Kohl: Ich sage das nicht. Das wird mir nachgesagt.
Paul: …und bei anderen Themen Diktator. Beim Euro.
Kohl: Ich habe beim Euro eine Position gehabt. Das gleiche müssen Sie natürlich sagen für die Nachrüstung und für die Deutschland-Politik.
Kohl reagierte also mit dem “Diktator” Satz auf den Vorwurf er wäre eine “Aussitzer” gewesen. Es ist offensichtlich ein rhetorischer Kniff und nicht eine juristische oder politische Einschätzung. Aber noch viel interessanter ist, dass wenn man es denn unbedingt als Eingeständnis werten möchte, er hätte am Rande des in einer Demokratie akzeptablen agiert, warum war die Schlagzeile bei der Achse des Guten nicht:
Helmut Kohl: Ich handelte wie ein Diktator beim Nato-Doppelbeschluss
oder
Helmut Kohl: Ich handelte wie ein Diktator bei der Wiedervereinigung
Ach ja, weil der Nato-Doppelbeschluss und die Wiedervereinigung waren natürlich “gute” Politik. Dann ist Diktator sein OK.
So funktioniert es halt. Man pocht auf Prinzipien. Aber nur solange sie den eigenen Zielen entgegenkommen.
Solche selektive Wahrnehmung findet ihren Ursprung entweder in einer Unfähigkeit mit Informationen kritisch umzugehen oder aber aus dem Wunsch zu manipulieren. Egal ob es um Migrationspolitik, Islam oder Klimawandel geht, bei der Achse des Guten hat sie auf jeden Fall System.
Nachtrag: Jens Peter Paul der für das Interview verantwortlich ist, hat die Aussagen ebenfalls kommentiert (und schlägt in die gleiche Kerbe wie ich). Grosszügig meint er man müsse halt “schon genau lesen.” Ich glaube “weiterlesen” wäre bei manchen schon ein Fortschritt.
Kommentare (34)