US Präsident Obama hat heute verkündet, dass man den lange gesuchten Osama Bin Laden in Pakistan lokalisiert hatte und dieser nach einem Feuergefecht ums Leben kam. Die Zeitungspressen laufen heiss, mein Twitterfeed rasselt nur noch so durch und die Schlagzeile für fast jede Newswebsite ist gesetzt. Der Blätterwald mag rauschen, doch ändern wird sich wenig.
Sehr viel habe ich eigentlich nicht zu sagen zu dieser Meldung. Trotzdem wollte ich hier kurz ein paar Gedanken notieren. Erstens um einen Diskussionsthread zu eröffnen und die Möglichkeit zum Kommentieren zu ermöglichen. Zweitens weil es gewisse Nachrichten gibt, die man schlecht ignorieren kann, egal ob ich glaube, substanziell einen Beitrag leisten zu können oder nicht.
Die grösste Bedeutung von Osama Bin Ladens Tod ist eine symbolische. Nachdem der sogenannte “Krieg gegen den Terror” von Bush ausgerufen wurde brauchte das Böse ein Gesicht. Schon 2001 war es so, dass bei der Erwähnung von Terrorismus in den Nachrichten meist über kurz oder lang der Name Bin Ladens fiel. So wurde er die ideale Projektionsfläche und ultimatives Ziel in diesem vermeintlichen Krieg. Osama Bin Laden war Lord Voldemort und Sauron in einem. Dies verzerrt die Wahrnehmung des Problems und erschwert eine sachliche Analyse. So wurde die Tatsache, dass Bush Bin Laden während seiner Amtszeit nicht habhaft werden konnte zum seiner “grössten Schlappe” stilisiert und Bin Ladens Tötung durch Obama wird jetzt schon als ein “definierender Moment” in seiner Präsidentschaft gefeiert. In der Substanz ist es aussenpolitisch aber eher belanglos und nur beschränkt in der Kontrolle des Präsidenten.
Diese Personalisierung wird nun aber zur Hypothek. Da er für den Feind, das Andere, das Böse schlechthin stand, entsteht auch der Eindruck, dass man seine Ruhe haben wird, hat man dem Drachen einmal den Kopf abgeschlagen. In den USA kam es gemäss Medienberichten zu spontanen Kundgebungen vor dem Weissen Haus und man skandierte “USA, USA!”. Doch nichts wird sich vermutlich kurz und mittelfristig ändern. Die Truppen werden in Afghanistan und im Irak bleiben. Die Regierungen werden regelmässig Terrorwarnungen herausgeben. Ab und zu wird ein Anschlag verübt und man wird ihn Al-Kaida zuschreiben.
Vielleicht öffnet der Tod Bin Ladens die Tür zu einer leichten Herabstufung der Terrorfokussierung. Aber die ganze aussen- und innenpolitische Maschinerie und die militärische Macht die in Bewegung gesetzt wurde, kann nicht einfach kalt ausgebremst werden. Darum muss man sich nicht sehr viel “Change” vorbereiten.
Auch für das, was in der Regel als “Al Kaida” bezeichnet wird, wird sich kaum etwas ändern. Obwohl der Eindruck erweckt wird es handelt sich um ein koordiniertes und zentralisiertes Netzwerk, ist die Realität eine andere. Gerne zählte man jeden der im Namen von Al Kaida mordete “dem Netzwerk” zu. Das war im Interesse der Terrorkrieger (“Seht die Bedrohung besteht weiter”) aber auch im Interesse von den Islamisten (“Seht wir können immer noch zuschlagen”). Eine seltsame Interessensgemeinschaft entstand da. Auch dass man regelmässig Verbindungen findet ist nicht weiter erstaunlich. Vermutlich hätte man mit dem gleichen Kriterium die linke Terrorbewgung in den 70er Jahren in Europa auch als ein “Netzwerk” einstufen können. Nur ein Kopf fehlte halt.
Auch werden nun bestimmt Verschwörungstheorien florieren. Dies ist eine fast zwangsläufige Konsequenz aus der Personalisierung des Terrorismus. Zu übermenschlich, zu gross wurde Bin Laden und seine Macht an die Wand gemalt, als dass sich sich alle mit seinem Tod einfach so abfinden könnte. So einfach kann es doch nicht gewesen sein, wird sich so mancher sagen. Man wird wahlweise behaupten Obama oder Bin Laden hätten das ganze nur inszeniert. Man wird vermeintliche Widersprüche finden und wie Elvis wird man Bin Laden ab und zu sichten. Sein Geist wird wohl noch eine Weile auf dieser Erde wandeln.
Was heute überhaupt nicht diskutiert werden kann, ist die das Problem von extralegalen Tötungen. Ich halte diese für falsch und in einem Rechtsstaat höchst bedenklich. Die Art und Weise wie die Tötung von Bin Laden geschildert wurde (“bei Feuergefecht ums Leben gekommen”) lassen zwar vermuten, dass man primär nicht versucht hat, ihn gezielt zu töten, er war aber zweifelsohne weit oben auf der Liste potentieller Ziele. Es kamen anscheinend bei der Aktion auch noch andere Menschen ums Leben. Bei einem Fall der so offensichtlich ist, ist es aber schwer auf rechtsstaatliche Prozeduren zu pochen. Gerade solche “harte Fälle” zeigen jedoch die Stärke eines Rechtsstaates. Das dies nun keine Diskussion ist die geführt werden kann ist ebenfalls eine Konsequenz der Personalisierung des Bösen und sollte uns zu denken geben.
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