i-a963fea368c90d86c933a819199ed839-rb2_large_gray.pngDies ist der zweite Teil zu den US-Russischen Handelsbeziehungen und der Frage der Menschenrechte. Wer den ersten Teil verpasst hat, findet diesen hier.

Wer internationale Politik mitverfolgt kann leicht zynisch werden. Manchmal ist es Selbstschutz aber oft ist es eine durch beobachtete Dopplestandards, pragmatische Kompromisse und äusseren Zwängen genährte Wahrnehmung, dass das System bar jeder Moral und Idealen funktioniert. Nun wäre es am einfachsten den USA zu unterstellen, dass sie die Handelsliberalisierung mit Russland mit Menschenrechtsfragen koppeln möchten ihnen einen willkommenen Hebel in die Hand gibt, um, sollte es plötzlich opportun sein, einen Rückzieher zu machen oder damit zu drohen. Das ist kaum von der Hand zu weisen und auch Russland lässt eine solche Gelegenheit meist nicht vorbeiziehen.

Nun ist eine Politik immer das Resultat verschiedener Kräfte und Interessen. Direktbetroffene, Lobbies, Politikerinnen und Politiker kurz vor oder nach Wahlen und mehr oder weniger idealistische Nichtregierungsorganisationen (ich möchte hier auch kurz bemerken, dass “idealistisch” keineswegs “gut” bedeuten muss; der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert, wie man auf Englisch sagt). Nun finde ich es schwer die dominanten Motive des US Kongresses zu eruieren warum er den Freihandel mit Russland an Menschrechte koppeln will. Diese Spekulationen sind für ein anderes Mal. Hier geht es darum, dass es durchaus Hinweise gibt, dass solche Massnahmen effektiv sind. Mir sind zu diesem Thema zwei Artikel bekannt, deren Schlussfolgerungen ich hier kurz wiedergeben möchte.

Da wäre zuerst Emilie Hafner-Burton, die sich Freihandlesabkommen ausserhalb der WTO annimmt (Trading human rights: How preferential trade agreements influence government repression, International Organization, 59(03):593-629, 2005 [paywall]). Sie argumentiert, dass es zwei Möglichkeiten gibt einen anderen Staat dazu zu bewegen, Menschenrechte besser zu respektieren: Überzeugeung (Persuasion) oder Zwang (Coercion). Das Problem mit Überzeugung ist, dass sie lange dauert, man mit wechselnden Gesprächspartnern konfrontiert ist und man permanenten Zugang benötigt. Diverse Formen von Zwang (oder “Druck”, wer diese Formulierung bevorzugt) sind diesbezüglich wesentlich effektiver. Sie vergleicht auf dieser Basis “reine” Menschenrechtsabkommen mit Freihandelsabkommen die Menschenrechtsregelungen beinhalten. Sie überprüft ob nach dem Inkraftreten solcher Abkommen Repression gegen die Bevölkerung abgenommen hat. Dazu benutzt sie Datensätze, die auf Berichten von Amnesty International beruhen. Sie stellt fest, dass je “härter” die Regelung in einem Freihandelsabkommen ist, desto kleiner ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mitgliedstaat repressive Methoden anwendet.

Der zweite Artikel, den ich erwähnen möchte, stammt von Susan Ariel Aaronson und Rodwan Abouharb (Unexpected Bedfellows: The GATT, the WTO and Some Democratic Rights International Studies Quarterly, 2011). Im Gegensatz zu Hafner-Burton konzentrieren sich die beiden auf die Welthandelsorganisation (WTO) in ihrem Artikel. Sie argumentieren folgendermassen: Die WTO verlangt von ihren Mitgliedern, dass aus dem Ausland importierte Produkte (und deren Produzenten) eine gewisse Rechtsicherheit gewährt wird. Diese beinhaltet zum Beispiel das Recht auf ein ordentliches Verfahren, gewisse politische Teilnahme an der Entscheidungsfindung und Bestimmungen zur Transparenz in der Gesetzgebung. Diese Rechte werden auch den inländischen Firmen gewährt. Aaronson und Abouharb argumentieren nun, dass diese “Fähigkeiten” (skills) auch auf andere Politikbereiche übertragen werden können, da Handel heutzutage eine fast alle Bereiche betrifft von Umweltschutz bis zu Gesundheitspolitik. Tatsächlich finden die beiden in ihrer Analyse einen Zusammenhang zwischen WTO Mitgliedschaft und gewissen demokratischen Rechten. Je länger ein Staat dabei ist, desto besser sieht es bei ihm intern diesbezüglich aus.1

Das Argument, dass Demokratie, der Rechtsstaat, persönliche Freiheiten und Menschenrechte Freihandel auf den Fuss folgen, ist ein altes Argument (vielleicht erinnert sich wer an die Elben-Analogie) und eng mit mit der Denkschule des Idealismus‘ (oder spezifischer in dem Fall Liberalismus) in internationalen Beziehungen verbunden. Die grosse Frage ist natürlich, gesetzt der Fall, Freihandel ist wirklich ein effektives Mittel um Menschenrechten zur Durchsetzung zu verhelfen, will man dies wirklich. Wie kann verhindert werden, dass solche Rechte nur als Vorwand für Protektionismus oder als Druckmittel verwendet werden? Wie kann man sicherstellen, dass diese sachfremden Themen nicht für Machtspiele missbraucht werden? Aber vielleicht drückt da bei mir nur der Zyniker wieder durch.

1WTO Mitgliedschaft ist zumindest für die Anfangsjahre durchaus eine selektive Variabel, da es sich mehrheitlich um demokratische Staaten handelte (ich bin unter anderem deshalb etwas ihren Resultaten gegenüber etwas skeptischer). Nun kontrollieren die beiden jedoch auf diverse potentielle andere Einflüsse und auch die effektiven Rechte, die sie betrachten variieren. Die Details kann und will ich hier aber nicht besprechen. Da der Artikel frei erhältlich ist, kann diese Diskussion natürlich in den Kommentaren geführt werden, wenn jemand dies möchte.

Emilie M Hafner-Burton (2005). Trading Human Rights: How Preferential Trade Agreements Influence Government Repression International Organization DOI: 10.1017/S0020818305050216

Susan Ariel Aaronson and M. Rodwan Abouharb (2011). Unexpected Bedfellows: The GATT, the WTO and Some Democratic Rights International Studies Quarterly DOI: 10.1111/j.1468-2478.2011.00646.x

Kommentare (3)

  1. #1 Spoing
    Juli 26, 2012

    “Wie kann verhindert werden, dass solche Rechte nur als Vorwand für Protektionismus oder als Druckmittel verwendet werden? Wie kann man sicherstellen, dass diese sachfremden Themen nicht für Machtspiele missbraucht werden”

    Verhindern kann man dies gar nicht aber, ich würde sagen dem steht im Kapitalismus die Gier gegenüber. Von einem Freihandelsabkommen profitieren ja meistens beide Seiten. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte so steht ein Staat der über keinerlei Freihandelsabkommen verfügt auf jeden Fall schlechter da als die Anderen. Es wird somit immer Leute geben die (sei es auch nur aus egoistischen Motiven) sich für ein solches Abkommen einsetzen. Somit ist dieses Machtspielchen ja auch mit Kosten (Kritik) verbunden und nicht umsonst.
    Das ist ja das schöne an dem Kapitalismus, die eigentlich eher negativen Bedürfnisse können in ihm positive Effekte erzeugen, wenn es denn richtig läuft (bzw. gelenkt wird).

    Sogar im umgekehrten Fall, wenn es der Politik erst mal egal seien sollte ob der “Mitspieler” auf Menschenrechte etc. achtet, so wird es den Firmen nicht egal sein, da diese ja in Konkurrenz zu den anderen Firmen stehen. Lohndumping, Staatssubventionen und Umweltzerstörung sind halt Wettbewerbsvorteile welche man beim Konkurrenten ungern sieht. Gerade jetzt klagen die Solarhersteller ja wieder gegen chinesische Praktiken.

    Des weiteren befriedet eine länger bestehende freie Wirtschaft durch die Vernetzung der Konzerne automatisch eine Befriedung der Länder untereinander. (nicht nur das die Leute miteinander Arbeiten und merken, dass die Bösen Leute “da drüben” gar nicht Böse sind) Ein Angriff Deutschlands auf Frankreich würde in der heutigen Situation für beide Seiten wirtschaftlichen Zusammenbruch bedeuten. Krieg aus Gründen der Profitgier ist zwischen solchen Ländern somit nicht mehr möglich.

  2. #2 rolak
    Juli 26, 2012

    Schöne Vollendung des Zweiteilers.

    Die Vermutung über die Qualität des Weges in die Verdammnis ist imho schon sehr eingedeutscht, hab ich schon als Kind gehört. Ja, das ist schon etwas länger her…

  3. #3 BreitSide
    Juli 28, 2012

    xxx