Ich hatte eine Erinnerungen an einen Artikel im Magazin The Economist, der vor ein paar Jahren das Ende des syrischen Präsidenten Assad prognostizierte. Der Tenor war, es ist keine Frage ob er bald geht, sondern wann er geht. Diesen Artikel habe ich nun wieder gesucht. Dabei bin ich im Archiv des Magazins über diverse andere Berichte zum Thema gestolpert. Dies gibt einen interessanten Rückblick, wie Assad wahrgenommen wurde und liest sich mit den jetzigen Ereignissen in Syrien ganz anders.
Da das Archiv des Economist hinter einer Paywall steckt, hier ein paar Auszüge was mir alles begegnet ist (ich verlinke die Artikel trotzdem, für jene die Zugang haben).
15. Juni 2000: Bashar’s world – Bashar’s Welt
Nach dem Tod von Hafiz Assad:
With the death of Hafez Assad, Syria appears to have lost a dictator and gained an ophthalmologist (…) Bashar Assad has few qualifications for such heavy responsibilies (…) he cuts a rather meek and awkward figure, unlikely to inspire the same terror or admiration as his handsome, athletic, outgoing and ruthless brother (…) Mr Assad has certainly pursued a thoughtful campaign to secure the succession over the past six years.
Mit dem Tod von Hafiz Assad, hat Syrien einen Diktator verloren und einen Augenarzt gewonnen (…) er wirkt physisch eher schwächlich und seltsam, er ist weniger furchteinflössend und löst weniger Bewunderung aus als sein gutaussehender, athletische, gnadenlose und kontaktfreudige
im Abgang begriffeneBruder (…) Assad hat sicherlich eine sehr gut durchdachte Kampagne zur Sicherung der Nachfolge über die letzten sechs Jahre betrieben.
Zu den Mächten des alten Regimes:
Both groups probably already play a big role in decision-making, and neither will tolerate Mr Assad risking their livelihoods by making mistakes. Any sign of weakness will serve as an invitation for one of them to step in.
Beide Gruppen werden vermutlich eine wichtige Rolle in der Entscheidungsfindung spielen und keine wird Assad durch das Begehen von Fehlern ihren Lebensunterhalt riskieren lassen. Jegliches Zeichen von Schwäche wird ihnen als Einladung dienen, einzugreifen.
He seems decent enough: modest, intelligent, reform-minded. (…) Bashar Assad has inherited the presidency but may not be able to keep it. His legitimacy is, at best, dubious.
Er wirkt anständig genug: Bescheiden, intelligent, reformorientiert (…) Bashar Assad hat die Präsidentschaft geerbt aber wird sie vielleicht nicht behalten können. Seine Legitimität ist im besten Fall zweifelhaft.
The regime shows no sign of collapse but under the surface all is not well. (…) Many foreign commentators described Syria’s government as having missed a last chance to improve its image at the congress. (…) But there is no sign that the younger Assad’s grip is weakening. (…) Mr Assad has also, slowly but with increasing urgency, drawn the levers of power into his own hands. (…) Despite his grip on the organs of repression, his long-term prospects for turning his country round–and staying on top of it–look increasingly bleak.
Das Regime hat bisher keine Anzeichen von Kollaps gezeigt aber unter der Oberfläche brodelt es (…) Viele ausländische Kommentatoren beschreiben Syriens Regierung als eine, die ihre letzte Chance ihr Image vor dem Parteikongress zu verbessern verpasst hätte (…) Es gibt keinerlei Anzeichen, dass der Griff des jüngeren Assads sich lockern würde (…) Assad hat auch langsam aber mit gesteigerter Dringlichkeit, die Hebel der Macht zu sich gezogen. (…) Trotz seines Griffs nach den Organen der Repression, seine langfristigen Aussichten das Land auf den richtigen Weg zu bringen – und unter Kontrolle zu behalten – verdüstern sich zunehmend.
29. September 2005: Lonely leader amid swirling rumours – Einsamer Führer ubgeben von Gerüchten
For Mr Assad, and his clan and Baath party, face a crisis as grave as any since his father, Hafez Assad, consolidated Syria’s dictatorship 35 years ago.(…) general resentment runs high, against such ills as corruption, unemployment, sky-high house prices and the privileged place of Mr Assad’s Alawite sect (…) But the other two scenarios offer Mr Assad a less rosy outlook. One is what a dissident describes as “the cornered cat”: the regime chooses to lash out at its tormentors (…) The last scenario, perhaps more likely, is “the cornered scorpion”. Surrounded by fire, it stings itself. In other words, the regime would fall to an internal coup.
Assad und seien Baath Partei sehen sich einer Krise gegenüber, wie nicht mehr seit sein Vater Hafiz Assad vor 35 Jahren die Diktatur konsoldiert hat (…) die Ressentiments wegen extrem hohen Imobilienpreisen und der privilegierten Stellung von Assads Alawitischen Sekte sind weit verbreitet (…) Zwei weitere Szenarien [im Gegensatz zu Konzessionen] lassen für Assad die Zukunft weniger rosig erscheinen. eines ist was ein Dissident als “die Katze mit dem Rücken zur Wand” bezeichnet: Das Regime würde mit voller Wucht zuschlagen gegen seine Gegner (…) Das letzte und wahrscheinlichere Szenario ist “das in die Ecke gedrängte Skorpion”. Umringt von Feuer sticht es sich selbst. Das Regime würde einem internen Coup zum Opfer fallen.
9. Februar 2006 He doesn’t know where to go – Er weiss nicht wohin.
Mr Assad’s recent oscillations, most recently back towards rhetorical confrontation, suggest despair, even panic. (…) A leading Damascene journalist hints that there may be a fin de régime recklessness in the air, a sense that “if we’re cornered we can still destabilise the whole of the Middle East.” In any event, there is scant sign of Mr Assad pondering either a dignified exit or the risk of allowing the Baath party to share power. In fact, there is no sign that he has any plan at all.
Assads jüngstes Hin und Her, zuletzt in Richtung rhetorische Konfrontation, deutet Hoffnungslosigkeit an, ja gar Panik (…) Ein führender Journalist aus Damaskus deutet an, dass eine Endzeitstimmungs-Rücksichtsloigkeit in der Luft liege, eine Stimmung die vermittelt “wenn wir in die Ecke gedrängt werden, können wir immer noch den ganzen Nahen Osten destabilisieren.” Wie auch immer, es gibt kaum Anzeichen, dass Assad sich entweder einen Rücktritt in Würde überlegt oder bereit wäre, das Risiko einer Machtteilung der Baath Partei einzugehen. Eigentlich gibt es nicht einmal ein Anzeichen, dass überhaupt ein Plan existiert.
4. April 2007 Has it got away with it? – Ist er damit davongekommen?
Appalled by the mess next door, few Syrians now doubt that their own secular dictatorship is preferable to the anarchy of supposedly democratic Iraq. (…) But perhaps the greatest satisfaction for Mr Assad is the likelihood of his outlasting his enemies.
Abgestossen von dem Chaos beim Nachbarn, zweifeln heute wenige Syrier daran, dass ihre eigene säkulare Diktatur der Anarchie des angeblich demokratischen Iraks vorzuziehen ist. (…) Aber vielleicht die grösste Befriedigung für Assad ist die Aussicht, dass er seine Gegner [Chirac, Blair und Bush] überleben wird.
Das Auf und Ab der Assad Diktatur kann nicht drüber hinwegtäuschen, dass seit seiner Machtübernahme und vielleicht einem anfänglichen Neulings-Bonus, sich eine Katastrophe abgezeichnet hat. Vielleicht hat der Irakkrieg die Geschehnisse noch ein wenig verzögert bis der Vulkan dann im Zuge der arabischen Revolutionen ausbrach. Überraschend wirken die Ereignisse im Moment nach dieser Lektüre ganz bestimmt nicht mehr.
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