Als die grossen Plagiatsdiskussionen um die Doktorarbeiten diverser Politikerinnen und Politiker tobten, habe ich hier und viele andere Wissenschaftsbloggerinnen und -blogger klar Stellung bezogen: Quellen sind immer anzugeben, Zitate klar zu kennzeichnen. Ausreden zu gutem Willen (Chatzimarkakis) , angeblich geänderter Praxis (Schavan) oder schlicht Überforderung (Guttenberg) können nicht gelten, weil es sich um eine wichtige Grundlage wissenschaftlichen Arbeitens handelt. Deshalb war ich etwas irritiert, auf diesem Portal Texte und Passagen zu finden, die ohne Quellenangabe als Blogposts reproduziert wurden.
Was in den meisten hitzigen Diskussionsthread irgendwann einmal betont wird, gilt natürlich auch hier: Dies sind Blogs, keine wissenschaftlichen Artikel. Darum gelten auch nicht die genau gleichen Regeln. Auch ich befolge schliesslich nicht immer die strenge Form der wissenschaftlichen Zitierregeln wenn ich einen Blogpost schreibe. Gleichzeitig steht es für mich ausser Frage, dass ich das Grundprinzip auch hier anwende: Wörtliche Übernahmen müssen in Anführungs- und Schlusszeichen hervorgehoben (oder eingezogen) werden und wenn ich Ideen von anderen übernehme oder mich davon inspirieren lasse, dann gebe ich das an.
Stein des Anstosses sind ein paar Einträge beim Nachbarsblog von Helga Kleisny Flug und Zeit. Es ist anderen Sciencebloggerkollegen hier aufgefallen, dass es bei Flug und Zeit Einträge gibt, die einfach mehr oder weniger Pressemitteilungen wiedergeben:
Beispiel 1: Pressemeldung und Flug und Zeit
Beispiel 2: Pressemeldung und Flug und Zeit
Beispiel 3: Pressemeldung und Flug und Zeit
Nun kann man sich über Sinn und Zweck streiten, einfach leicht oder gar nicht bearbeitete Pressemitteilungen auf einem Wissenschaftsblogportal zu veröffentlichen. Ich halte nicht sehr viel davon, aber wir sind hier alle frei zu bloggen was wir wollen und es zwingt mich niemand zum Lesen. Wäre diese Praxis verbreitet auf Scienceblogs.de, müsste ich mir vielleicht einmal die Frage stellen, ob ich hier wirklich am richtigen Ort bin. Das ist aber nicht der Fall und es soll hier nicht darum gehen, anderen zu sagen, welche Inhalte sie wie zu verbloggen haben. Es geht um in meinen Augen etwas grundsätzlicheres.
Da es sich bei den übernommen Texte um Pressemitteilungen handelt (alle vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt) ist die Übernahme wohl nach journalistischen Standards kein Plagiat, auch wenn es in einem wissenschaftlichen Text ebenfalls klar unzulässig wäre. Eine Pressemitteliung wird tatsächlich verfasst, in der Hoffnung, dass die Medien ihn aufgreifen und möglichst die Story erzählen, die die Medienabteilung damit zu verbreiten wünscht. Es droht also wohl nicht gleich der neunte Kreis der Hölle, aber zumindest ist diese Praxis auch im Journalismus (offiziell) verpönt. Artikel 3.1 des deutschen Pressekodex meint dazu (diesen Hinweis verdanke ich übrigens einem Scienceblogkollegen und Journalisten):
Richtlinie 1.3 – Pressemitteilungen
Pressemitteilungen müssen als solche gekennzeichnet werden, wenn sie ohne Bearbeitung durch die Redaktion veröffentlicht werden.
Implizit bestätigt auch Helga Kleisny dieses Prinzip, wenn sie in einem Kommentar auf den Vorwurf einer übernommenen Pressemeldung antwortet:
Dass die (Original) Quelle das DLR ist, sollt auch für einen Blinden ersichtlich sein. Seit wann bin ich verpflichtet, explizit eine Quelle in einem Blog anzugeben?
Es kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass Helga Kleisny diese Pressemitteilung sogar selber verfasst hat (eine entsprechende Stellungnahme war leider nicht zu erhalten). Dann stellt sich meines Erachtens aber auch die Frage eines Interessenkonflikts, wenn das Blog als Kanal zur Verbreitung der eigenen Pressemitteilungen verwendet wird ohne dies klar zu deklarieren. Es handelt sich hierbei wiederum nicht um eine inhaltliche Kritik, sondern es ginge mir in diesem Fall um den Mangel an Transparenz.
Ich befürchte aber, dass es nicht nur um Pressemitteilungen geht und die Meinungsverschiedenheiten fundamentaler Natur sind. Dieser Text bei Flug und Zeit über den Absturz der russischen Maschine diesen Monat besteht aus mehreren übersetzten Fragmenten dieses Artikels. Weiter unten wird sogar auf Englisch ein Abschnitt wörtlich wiedergegeben. Der bezieht sich zwar auf eine Pressemeldung, aber auch hier fehlt die Angabe zur Sekundärquelle. Es scheint mir zumindest ein Gebot der Vorsicht bei jeder Recherche, dass Zitieren von Zitiertem mit einer Quellenangabe versehen werden sollte, hat man die Originalquelle nicht zur Hand. Viele der Sätze im Eintrag können natürlich zufällig auf Deutsch gleich geschrieben worden sein und sind nicht zwangsläufig direkte Übersetzungen. In Anbetracht, dass der erste Abschnitt in der Struktur genau dem ersten im Artikel folgt, bleiben zumindest gewisse Zweifel wohl berechtigt.
Mein Position bezüglich Quellenangaben ist relativ klar. Ich halte es für unethisch Texte im Blog, für den man mit dem eigenen Namen als Autorin/Autor steht, zu übernehmen und die Quelle nicht anzugeben. Selbst wenn man sich nicht an in der Wissenschaft üblichen Regeln halten möchte, müsste in meinen Augen zumindest ein Link gesetzt werden. Wenn ich ein Blog lese, gehe ich davon aus, dass die Person deren Foto rechts steht, auch die Verfasserin respektive der Verfasser der Zeilen ist und falls nicht, dieses für mich klar erkenntlich ist. Ich würde die wohl rhetorisch gemeinte Frage “[s]eit wann bin ich verpflichtet, explizit eine Quelle in einem Blog anzugeben” von Helga Kleisny mit einem “seit es Regeln zur Quellangabe gibt” beantworten.
Nun mag es vielleicht einige Leserinnen und Leser überraschen, dass ich hier einer Bloggerkollegin öffentlich “in den Rücken falle.” Ich tue dies sehr ungern. Der Dialog wurde zuerst durchaus intern gesucht. Leider kam er nicht zustande. Ich weiss, dass ich nicht der einzige bin, der sich an der geschilderten Praxis stört und sie für inakzeptabel hält (ich bin mir sicher der eine oder andere wird sich hier in den Kommentaren zu Wort melden). Da so nur die beiden Möglichkeiten bestehen, die Kröte zu schlucken oder eine öffentliche Diskussion zu führen, habe ich mich etwas widerwillig für zweites entschieden. Einerseits will ich nicht warten, bis jemand anders darauf hinweist (vielleicht sogar auf klarere Plagiate) und wir uns dann rechtfertigen müssen, dies gewusst zu haben. Anderseits und fast noch wichtiger geht es auch darum, was ihr, liebe Leserinnen und Leser, erwarten dürft, wenn ihr scienceblogs.de in der Adressleiste eures Browser eingibt. Und darum möchte ich hier einen Dialog mit euch darüber starten. Bestimmt gibt es auch Leserinnen und Leser von Flug und Zeit, die auch hier ab und zu reinschauen.
Was ich also hier gerne zur Diskussion stellen sind unter anderem folgende Fragen:
- Gelten für Blogs eurer Meinung nach andere Regeln was die Quellenangabe betrifft, als bei journalistischen Texten (und da wiederum als bei wissenschaftlichen)? Falls ja welche?
- Ist es in Ordnung in einem Blogpost ganze oder leicht bearbeitet Pressemeldungen zu übernehmen ohne dies explizit zu Kennzeichnen oder zu verlinken? Falls ja, wie weit muss eine solche Pressemitteilung bearbeitet sein, bis eine Übernahme ohne Quellenangabe erfolgen kann?
- Im vierten Beispiel oben (Flugzeugabsturz in Russland), wurde der Text genügend bearbeitet respektive handelt es sich bei den vorwiegend technischen Daten um einen so generischen Textbaustein, dass er a) nicht als Plagiat zu gelten hat und b) kein Quellennachweis mehr benötigt wird?
- Gesetzt Bloggerinnen und Blogger sind völlig frei von redaktionellen Eingriffen (was bei uns zum Glück der Fall ist): Handelt es sich um einen solchen, wenn in den obigen vier Beispielen als Minimum das Setzen eine Links verlangt wird? Gibt es da einen Unterschied zwischen den zur Veröffentlichung bestimmten Pressemitteilungen und dem vierten Text?
Wie erwähnt für mich sind die fehlenden Quellenangaben eine Verletzung grundsätzlicher Blog-Ethik (und sind auf Wissenschaftsblogs besonders schwerwiegend). Nun habe ich in den Diskussionen auch gemerkt, dass diese Sicht stark von meinen Erfahrungen mit akademischer Arbeit geprägt ist. So wie ich bei den Copy-Paste Politikerinnen und Politiker darauf beharrt habe, dass dies nicht nach dem Massstab vom Volksgefühl betreffend Hausaufgaben beurteilt werden darf, bin ich hier bereit, mich davon überzeugen zu lassen, dass es beim Bloggen vielleicht der Umgang mit Quellenangaben lockerer sein darf (wohlgemerkt: sein darf nicht unbedingt ist). Bin ich vielleicht zu empfindlich? Versuche ich eigene, zu hohe Massstäbe anderen aufzuzwingen oder wurden grundsätzliche Regeln der Zunft verletzt?
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