Wir wollen alle Gutmenschen sein (ja, alle!). Das Problem ist natürlich was ist “gut”. Einige haben eine sehr enge Definition davon, andere eine extrem offene. Für sehr viele ist das Ziehen dieser Grenze das eigentlich grosse Ringen. Syrien und das aktuelle Säbelrasseln ist eine gute Fallstudie für die Schwierigkeiten solcher Grenzziehung. Da seit ein paar Tagen alle Syrien-ExpertInnen sind, kann ich natürlich nicht zurückstehen.
Ich wollte sowieso etwas zu Syrien schreiben. Der Anlass dafür ist nun aber dieser Post “Direktmassnahmen für Syrien” eines sich im Wahlkampf befindenden Piraten. Er hat mich zum Schreiben dieses Eintrages bewogen, weil ich denke, dass er sich die Sache etwas zu einfach macht. Dies fällt um so mehr auf, weil die Analyse der Situation eigentlich erfreulich differenziert ausfällt und auf die üblichen Verallgemeinerungen verzichtet. Schon alleine deshalb ist der Text lesenswert. Die Schlussfolgerungen basieren dann aber leider mehrheitlich doch auf was ich als (vor allem linken, wie ich befürchte) Klischees wo “das Böse” zu finden ist, bezeichnen würde.
Ich möchte mit einem Gedankenexperiment beginnen. Nehmen wir an, wir würden in einer Welt von moralischer Klarheit leben. Wie in Tolkiens Mittelerde, ist alles ein Kampf zwischen Gut und Böse und es gibt keine Zweifel wo die Grenzen verlaufen. Die vielen Differenzierungen des verlinkten Artikels wären überflüssig. Assad ist böse (Sauron so zu sagen). Die Rebellen kämpfen auf der Seite von Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Russland, Iran und China sind gewissenlose Fieslinge, die sich im Gegensatz zum “Westen” überhaupt nicht um die syrische Bevölkerung sondern nur um den eigenen Vorteil kümmern. In dieser Welt, was wäre die “richtige” Vorgehensweise, UNO Mandat hin oder her?
Nun leben wir offensichtlich nicht in einer solchen Welt. Um es mit Georg Kreisler zu sagen: “Das heisst nicht, dass dort nur die Besen regiern/Aber die Guaten san a net sehr guat!” Und darum ist es schwierig mit absoluten moralischen Prinzipien, man möge mir das Bild verzeihen, in die Schlacht zu ziehen. Der Mensch hat eine Tendenz eine Unterlassung als moralisch weniger verwerflich zu betrachten als eine aktive Tat, auch wenn sie zum selben Resultat führt. Im spezifischen Fall von Syrien besteht sogar die Möglichkeit, dass ein aktives Eingreifen das Blutbad bremsen würde. Ob das wirklich der Fall ist, wissen wir natürlich nicht und wird man vermutlich auch nie wissen, weil wir nicht beide Szenarien gleichzeitig durchspielen können. Es ist aber meines Erachtens wichtig zu akzeptieren, dass der Vorschlag nicht einzugreifen, ebenso ein Entscheid mit moralischen Konsequenzen ist. Er fühlt sich vielleicht besser an, die Auswirkungen können jedoch genau so desaströs sein.
Das zweite Problem das ein Unterstützen einer Nichteinmischung attraktiv erscheinen lässt ist, dass wir tatsächlich mit vielen heuchlerischen Motiven konfrontiert sind. Ich habe keinerlei Illusionen, dass ausschliesslich Menschen mit den besten aller Motiven für eine Intervention sind. Gleiches gilt natürlich auch für viele der politischen Bremsklötze. Weder die USA noch Russland sind diesbezüglich Beispiele von Kohärenz. Das lässt uns natürlich mit dem gleichen Dilemma zurück: Die einen nicht unterstützen hilft per Definition dem Standpunkt der anderen. Verweigert man sich den USA, wirft man sich Russland um den Hals und umgekehrt.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass niemand wirklich weiss, was eine Intervention für Folgen haben wird. Darum sollten wir auch nicht so tun als ob wir die Antworten hätten. Die Forschung zum Thema zeigt keine klare Richtung (einen kleinen Überblick erhält man hier und hier [der zweite Link war falsch gesetzt. Am besten folgt man den vier Hyperlinks im ersten Satz hier]). Der wichtigste Unsicherheitsfaktor ist aber, dass man gar nicht weiss, wie eine solche Intervention aussehen wird (ich benutze hier bewusst ‘wird’ habe ich doch kaum Zweifel, dass sie kommen wird), was die Ziele sind, wie sie legitimiert wird (UN Sicherheitsrat oder nicht) und wer dabei ist. Aussagen über die Resultate einer Intervention sind sehr, sehr spekulativ zu diesem Zeitpunkt.
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