Genau da verlässt der Artikel von Sebastian Harmel auch die harten Fakten und begibt sich in das Land der Orks und Elben:
Eine Koalition der Willigen unter Führung der USA, Großbritanniens und Frankreichs bilden in der Türkei und Jordanien tausende Kämpfer für den Krieg aus und liefern Waffen. Warum tun sie das? Ein Regimewechsel, oder schon alleine das Stiften von Chaos, wie es auch schon in Libyen angewandt wurde, kann den Zugang des Westens zu den Märkten und Rohstoffen des Landes verbessern. Erdöl wird als Energieträger von Ergas [sic] abgelöst werden. Es befinden sich umfangreiche Erdgasfelder vor der syrischen Mittelmeerküste. Außerdem ermöglicht es den Eingreifenden Militärbasen zu errichten und so dauerhaft einen geostrategischen Fußabdruck zu hinterlassen.
Waffenschieber, Geopolitik und Erdöl als das Schmiermittel der Internationalen Beziehungen. Obwohl ich die letzten sechzehn Jahre mit dem Studium von internationaler Politik verbracht habe, habe ich trotzdem noch nicht dieses Mass an Zynismus erreicht. Vielleicht weil ich naiv bin und es dies erträglicher macht (eine ernste Überlegung). Vielleicht aber auch weil politische Entscheide oft doch sehr viel vielschichtiger sind als wir es wahrhaben wollen. Wenn dies die alleinigen Ziele wären (und ich bestreite nicht, dass es einflussreiche Menschen gibt, die genau die verfolgen) warum erst jetzt? Hätte es inzwischen bei wohl 100’000 Toten nicht auch eine gute Ausrede gegeben? Wäre nicht spätestens als man merkte, dass Assad militärisch wieder die Oberhand gewinnt, ein besserer Moment zum Eingreifen gewesen um diese Ziele zu verfolgen? Warum hat man nicht schon vor dem Bürgerkrieg diese Strategie aktiver verfolgt? Wie erklärt man sich, dass die Franzosen plötzlich enthusiastische Partner der USA sind, obwohl sie sich sonst als geostrategische Konkurrenten sehen? Warum scheint nun Grossbritannien doch nicht mitmachen zu wollen? Warum ist es dann so unwahrscheinlich, dass ein Abgang von Assad ein militärisches Ziel einer Intervention sein wird? Und um einen Realitätscheck mit einem historischen typisch der US Ölsucht zugeordneten Krieges zu machen: Hätten die US beim Paradebeispiel eines vermeintlichen “Ölkrieges” (also im Irak) die Sache nicht ein bisschen besser in die Gänge bringen können, wäre es ihnen nur ums Öl gegangen?
Warum wollen die USA also intervenieren, mag man sich fragen. Ich habe auch keine Antwort aber es ist wohl wie so oft ein bunter Strauss an Motivationen. Um Assad vor weiterer Verwendung von Chemiewaffen abzuschrecken (ob das eine Priorität sein soll, ist nochmals ein anderes Thema). Um Assad zu schwächen. Um militärisch die Glaubwürdigkeit zu bewahren, da man die Benutzung von C-Waffen als “rote Linie” deklariert hat. Um die Russen zu ärgern. Der eine oder andere stellt wohl auch Überlegungen wie jene im Zitat an. Ich bezweifle aber, dass dies die treibende Kraft dahinter ist. Auch wenn es ausgezeichnet einigen Klischees entspricht.
Eine gross Gefahr von diesem Fokus auf Interessen und Gewinn ist ausserdem, dass man die Welt genau so beschreibt, wie jene, die sie zu ihrem zynischen Spielplatz machen. Die Russen, die teilweise auf dem Buckel der syrischen Zivilbevölkerung ihr Schachspiel durchziehen. Politkerinnen und Politiker in den USA, die tatsächlich meinen, dass Erdöl das einzige zu betrachtende Kriterium sei. Im schlimmsten Fall führt es auch zu amoralischen (um es vorbeugend festzuhalten: ich habe “amoralisch” geschrieben, nicht “un-“!) Analysen wie diese hier, die zum Schluss kommt, dass eine ewiges Gleichgewicht der Kräfte in Syrien im besten Interesse der USA ist. Wenn dies die Realität ist, dann ist diese Sichtweise natürlich legitim. Falls nicht, muss man vorsichtig sein, nicht genau dadurch jene Welt zu konstruieren, die man gar nicht will.
Nun wird sich so mancher, der bis hierher mitgelesen hat, sich fragen, ob ich den auch etwas konkretes vorzuschlagen hätte, oder ob ich mich auf Sonntagsreden beschränke. Ich muss gestehen, ich bin tatsächlich etwas am Ende meines Lateins. Ich halte es für unglaubwürdig und kontraproduktiv eine internationale Norm (Schutz der Zivilbevölkerung) mit dem Bruch einer anderen (Gewaltanwendung ohne Selbstverteidigung oder UN Sicherheitsratsresolution) zu schützen. Ich glaube aber auch, dass die diplomatischen Anstrengungen der letzten Monate zu nichts führten und habe das Gefühl, das etwas getan werden muss.
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