Ich meine damit nicht ihre Unterstützung für die Anti-Piraterie Operation “Atlanta” “Atalanta” vor der Küste Somalias. Ich meine die Piratenpartei.

Vielleicht erzähle ich hier gar nichts Neues, lese ich doch deutsche Medien nur sehr punktuell. Aber könnte es sein, dass Aigner mit ihrem Internet-Datenschutz Aktivismus auf Stimmen schielt, die die Piraten einstecken könnten? In diesem Lichte machen ihr Widerstand gegen Google Street View und ihr offener Brief an den Facebookgründer Zuckerberg in meinen Augen am meisten Sinn.

Es fällt auf, dass der Fokus nicht auf Datenschutz allgemein gelegt wird, sondern vor allem im Zusammenhang mit dem Internet (oder sind mir ihre Kritik an der staatlichen Datensammelwut irgendwie entgangen?). Einerseits passt dies vermutlich in ihre Wahrnehmung der Piratenpartei als Ein-Themen-Gruppierung von Geeks obwohl meines Wissens die Piraten den Datenschutz auch ausserhalb des Internets fordern (trotzdem sind viele ihrer Kernthemen mit dem World Wide Web verbunden). Anderseits geht sie mit solchen Forderungen natürlich ein geringes Risiko ein, einmal davon abgesehen, dass der Brief an Zuckerberg von vielen als Polittheater und Lachnummer wahrgenommen wurden. Facebook Benutzer gibt es viele in Deutschland, die meisten von ihnen kümmern sich vermutlich wenig um Datenschutz und es gibt wohl eben so viele Personen die ihren Vorgarten nicht gefilmt haben wollen. Die politischen Kosten dieser Forderungen für Frau Aigner sind jedoch fast gleich Null. Viele ihrer Wählerinnen und Wähler nehmen diese Aktionen vermutlich nicht einmal wahr.

Ich habe mich gefragt ob es Anhaltspunkte gibt, dass Frau Aigner tatsächlich auf Piratenstimmen schielt. In ihrem Wahlkreis haben die Piraten bei der Bundestagswahl 2009 stattliche 1.4% geholt. Das ist zwar unter dem Gesamtresultat für Deutschland von 2% aber für einen CSU dominierte Wahlkreis vermutlich gar nicht so schlecht. Bei der kurz zuvor stattfindenden Europawahl waren es noch halb so viel (0.7%) im selben Wahlkreis.

Wenn man sich überlegt was das typische Wählerprofil der CSU ist, dann macht es durchaus Sinn, zu versuchen dieses Wählersegment zu bearbeiten. Dieses Profil wurde bei der letzten Wahl folgendermassen beschrieben:

Die zentrale Stütze des Wahlsieges der CDU/CSU sind einmal mehr die über 60-Jährigen: Hier holt die Union 42%, bleibt aber in allen anderen Altersgruppen unter ihrem Gesamtresultat.

Geht man davon aus, dass dies auch für Frau Aigners Wahlkreis gilt, kann man weiter spekulieren. Ich nehme an, habe aber keine enstprechenden Anlalysen gefunden, dass Piraten-Wählerinnen und Wähler relativ jung sind, technisch überdurchschnittlich versiert, politisch interessiert und sich aber von den traditionellen Parteien kaum oder gar nicht angesprochen fühlen. Ein ausgezeichnetes Potential zukünftiger Wählerinnen und Wähler also. Nicht zuletzt weil die Piraten (noch) ziemlich monothematisch auftreten, ist es auch einfach in deren Territorium vorzustossen ohne die eigenen Stammwählerinnen und Stammwähler zu vergraulen, da es sich bei diesem Thema um etwas handelt, wo diese bestenfalls indifferent dazu stehen. Genau diese Lücke wollen die Piraten unter anderem schliesslich füllen.

Vielleicht kennt jemand Quellen mit genaueren Zahlen und Wählerprofilanalysen, die die These der Piratenstimmen jagenden Ministerin Aigner plausibel erscheinen lassen oder im Widerspruch zu dieser stehen. Stimmt sie, wäre das doch schon ein erster Erfolg für die Piratenpartei. Ich vermute wir dürfen in Zukunft von Frau Aigner also noch mehr zum Thema Datenschutz und Internet erwarten, aber vermutlich nur dort wo es sie nicht schmerzt.

Kommentare (17)

  1. #1 Wb
    April 28, 2010

    Man darf durchaus hoffen – dezent formuliert-, dass aignersche Vorstösse nicht im Wählerpotential der PIRATEN zu wildern imstande sind.

    Ansonsten, die CSU hat über v.Guttenberg, der u.a. gar nicht verstehen konnte, dass die Webzensur per se problematisch ist, bis, wie hiess er noch mal, der, achja, Beckstein (der Killerspiele-Beckstein), noch nie etwas i.p. Freiheitlichkeit im Web hervorgebracht.

    Man darf sich aber trösten, dass die nicht besser können, also nicht bösartig sind.

    MFG
    Wb

  2. #2 Christian Reinboth
    April 28, 2010

    Eine charmante aber meines Erachtens nach eher unrealistische These.

    Erstens muss Frau Aigner sich um ihre Wiederwahl im Grunde keine Sorgen machen – “fringe elements” der Wählerschaft intensiv zu beackern, ohne dass ein tatsächliches inhaltliches Interesse dahinter steckt lohnt sich ja prinzipiell nur dann, wenn man von einem besonders knappen Wahlergebnis ausgehen muss, was in Frau Aigners Wahlkreis (Erststimmenvorsprung von ganzen 38,2%) definitiv selbst dann nicht der Fall ist, wenn man demographische Entwicklungen berücksichtigt.

    Zweitens halte ich es für eher unwahrscheinlich, dass sie potenzielle WählerInnen der Piratenpartei aufgrund von Debatten über den Datenschutz bei Facebook für die Union entscheiden. Ohne dies mit Zahlen belegen zu können, halte ich Wanderungen zu den Grünen bzw. zur FDP für sehr viel wahrscheinlicher als zur Union. Wenn man von dem Stimmanteil von 1,4% in Frau Aigners Wahlkreis ausgeht, gelingt es ihr doch realistischerweise maximal 5-10% dieser Stimmen zu holen, womit wir dann irgendwo bei 0,1% wären, wofür sich eine eigens inszenierte Strategie nach den Grundlagen der Neuen Politischen Ökonomie (und nach gesundem Menschenverstand) beim besten Willen nicht mehr “rechnen” dürfte.

    Für wahrscheinlicher halte ich es, dass man auf Ebene der Bundespartei erkannt hat, dass es für die Zukunft der Union wichtig ist, auch Datschutz-Themen zu besetzen – weniger um den Piraten Wähler abspinstig zu machen, sondern mehr um dem “normalen” Wähler, der über die Medien ab und an auch was von Datenschutz, Social Networks und Google Street View hört zu vermitteln, dass man sich auch um diesen Bereich kümmert und ihn eben nicht den Piraten oder dem Wildwuchs überlässt. Das Ministerium für Verbraucherschutz ist hier – neben dem Justizressort, das ja aber von der FDP geleitet wird – einfach nur die naheliegenste Wahl. Mit dem Wahlkreis von Frau Aigner und ihrer eigenen Wiederwahl dürfte das aber nur wenig zu tun haben…

  3. #3 Tom
    April 28, 2010

    Muß Aigner denn noch viel in der Klientel der Piratenpartei “wildern”? Deren Themen dürften doch binnen kürzem ihren Neuigkeitswert verbraucht haben. Und dann sind Antworten zu den ganz normalen Fragen gefordert und in Richtung Wirtschafts- und Sozialpolitik habe ich von denen noch nichts gehört. Überhaupt: War die Piratenpartei nicht eher Teil eines Medienhypes der vergangenen Bundestagswahl?

  4. #4 ali
    April 28, 2010

    @Christian Reinboth

    Zu erstens: Naja, wenn es nix kostet, nimmt man auch Stimmen die man nicht unbedingt braucht.

    Zu zweitens: Ich glaube auch nicht, dass das eine ‘grosse Strategie’ ist, sondern ein weniger durchdachtes “versuchen kann man ja”. Man kann sich auch fragen wie lange die Piraten überhaupt da sein werden und wie gross ihr Potential noch ist.

    Ich habe mir auch nur die Zahlen für ihren Bezirk angeschaut, weil das, das nächste ist, was an ein Indiz kommen könnte. Nicht weil ich glaube, dass sie damit ihre Wiederwahl absichern möchte, sondern weil ich angenommen habe, dass auch für die nationale Politik die Impulse/Ideen unter anderem im eigenen lokalen Wahlkampf entstehen.

  5. #5 Wb
    April 28, 2010

    “Datschutz-Themen” verlieren ein wenig an Bedeutung, wenn in anderen Ländern andere Maßstäbe gelten. Dementsprechende Zensurversuche, also was bspw. Täternamen und wörtliche Aussagen (von Politikern, die werden dann idT so zitiert wie sie geredet haben, ein Novum (so ganz ohne Autorisierung, huch) im freien D, gell?) betrifft, sind denn auch auf dem Rückzug.

    Das Web wird hier neue Standards setzen, muss nicht jedem gefallen, aber reaktionäre Kräfte werden an Raum verlieren.

    MFG
    Wb

  6. #6 ali
    April 28, 2010

    @Tom

    Überhaupt: War die Piratenpartei nicht eher Teil eines Medienhypes der vergangenen Bundestagswahl?

    Auf solche reagieren Politikerinnen und Politiker doch besonders gerne oder?

  7. #7 Wb
    April 28, 2010

    Es gibt im Web einen ganz besonderen Regulierungsbedarf, der bei weitem noch nicht erkannt worden und sehr schwer zu bearbeiten ist.
    Andere Rechtsnormern erlauben andere Berichterstattung, manche Länder legen sehr viel Wert auf die Freíheit der Meinung, andere wollen hier Vieles reguliert sehen, sogar was historische Interpretationen betrifft.

    Hier wird sich einiges tun, und ermittlerorientierte und bestrafende Vorgehensweisen werden auf den Prüfstand gestellt.

    Dazu kommt noch das Recht auf geistiges Eigentum, das nicht überall so verstanden wird, wie bspw. im alten D.

    Der Wb sieht in den PIRATEN durchaus diejenige Kraft die als einzige webkompetent und rechtsphilosophisch angemssen aufgestellt erscheint, hier neue und nötig werdende Rechtsnormen schaffen zu können.

    Das aber nur ganz nebenbei… 🙂

    MFG
    Wb

    PS: Desaströs natürlich schon die Webkompetenz der Altparteien, Linke sind hier merkwürdigerweise noch am brauchbarsten aufgestellt.

  8. #8 Carl
    April 28, 2010

    So, mal ein paar links, ohne http, damit ich nicht für Spam gehalten werde.

    wiki.piratenpartei.de/images/e/ee/Mitgliederstatistik_2009-06-11.pdf

    adrianlang.de/piratenkompass/

    http://www.casasola.de/wordpress/?p=121

    Mit diesen drei Links lässt sich der durchschnittliche Pirat wahrscheinlich charakterisieren.

  9. #9 schlappohr
    April 28, 2010

    Zum Thema monothematische Ausrichtung: Dass galt für die Grünen anfangs auch. Außer “Atomkraft nein danke” und “Petting statt Pershing” gabs am Anfang nicht viel. Einige Jahre später waren die Grünen in einer Regierungskoalition und haben einige maßgebliche Dinge auf den Weg gebracht, die der CxU heute noch ziemlich weh tun.
    Ich denke, dass die Ministerin ihre Hausaufgaben gemacht hat und jetzt nach der Devise “wehret den Anfängen” handelt. Ob sie damit Erfolg hat, liegt wohl maßgeblich auch an den Piraten selbst (…denen ich als erstes mal einen Namenswechsel empfehlen würde. Seit Somalia ist der Begriff etwas vorbelastet.)

  10. #10 Simon
    April 29, 2010

    Die Operation heisst Atalanta nicht Atlanta. Steht offenbar auch falsch in der NZZ. Siehe https://www.eunavfor.eu/

  11. #11 ali
    April 29, 2010

    @Simon

    Danke, korrigiert. Bei Atalanta denke ich als ursprünglicher Nordwestschweizer halt an Tunnelbohrmaschinen.

  12. #12 Wb
    April 29, 2010

    Eine gewisse monothematische Ausrichtung, die wenn der Wb richtig verstanden wird auch vom werten Inhaltemeister so gesehen wird, muss eben gar nicht schlecht sein.

    Der Hintergrund der PIRATEN, nämlich die Ablehnung von Zensur und die Forderung nach einem neuen webkonformen Verstehen des geistigen Eigentums (neben der Neuordnung und Neubewertung anderer rechtlicher Fragen) deutet jedenfalls eher auf eine angenehme Grundlage des Vorhabens und der Vorhabenden hin.

    Die Bundestagskandidaten der PIRATEN waren auch recht sympatisch.

    MFG
    Wb

  13. #13 ZielWasserVermeider
    April 29, 2010

    Hmmm… der Themenkatalog der Piratenpartei ist nun schon etwas erweitert worden.
    (zusätzlich zu den Themen Datenschutz, Bürgerrechte, open access etc ..)
    Auf dem Landesparteitag in Tübingen ist das Program ziemlich erweitert worden:
    z.B. um Umwelt(Energie), Bildung, Kultur etc.

    Der Parteitag hat nicht ausgereicht um alle Themen abzustimmen… ja es wird wirklich jeder Paragraph einzeln abgestimmt, so daß ein zweiter Parteitag angesetzt wurde um auch die restlichen 50-60% des Themenkatalogs für den anstehenden Landeswahlkampf in BaWü abzustimmen.

    Da wird noch einiges zusammen kommen 🙂

    Gruß *Arrrhhhhh*
    Oli

    P.S.: Etwas Werbung in Piratensache oder überhaupt in Parteiensache:
    Ich denke mal der Anteil an Ingenieuren und Naturwissenschaftlern in der PP ist um einiges höher als in anderen Parteien. Es wäre schön wenn sich noch einige Wissenschaftler mehr überzeugen liessen in der Partei mit zu machen, oder auch in den anderen Parteien. Es wäre mal schön, wenn Probleme mit wissenschaftlichen Sachverstand angegangen würden….

  14. #14 ali
    April 29, 2010

    @Carl

    Danke für die Links. Scheint meinen Eindruck zu bestätigen.

    @Schlappohr und @ZielWasserVermeider

    Es ist mir schon bewusst, dass man versucht den Themenbereich auszuweiten. Trotzdem denke ich, dass die Piratenpartei (schon alleine wegen des Namens) als monothematisch wahrgenommen wird. Wie sich das entwickeln wird ist natürlich kaum vorauszusehen (ausser vielleicht, dass man wohl mit einem Thema kaum sich lange halten kann).

  15. #15 Geoman
    April 30, 2010

    @ali schrieb über das Blog:

    “Weitere Interessen sind europäische Integration, der Südkaukasus, den ich beruflich schon öfters bereiste, und Internationale Politische Ökonomie. Will man mich unbedingt einordnen,”

    Ich bin ziemlich erstaunt, dass für jemand wie Sie, der sich für europäische Integration stark macht und für Politische Ökonomie interessiert die europaweite Dimensionen annehmende und die europäische Integration nachhaltig gefährdende Schuldenkrise bisher überhaupt kein Thema hier ist und dass Sie sich stattdessen lieber mit (Piraten-)Petitessen beschäftigen.

  16. #16 Frank
    Mai 2, 2010

    Frau Aigner hat verloren, da sie schon im letzten Jahr gegenüber den GVO Herstellern eingeknickt ist. Sie ist m.E. somit ersetzbar.

    Sogar die deutschen Geheimdienste, wie BND haben ihre Leute vor Facebook gewarnt nicht zu viel Daten preis zugeben, weil zu viele mit lesen. Die hintersten Finanziers von Zuckerberg – immerhin hatte er 760 Mill. $ Startgeld !! – liegen in Firmen des CIA. Und die hören gewiss mit. Das lässt sich sogar über wiki nachvollziehen.

    @geoman
    Europa hat zu viele Staaten aufgenommen, ist zu schnell gewachsen. Die Unterschiede waren zu groß. Deutschland ist nicht mal imstande – immer noch nicht – sein eigenes Gefälle zwischen West und Ost zu bereinigen, wie soll das dann mit Europa geschehen ?
    Es sind zu viele Traumtänzer unterwegs und keine Realisten ! Wer Geld hat, wer gut Geld bekommt, kann träumen. Die aller, allermeisten haben dies aber nicht.

  17. #17 Wm
    Mai 2, 2010

    Dass ein derartiger Vorstoß ausgerechnet aus der konservativen Ecke des politischen Spektrums kommt, verwundert die Webmaus doch einigermaßen. Stehen doch Parteien dieser Seite, auch im Zuge des “Kampfes gegen den Terror”, auf ganz anderen Positionen. Die Wm ist daher der Ansicht, dass es sich um einen billigen und populistischen Versuch handelt, etwaige zusätzliche Stimmen abzuholen.

    MFG
    Wm