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Man erinnert sich an die WTO Verhandlungsrunde in Seattle: Tränengas, unzählige Verhaftungen, Bilder wie aus einem Bürgerkriegsgebiet. Die Protestierenden feierten das Scheitern der Verhandlungen damals als grossen Sieg. Inzwischen gibt es sogar einen Film zum Thema. Irgendwie ist es aber plötzlich ruhig geworden um die WTO.

Aus Anlass des WTO Public Forums 2010 und den aubleibenden Protesten, spekuliert Drezner in seinem Blog drüben bei Foreign Policy über mögliche Gründe und unterscheidet zwischen einer optimistischen Hypothese von Gideon Rachman in von der Financial Times und seiner eigenen pessimistischen. Rachman meint, dass es mit den neuen Gegebenheiten im internationalen Handel, insbesondere dem Aufstieg Chinas und Indiens, die Vorwürfe, die an die WTO gemacht wurden, nun nicht mehr gelten würden. Drezner hingegen meint, dass man mit der Finanzwelt schlicht einen neuen Sündenbock gefunden habe und dass die WTO halt und einfach nicht mehr im Zentrum der Handelsliberalisierung steht.

Ich möchte ihm halb zustimmen und halb widersprechen. Ob die Finanzwelt wirklich als Ersatz hinhalten muss, bezweifle ich. Die WTO Kritik kam aus einem spezifischen Lager und ich glaube die Wut auf die Finanzwelt ist ein breiteres Phänomen. Diese Kreise sind natürlich auch davon betroffen, aber ich glaube ihr Fokus ist nach wie vor der Welthandel und seine echten und vermeintlichen Übel. Sein zweites Argument scheint hingegen zumindest teilweise plausibel. Wo nichts passiert kann man auch kaum gegen etwas protestieren.

Die WTO mit ihren Treffen von Handelsministerinnen und -ministern, den grossen wirtschaftlichen Interessen und das Lobbying, die diese mit sich bringen, eignete sich ausgezeichnet, um die Organisation als “ausbeuterisches neo-koloniales” Machtinstrument zu zeichnen. Die Komplexität vieler der Verträge und Sachfragen in diesem Zusammenhang vereinfachte dies wohl zusätzlich.

Die Proteste finden aber durchaus noch statt. Die Demonstrierenden sind einfach mit der Verhandlungskarawane weitergezogen und sind nun dort, wo auch viel der eigentlichen Action passiert: Heute dreht sich alles um (meist bilaterale) Präferentielle Freihandelsabkommen. Auf Seiten wie bilaterals.org sieht man, dass durchaus noch auf die Strassen gegangen wird. Nur findet das alles (wie auch der Abschluss dieser Verträge) nicht mehr auf der Internationalen Hauptbühne statt und sickert darum auch medial nur verdünnt durch.

Aber auch Rachman würde ich halb Recht geben. Für die Gegenerinnen und Gegner der Handelsliberalisierung ist es vermutlich schwieriger geworden, Allierte aus Ländern des Südens zu finden, da diese die WTO als Plattform für sich entdeckt haben. Dies reduziert natürlich ein wenig die moralische Autorität für andere zu sprechen. Länder wie Brasilien und Indien werfen auch mal ihre Wirtschaftsmacht in die Wagschale um in der WTO zu kriegen was sie wollen (von China ganz zu schweigen). Die vermeintliche Trennlinie zwischen Gut und Böse verschwimmt. Auch unterzeichnen immer mehr Entwicklungsländer Freihandelsabkommen unter einander. Auch hat die WTO (wohl auch wegen den Protesten) sich mehr auf die Bedürfnisse der Entwicklungsländer eingestellt.

So kommt es wohl, dass man keine Transparente mehr vor dem Hauptsitz der WTO an den Gefielden des Genfersees sieht.

Kommentare (2)

  1. #1 Lars Fischer
    September 19, 2010

    Ich vermute, dass es zu einem beträchtlichen Teil auch mit Resignation und Gewöhnung zu tun hat. Wir haben ja – nicht nur in Deutschland – in den letzten paar Jahren sehr deutlich vor Augen geführt bekommen, dass es niemanden wirklich interessiert, ob da ein paar Leute mit Transparenten stehen oder nicht. Außerdem macht es einen Unterschied, ob Globalisierung als Entwicklung wahrgenommen wird oder, wie jetzt, eher als Zustand, gegen den “man eh nichts machen kann”.

    Nach meiner Wahrnehmung sind die Leute zwar immer noch nicht einverstanden, aber das Mobilisierungspotential ist gesunken.

  2. #2 Wb
    September 25, 2010

    OK, kaum Kommentare?
    Das heißt dann wohl mainstreamartig vorgetragen.
    Was nicht schlecht sein muss.

    Globalisierungsgegner sind ja auch soowas von uncool.

    MFG
    Wb