Bei zoon politikon wurde nicht nur heftig über den Abstimmungsausgang diskutiert sondern auch über die Vorwegnahme der Analyse (unter anderem mit einer Wortmeldung des Autors einiger dieser Behauptungen). Nun ist diese veröffentlicht und man weiss mehr. Wie steht es also um die gemachten Aussagen?
Ich habe die Analyse selber noch nicht in die Hände gekriegt und kann daher nur meinen Gedanken zur allgemein zugänglichen Zusammenfassung zum Besten geben.
Zuerst einmal und wenig überraschend scheint die Initiative stark entlang dem Links-Rechts-Schema polarisiert zu haben. Wer sich selber eher dem Linken Lager zuordnet, hat mit etwa 80% die Initiative abgelehnt und diese Zahl ist auf der Rechten fast gespiegelt im ‘Ja’-Stimmen Anteil. Für die äussere Linke sinkt der Ja-Stimmenanteil sogar auf 11% und für die äussere Rechte die Nein-Stimmen auf 15%.
Die Abstimmung wurde also in der politischen Mitte entschieden und dort benahmen sich die Abstimmenden anders als dies oft bei Abstimmungsvorlagen die als ‘ausländerpolitisch’ gelten, der Fall ist. Die Wählerinnen und Wähler der Mitteparteien FDP und CVP stellten sich gegen die Parteiparolen und legte mehrheitlich ein “Ja” ein.
Die Zustimmungsrate bei Christen lag bei 60% und dies unabhängig davon wie intensiv sie ihren Glauben praktizieren. Sie sind also nicht ihren Hirten gefolgt, haben aber auch nicht überdurchschnittlich mit ‘Ja’ gestimmt (die Fehlerquote liegt zwischen +/- 3.2 und +/- 3.7% darum kann man nicht wirklich Aussagen zur Abweichung vom Durchschnitt machen). Interessant finde ich, dass nicht religiöse Personen die Initiative mehrheitlich abgelehnt haben. Es ist leider nicht klar aus der Zusammenfassung ob auf Bildungsstand kontrolliert wurde (von dem ich vermute, dass er das Resultat verzerrt). Interessant finde ich dies, handelte es sich doch um die Einschränkung einer bestimmten Form von Religionsausübung. Nicht-religiöse scheinen in diesem Sinne toleranter zu sein als religiöse Menschen in der Schweiz.
Ein deutliches Gefälle scheint man beim Bildungsgrad zu finden. Je höher die Schulbildung desto deutlicher hat man sich gegen die Initiative ausgesprochen. Diese Behauptung aus dem Nachabstimmungs-Kaffeesatz war also korrekt und dies kam deutlich zum Tragen. Unter denen die eine Hochschule besuchten lag die Zustimmung bei nur noch 38%.
Nicht bewahrheitet hat sich hingegen die Behauptung (die Michael Hermann auch in diesem Blog verteidigte), es sei ein weibliches “Ja” gewesen. Weder Alter noch Geschlecht erklärten das Abstimmungsverhalten. Leider hat sich meine Befürchtung, dass die Fakten die gemachte Interpretation teilweise nicht mehr ändern werden, bestätigt. Heute im öffentlich rechtlichen Schweizer ‘Nachrichten’-Radio DRS 1 sagte der Journalist Elmar Plozza im Bericht über die Vox-Analyse, nachdem er Pflichtbewusst die Zusammenfassung wiedergab:
So funktioniert es. Zuerst über die Fakten berichten und dann drauf pfeifen, weil man es eh besser weiss. Das Argument, dass es trotzdem sein könnte, dass frauenspezifische Anliegen eine Rolle spielten zeugt einerseits von einer gewissen Ignoranz des Reporters was denn eine solche Umfrage überhaupt aussagen kann (und zwar auf einer rudimentären Ebene) und anderseits wie irrelevant das effektive Resultat der Analyse für ihn zu sein scheint.
Mir gefällt auch der Spin, den man dem Resultat nun gibt: Es sei nicht gegen die in der Schweiz lebenden Muslime gegangen, sondern darum, “ein Zeichen gegen die Ausbreitung des Islam und des von ihm propagierten Gesellschaftsmodells” zu setzen. Doch das ist ein bekanntes Phänomen. Man hat Angst vor Übefremdung, fühlt sich in seiner Kultur bedroht und ist gegen Einwanderung im abstrakten (“Es geht nur um die kriminellen/unangepassten etc.”). Konkret hat man nichts gegen den fremden Nachbarn. Ich bezweifle, dass die Fragen so gestellt wurden (oder überhaupt so in die Tiefe gegangen werden konnte) um diese Unterscheidung wirklich vorzunehmen.
Ich versuche Zugang zu einer vollständigen VOX Analyse und vielleicht nochmals etwas detaillierter darüber zu berichten. Die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) verzichtet übrigens vorläufig auf Umfragen des Gfs Forschungsinstitutes wegen dem Minarettverbots-Initiative Debakel. Ein möglicher Ausreisser lässt also genau diejenigen Leute mit demonstrativer Besorgnis um ihre Seriosität Massnahmen ergreifen, bei denen sonst schlampiger Umgang mit Umfrageresultaten und Misinterpretationen von diesen zum täglichen Brot gehört. Ihnen sei dieser Comic von Jorge Cham ans Herz gelegt. Vielleicht befolgen sie eines Tages diese einfachen Tipps.
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