht sinnvoll ist (Press, W.H., Strong profiling is not mathematically optimal for discovering rare malfeasors, pnas open access Vorabpublikation, 2009). Dann gibt es auch noch ein Buch von Professor David A. Harris mit einem Kapitel warum Racial Profiling nicht funktioniert (Harris, D.A., Profiles in Injustice: Why Racial Profiling Cannot Work, New Press 2003). Dieses wird viel positiv zitiert, ich kann mich leider selber nicht genauer zum Inhalt äussern, da ich es nicht besitze. Man findet einige Artikel zum Thema vor allem was Afro-Amerikaner in den USA betrifft. Fast alle Autoren sehen die Methode als nicht effektiv. Die Kategorisierung ist zu subjektiv (Antonovics, K., Knight B.G., A New Look at Racial Profiling: Evidence from the Boston Police Department, Review of Economics and Statistics, 2009, Vol. 91, No. 1, Pages 163-177) und langfristig schlecht für die Ermittlungen (Ramirez, D.A., Hoopes, J., Quinlan, T.L., Defining Racial Profiling in a Post-September 11 World, American Criminal Law Review, Vol 40, 2003, p. 1195).
Dies bringt uns zu den Konsequenzen einer solchen Fahndung. Dazu gehört die Schaffung von zwei Klassen von Bürgerinnen und Bürger und damit auch eine Entfremdung von der eigenen Staatsgewalt. Bin Laden freut sich bestimmt über dieses Geschenk der Verteidiger westlicher Werte. Warum soll ich durch meine Geburt (oder wegen meiner Religion wenn ich eine hätte) weniger Schutz vor dem Recht geniessen, obwohl ich mich gleich oder vielleicht sogar mehr für meine Gesellschaft einsetze? Ich frage mich auch, ob Yoav sich bewusst ist, dass er vermutlich ebenfalls in dieses Raster fallen könnte. Der Kampf der Kulturen findet so plötzlich tatsächlich statt. Wer verdächtiges Verhalten fahnden möchte, soll nach diesem Suchen und nicht als öffentliche Beruhigungsmassnahme gegen Minderheiten diskriminieren, die ebenso unschuldig sind, wie die Menschen die man damit zu schützen vorgibt. Der Rechtstaat kann nicht zum eigenen Schutz ausgehöhlt werden, sonst gibt man denen Recht, die gegen ihn antreten.
Es ist nicht das erste Mal, dass ich mich an dieser Art der Argumentation von Yoav störe. Er hat auf diesen Seiten schon andernorts die These der Überlegenheit der ‘Judeo-Christlichen’ Tradition verteidigt. Dies mit fast schon pseudo-wissenschaftlichen Argumenten und als sich der von ihm zum “Testfall” deklarierte Libanon als Rechenfehler erwies wurde auf die de facto Falsifikation einfach nicht mehr eingegangen und er verschwand. Es ist nunmal einfacher solche Thesen aufzustellen, als sie auch zu testen und gar zu belegen. Wenn man aber den Anspruch erhebt wissenschaftlich zu argumentieren, dann soll man auch das Rückgrat haben, sich von Behauptungen zu distanzieren, die sich als nicht haltbar erweisen.
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