Bei Blood’n’Acid war ich in eine Diskussion verwickelt, in der es darum ging, wie durch Bigotterie motivierte Religionskritik von legitimer unterschieden werden kann. Der Stein des Anstosses war ein eingebettetes Video. Es war ein Clip von Pat Condell, ein Mann der meines Erachtens deutlich auf der falschen Seite dieser Trennlinie steht. Man forderte Belege für meinen Vorwurf. Die Zitate die ich dann lieferte, wurden jedoch von den meisten nicht als ausreichender Beleg akzeptiert. Dies entspringt im besten Fall einer bedenklichen politischen Naivität, im schlimmsten Fall ist es einfach unehrlich. Der Grund sind sogenannte politische Dog Whistles (Hundepfeifen) die einfach ingoriert werde.
Der Begriff bezeichnet einen politischen Code. Es werden Dinge gesagt, die ein klares Signal an eine bestimmte Gruppe aussenden, welches zumindest theoretisch, von anderen nicht gehört wird. So kann man gesellschaftlich eigentlich verpönte Positionen einnehmen. Insider verstehen sofort was gemeint ist. Für alle anderen hat man was in Geheimdienstkreisen als plausible deniability (Möglichkeit zur plausiblen Leugnung) bezeichnet wird, selbst wenn sie den Ton trotzdem wahrgenommen haben.
In der eingangs erwähnten Diskussion wurde ich wiederholt darauf hingewiesen, dass Condell nichts explizit rassistisches oder xenophobes sagen würde. Darum könne ich meinen Vorwurf nicht belegen.
Es stimmt natürlich, dass die gewollte Ambiguität von Dog Whistles ideal ist, um sich dahinter zu verstecken. Man könnte auch bei einer Hundepfeife argumentieren, da man keinen Ton hört, könne wir auch nicht sicher sein, dass ein Ton rauskommt. Der Hund kommt zwar gerannt, aber vielleicht reagiert er auf andere Signale. Wenn dies der Massstab ist, dann gibt es heutzutage wohl (fast) keine Xenophobie und Rassismus mehr. So findet sich zum Beispiel auch auf der Webseite der NPD folgendes unter den FAQs (eine Verlinkung gönne ich ihnen nicht, aber wer muss, findet diese einfach):
Nein, wir sind keine ausländerfeindliche, sondern eine einwanderungsfeindliche Partei. Gegen Türken in der Türkei haben wir nichts. Aber wir wenden uns entschieden gegen Einwanderung, Überfremdung und Landraub in Deutschland. Dies ist unser Land.
Wir sind in allererster Linie eine inländerfreundliche Partei. Deutschland hat das Land der Deutschen zu bleiben, weshalb wir vor allem einwanderungsfeindlich sind. Gegen Nichtdeutsche in ihren Heimatländern hat hingegen keiner von uns etwas.
Ich nehme einmal an, dass dies die meisten Leserinnen und Leser hier nicht vom noblen Weltbild des typischen NPD Mitglieds überzeugen wird. “Deutschland den Deutschen” wird in der Regel nicht von humanitär motivierten angeführt. Beispiele für solche rhetorischen Rückversicherungen gibt es zu Hauf quer durch das politische Spektrum. Beispiele dafür wäre Antisemitismus der sich hinter der Kritik an Israel versteckt, die Abtreibungsgegnerschaft in den USA, die gegen das “verfassen von Gesetze von der Richterbank” poltern (legislating from the bench) oder die in letzter Zeit in Mode gekommenen willkürliche Begriffspaarung des “judeo-christlichen Erbes”.
Es gibt natürlich subtilere Formen solcher Dog Whistles und es ist tatsächlich nicht immer klar, was die genaue Motivation ist. Es kann sogar sein, dass jemand solche Töne unbewusst benutzt. Aber das ist eigentlich egal. Wer sich nicht hoffnungslose politische Naivität vorwerfen lassen will, oder in den nicht in den Verdacht kommen möchte, für gewisse Ideen Sympathien zu hegen, muss vorsichtig sein, solche Hundepfeifen nicht zu benutzten.
Das kann man mögen oder nicht, aber der Kontext kann nicht einfach zum Verschwinden gebracht werden. Ein extremes Beispiel wäre die Swastika. Eigentlich ein altes Sonnensymbol, kann dessen Verwendung in einem Westeuropäischen Kontext fast unmöglich nicht als politisches Statement verstanden werden. Ganz egal was die tatsächliche Absicht dahinter ist (wie auch zu einem NATO Gipfel in Lettland Strickerinnen erfahren mussten). Das kann man mögen oder nicht, aber einen Freipass zu dessen unverdächtigen Verwendung ist die eigne Naivität eben nicht.
Wenn also Pat Condell über die English Defence League sagt
I went to their website and read it quite carefully, looking for racism and fascism of course, because the media keep telling me that they are far right, but, well, I’m a little puzzled because I can find is a healthy regard for human rights, democracy and the rule of law. Not a whiff of racism or fascism and not a whiff of far right politics of any kind.
Ich besuchte deren Webseite und habe diese ziemlich sorgfältig gelesen. Natürlich suchte ich nach Anzeichen von Rassimus oder Faschismus, weil die Medien unentwegt mir die ganze Zeit sagen, sie seien extrem rechts. Nun bin ich etwas erstaunt, weil was ich vorfand war ein gesunder Respekt für Menschenrechte, Demokratie und den Rechtsstaat. Nicht ein Hauch von Rassismus oder Faschismus und nicht ein Hauch von rechts-aussen Politik irgend einer Art.
dann ist er entweder politisch so uninformiert, dass man sich fragen muss, warum ihn überhaupt jemand ernst nimmt, politisch unglaublich naiv, dass er die EDL einfach beim Wort ihrer Webseite nimmt oder aber ein Manipulator, der damit signalisiert wo er steht und für die Kritikerinnen auf den expliziten Wortlaut der EDL Webseite verweiset. Die die richtigen Töne hören sollen, werden sie schon hören.
P.S.: Auf Grund der Probleme von Scienceblogs der letzten Wochen ziehen wir auf einen anderen Server um. Ab Mitternacht heute gibt es keine Garantie, dass eure Kommentare im System gespeichert werden. Ich werde versuchen hier per Kommentar Entwarnung zu geben, so bald wir wieder grünes Licht kriegen.
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