Ich glaube eine Intervention wäre dieses “etwas”. Auch wenn diese aus den falschen Gründen stattfindet, aber die richtigen Resultate zeigt, finde ich es akzeptabel. Ein bisschen dreckiger Pragmatismus ist meines Erachtens leider unvermeidlich. Das Problem ist jedoch, dass dieser zumindest völkerrechtlich legitimiert sein sollte. Es kann nicht sein, dass sich ein paar wenige westliche Staaten zu Durchsetzern von internatonalen Normen aufschwingen. Und sie müsste ein klares militärischen Ziel haben, das über “Assad einmal auf die Finger hauen” ausgeht. Dies sieht im Moment sehr unwahrscheinlich aus.
Es wird also voraussichtlich Militärschläge geben (vermutlich ein paar gezielte Schläge mit Marschflugkörpern). Vielleicht wird sogar die Bewegungsfreiheit von Assads Truppen eingeschränkt, zum Beispiel mit einer Flugverbotszone. All dies wird aber den Konflikt nicht beenden. Aber selbst wenn man Assad von der Macht entfernen würde, sehe ich nicht, wie kurz- und mittelfristig ein stabiles Syrien daraus entstehen könnte. Wenn nichts unternommen wird, geht das Schlachten ebenfalls weiter. Ich gebe zu, meine Sicht ist sehr pessimistisch. Aber ich gebe eben nicht vor Antworten zu haben, wo es eigentlich keine gibt. Bestimmte und absolute Moralposition erwecken nur den Anschein solche Antworten zu liefern.
Dies bringt mich zurück zu den drei Handlungsschwerpunkten, die Sebastian Harmel als Massnahmen vorschlägt. Gegen die erste Gruppe (“Mehr Menschlichkeit durchsetzen”) gibt es nichts einzuwenden. Ich unterstütze diese voll. Das Problem ist jedoch, das sie nichts an der Situation in Syrien ändern und darum uns nicht von dem moralischen Dilemma befreien. Die zweite Gruppe (“Den Sumpf des Krieges austrocknen”) basiert auf moralisch absoluten Ansprüchen, die nicht so einfach umzusetzen sind. Man könnte über Rüstungsexporte diskutieren, aber auch dort gibt es eine beträchtliche Grauzone (Stichwort: z.B. Dual Use Güter). Abgesehen davon, macht gerade Syrien meines Wissens sein Waffenshopping primär in Russland. Kooperationsverweigerung kann ein Land längerfristig mit weniger Einfluss zurücklassen und somit den zukünftigen aussenpolitischen Handlungsspielraum drastisch einschränken. Diplomatie, Netzwerke und Gesprächspartner sind aber zentral für eine effektive Aussenpolitik. Auch diese geforderten Massnahmen ändern natürlich überhaupt nichts an der aktuellen Situation in Syrien, aber erlauben es nach dem Pontius Pilatus Prinzip saubere Hände zu haben (die zum Beispiel Russland dann auch sicher gerne schütteln wird). Die dritte Serie von “Massnahmen” (“Befähigung zur Verhandlung ermöglichen”) ist eine List von lobenswerten diplomatischen Anstrengungen, die gemacht werden müssen und können, die jedoch und auch das muss man einsehen, seit die Krise begonnen hat, auf keinen grünen Zweig geführt haben.
Aus diesen Gründen finde ich die Argumentation in dem Artikel nicht so durchschlagend, wie die vielen Leseempfehlungen es suggerierten, die gestern über meinen Bildschirm flimmerten. Er bietet zwar klare (und sympathische) Lösungen, die aber weder effektiv sind, noch der Problematik wirklich gerecht werden. So gesehen hat Sebastian Harmel eben auch nicht mehr zu bieten als ich: Hoffen, dass doch noch irgendwer unerwartet zur Vernunft kommt.
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