Zypern beherrscht weiterhin die Schlagzeilen. Finanzfragen, normalerweise der Spielplatz für graue Buchhaltungs-Wonks die es gerne dröge mögen, kommen plötzlich wie ein Western rüber, bei dem es auf den Showdown in den leer gefegten Strassen zugeht. Passend zum Klischee finden sich auch Geier ein, die sich auf ein Festmahl vorbereiten. Zeit eine Vogelscheuchen zu besorgen.
Um es gleich vorwegzunehmen: Ich denke auch dass die ursprüngliche Lösung nicht nur ungerecht sondern auch dumm ist. Christian hat schon über den zweifelhaften Deal geschrieben. Mir ist im Moment immer noch nicht ganz klar, wer die kleinen Sparguthaben da mit reingezogen hat. Auf der BBC hat heute ein EU Repräsentant behauptet, das “wie” das Geld reinkommt sei ganz alleine Zypern überlassen. Das zypritotische Parlament und sicher auch die meisten Kommentare weisen aber daraufhin, dass dies eine der Bedingungen ist (oder zumindest war).
Aus drei Gründen finde ich die Logik der Massnahme schwer nachzuvollziehen: Es widerspricht erstens meinem Gerechtigkeits-Empfinden, dass das ältere Paar, welches sich ein paar tausend Euro vom Munde abgespart hat, Eltern die etwas Geld für die Ausbildung für ihre Kinder zur Seite gelegt haben oder die Schülerin, die auf ein Teleskop spart ebenso zur Kasse gebeten werden sollen, wie jemand der 100’000 Euro in Bar auf einer Bank rumliegen lassen kann. Zweitens wird es zwar als eine “einmalige Steuer” angepriesen, aber Steuern werden normalerweise nicht in dieser Art im Nachhinein erhoben. Die Grenze zu Konfiszierung ist bestenfalls unklar in diesem Fall. Dies sind zugegebnermassen beides Gründe, die vielleicht nicht so einfach zu objektivieren sind.
Am schlimmsten ist aber das ausgesendete Signal. Die Konsequenzen könnten verheerend sein. Ein Gebäude, in dem ein Grossanlass stattfindet, brennt. Die Menschen können nicht evakuiert werden, bleiben aber den Umständen entsprechend ruhig. Als die Feuerwehr das Feuer fast unter Kontrolle hat, wird jemand in den Festsaal geschickt um eine ordentliche Evakuation in die Wege zu leiten. Diese Person geht rein und schreit: “Feuer! Feuer! Lauft um euer Leben! Rette sich wer kann!”. Das ist so in etwa was im Fall Zypern geleistet wurde. Wenn die Finanzprobleme verschiedener Euromitglieder wieder an die Oberfläche kommen, wird man von nun an wohl auch noch das Risiko eines Bankenruns bekämpfen müssen, weil von nun an niemand mehr weiss ob die Spareinlagen tatsächlich sicher sind. Bravo!
Sollte diese “Steuer” tatsächlich von der EU verlangt worden sein (und vieles weist darauf hin), war dies wohl weil man meinte, man könne Zypern als Sonderfall darstellen. Der Verdacht, dass man ein Exempel statuieren wollte für vergangene vermeintliche politischen Geldwäsch-Sünden liegt nahe. Nur ist es ein Schuss in den eigenen Fuss und das gesagte kann nicht mehr ungesagt werden.
Diejenigen die schon immer wussten, dass der Euro nichts taugt (selten mit guten Argumenten vor den Ereignissen aber anschliessend immer mit dem ungetrübten Rückblick, der selbst Astrologen zum erröten bringen könnte) freuen sich jetzt. So zum Beispiel die Meister der selektiven Wahrnehmung bei der Achse des Guten. Der Autor, der übrigens immer seinen Dr. vor sich hin trägt wie ein Anglerfisch seine Angel, aber über alles andere schreibt, als zu dem er tatsächlich promoviert hat (Sportgeschichte) weiss: “Die einzige realistische Lösung wäre allerdings Zyperns Austritt aus dem Euro”.
Klingt kurz und knackig, nur was wäre diese “Lösung”? Ganz sicher bin ich mir auch nicht, da es sich primär um eine Bankenkrise handelt, die sich wegen dem grossen Anteil am Bruttoinlandprodukt sich leicht in eine Schuldenkrise verwandeln kann. Es würde das Problem insofern “lösen” dass Zypern wieder eine unabhängige Währungspolitik betreiben könnte. Mit den technischen Probleme einer solchen Transition wollen wir uns hier gar nicht erst aufhalten. Dies heisst, dass man natürlich alle mit Euronen auf der Bank dazu zwingen muss, diese in die neue-alte Währung umzuwandeln, bevor die Banken wieder aufgehen. Dann könnte man die Währung abwerten (oder sich abwerten lassen) damit der Staat wieder als Garant für die Guthaben einstehen kann. Bis dahin sind die Banken vermutlich schon implodiert. Dies schafft nämlich kein neues Vertrauen in die Banken, im Gegenteil es erodiert dieses noch weiter. Aber nehmen wir an, ein Austritt würde den Bankenrun verhindern (Dumbledore wird Präsident der zpriotischen Nationalbank und ruft Petrificus Totalus!). Eine abgewertete Währung heisst dass alle Importe sich (vermutlich massiv) verteuern. Dass man sich auf Inflation gefasst machen muss und später vermutlich deflationäre Massnahmen um von dieser wieder loszukommen. Dies würde die Kleinsparerinnen und -sparer, die meist ihr ganzes Vermögen auf einem Konto liegen haben, wohl noch härter treffen. Wo da die “einzige Lösung” liegt, verstehe ich nicht.
Kapitalkontrollen können auch wieder eingeführt werden. Solche sind aber bestenfalls immer nur eine kurzfristige Lösung. Langefristig findet Geld seinen Weg immer über die Grenze. Das nun solche eingeführt werden sollen, werten einige als Hinweis darauf, dass ein Ausstieg vorbereitet wird. Ein Euro Ausstieg würde das Problem aber auch nicht aus der Welt schaffen. Dies gilt für eine Bankenkrise noch viel unmittelbarer als für eine Schuldenkrise. Aber wenn man weiss wo der Feind sitzt, dann muss man sich nicht um die Details kümmern. Hauptsache “Euro – bad“. Differenzierung ist unnötig. Alles andere kann man sich schön reden.
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