Mein Eintrag Afrika ist ein grosses Land von letztem September hat ein erstaunlich langes Leben. Der vorläufig letzte Kommentar wurde dort gestern hinterlassen. Trotzdem wollte niemand die TV Referenz zu West Wing kommentieren. Darum hier eine Fallstudie zum dort beschriebenen Problem. Dieses mal aber mit Downton Abbey Bezug.

Keine Sorge, es wird nicht um die Serie gehen. Das wäre auch nicht sehr weise von mir, habe ich doch selbst (noch) keine Folge gesehen. Ich wäre ebenso ein Opfer von allfälligen Spoilern, wie alle anderen diesbezüglich noch unbefleckten. Downton Abbey ist auch nur der Köder hier. Vielmehr geht es um Elizabeth McGovern (eine gewisse Lady Cora in der Serie) und um die Risiken und Nebenwirkungen von Stars als Entwicklungshelferinnen – und helfer.

Der Artikel aus dem Telegraph um den es hier geht, ist schon über einen Monat alt. Ich wurde aber erst vor kurzem darauf aufmerksam gemacht. Er erzählt wie sich McGovern auf die gesponserte Reise macht, um mit ihrem Ruhm Kinder in Sierra Leone zu retten. Nun muss ich ehrlich sagen, auch nach wiederholtem Lesen ist mir nicht klar, ob der Verfasser (Jake Wallis Simons) hier eine furchtbar naive und wohl zumindest in gewissen Belangen etwas einfach gestrickte Schauspielerin vorführt, oder ob er selbst auch nicht merkt, wie viele Klischees er in seinem eher bizarren Stück Journalismus wie an einer Perlenkette aufreiht. Ich tendiere nach kurzer Recherche und aufgrund gewisser Passagen leider zu letzterem, habe aber nach wie vor Zweifel (die vielleicht meiner eigenen Naivität geschuldet sind). Vielleicht habt ihr etwas erhellendes zu dieser Frage in den Kommentaren beizutragen.

Was ist nun so schlimm? McGovern meint es ja gut. World Vision, das Hilfswerk um das es geht, wohl auch.1 Stars eigenen sich natürlich um die Hilfskassen klingeln zu lassen. Das mag man gut finden oder nicht, will man Geld für die eigenen Anliegen sammeln können, müssen halt oft Kompromisse eingegangen werden. Dafür ein bekanntes Gesicht einzuspannen scheint einer der weniger schmerzhaften zu sein (Beleg: Einige werden nur bis hierher gelesen haben, weil Downton Abbey im Titel stand). Diese Story zeigt aber , wie dieses Gesicht plötzlich zu einer Grimasse verziehen kann. Sie steht dann plötzlich für kolonial anmutender Hilfe von Oben herab. Nicht nur kommt die dafür eingespannte Schauspielerin schlecht weg, sondern ebenso das Hilfswerk (und wie ich vermute in diesem Fall auch der Journalist). Darauf gibt primär zwei Reaktionen: Jene die merken wie falsch das ist, ziehen sich auf eine zynische Position zurück (ich halte hier schon einmal meine Hand hoch). Jene, die nichts merken wollen, sehen eben ihr Klischee, das sie für Afrika halten, auf der ganzen Linie bestätigt.

Hier ein paar Highlights aus dem Artikel:

Obwohl es darum gehen sollte Aufmerksamkeit auf humanitäre Hilfe zu lenken, muss man sich zuerst durch rund ein Dutzend Abschnitte des üblichen Sternchenkrams und TV-Besprechungsgeplappper kämpfen. Man philosophiert über Woody Allen und Sex mit Brad Pitt. “Afrika” kann hier bestenfalls auf einen Preis für die beste Nebenrolle hoffen.

McGovern meint, sie sei in Darfur als die Maschine in Dakar zwischenlandet. Die Anstandsdame die World Vision McGovern zur Seite gestellt hat, scheint nicht sehr effektiv zu sein. Weder in ihren Briefings von ihrem Schützling, noch im Sicherstellen, dass die richtige Botschaft raus geht. Am schlimmsten ist aber der Verdacht, dass es gar niemandem wirklich auffällt. Dakar oder Sudan, wo liegt da der Unterschied. Afrika ist Afrika.

Der Autor bekennt meines Erachtens Farbe wenn er behauptet, dass World Vision das “grösste Hilfswerk ist, von dem ihr noch nie gehört habt” (World Vision is the biggest charity you’ve never heard of). Entweder hält er mich als Leser für uninformiert oder aber er reflektiert seine eigene Ahnungslosigkeit nach Aussen. Vielleicht sollte man dann nicht über humanitäre Hilfe schreiben, wenn man mehr über Brad Pitt und Woody Allen weiss.2

McGovern gibt freimütig zu, nichts von der christlichen Ausrichtung ihres Auftraggebers gewusst zu haben. Wer weiss, vielleicht googeln Stars nicht. Aber sie befand dann, dass “unterm Strich” World Vision “viel Gutes, für viele Menschen” tun würde. Unter anderem zum Beispiel ein Album und eine Tour ihrer Band mit 28’000 GBP zu unterstützen (hier hat man wieder das Gefühl, der Autor will McGovern einfach auflaufen lassen).

Aber dann wird es richtig erheiternd. Hier ein bisschen O-Ton von McGovern, wie sie im Artikel zitiert wird. Zuerst zum Thema Ernährung:

Their food must be so healthy. You don’t see all those crap chains and stuff. But I guess that will change as the country gets more modern. It’s like a holiday. I feel a bit guilty.

“Ihre Nahrung muss so gesund sein. Man sieht nicht alle diese miesen Ketten und so ein Zeugs. Aber ich vermute das wird sich ändern, wenn das Land sich moderniert. Es ist ein bisschen wie Urlaub für mich. I fühle mich etwas schuldig”

Dann Einsichten zum Kopulationsverhalten in anderen Kulturen:

“I get the impression that in Africa people have sex far more freely than we do back home.”

“Ich habe den Eindruck, dass in Afrika die Menschen viel freier Sex haben als wir bei uns.”

Weisheiten, die verblassen und ein Schmunzeln das vergeht bei der erschreckend simplistischen Kritik von Frauendiskriminierung (inklusive weiblicher Genitalverstümmelung):

“You see certain cultures where there’s just endemic cruelty to women. I wonder if World Vision would take on the problem of women wearing the burka? And that clitoris thing is awful.”

“Sehen Sie, in gewissen Kulturen sind Grausamkeiten gegen Frauen endemisch. Ich frage mich ob World Vision bereit wäre, das Problem von Frauen die Burka tragen afuzugreifen? Und diese Klitoris Sache ist schrecklich.”

Aber keine Sorge. McGovern ist nicht nur mit ihrer Analyse und sonst mit leeren Händen nach Sierra Leone gereist. Sie bringt ihrem World Vision Patenkind auch etwas mit: Ein Springseil, Seifenblasen und einen Gummiball. Sie kriegt dafür Kokosnüsse und zwei lebende Hühner. Alles in allem ein gutes Geschäft für McGovern, würde ich sagen.

Leider gibt es dann noch einen tragischen Zwischenfall während des Besuches. McGoverns iPhone fällt in die Toilette. Zum Glück hat sie inzwischen vergessen, dass sie in einem der ärmsten Länder der Welt ist, und bittet um Reis um das Telefon darin einzulegen. Reis wird als Nahrungsmittel völlig überschätzt vor allem in armen Ländern. Wer isst schon Reis. Das Zeugs ist eh viel zu trocken. Der Rettungsversuch ist natürlich erfolglos. Also musste der Rest der Reise ohne Twitter-Updates von statten gehen. Aber was nimmt man nicht alles auf sich, für eine gute Tat.

Es geht hier keinesfalls darum, mit dem Finger auf eine Schauspielerin zu zeigen, die sich offensichtlich für etwas hat einspannen lassen, das jenseits ihres Verständnishorizonts lag. Als “Botschafterin” hat sie sich zwar einen gewissen Hohn durchaus verdient. Noch mehr zeigt aber diese Geschichte, wie Afrika immer wieder auf dem Hintergrund allgemeiner Ignoranz als Klischee konstruiert wird. Wie humanitäre Organisationen einen beträchtlichen Teil dazu beitragen, weil man mit einem Downton Abbey Star halt mehr Geld rein kriegt als mit guter und effektiver humanitärer Arbeit. Es zeigt auch wie die Medien dabei Komplizen sind. Denn egal ob der Journalist wusste was er tut oder nicht, die Kommentare lassen vermuten, dass es den wenigsten aufgefallen ist, wie haarsträubend die Story ist. Das freundlichste Urteil ist, dass er sein Publikum schlecht kennt und an diesem vorbeischreibt. Nichts, dass man sich in den Lebenslauf schreiben möchte.

 
1 World Vision definiert sich klar als christliches Hilfswerk. Soweit ich weiss agieren die verschiedenen nationalen Ableger seit längerem autonom. Ich möchte darum meinerseits, das Fass von Problemen gar nicht erst aufmachen, die mit der religiösen Ausrichtung des Hilfswerks einhergehen. World Vision steht immer wieder in der Kritik unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe zu missionieren. Ich persönliche halte es auch für sehr problematisch bei der betreffenden Organisation, bin aber zu wenig mit der globalen Struktur vertraut, um hier dazu eine wirklich fundierte Diskussion führen zu können.
2 Ein Grund warum ich nie über Brad Pitt und Woody Allen schreibe.

Kommentare (7)

  1. #1 Hobbes
    Januar 28, 2014

    Es geht doch nichts über gute Absichten damit man ein schön ruhiges Gewissen haben kann.
    Zum Glück bin ich nicht in der Entwicklungshilfe tätig, sonst würde ich zu viel bekommen.

    Aber es ist ja eines der Hauptprobleme von Hilfe das diese sich an den Intentionen und nie am Erfolg misst.
    Drüben bei GeoGraffitico wurde in den Kommentaren ein Link gepostet über die wirtschaftliche Bejagung von Wildtieren. Ohne übertriebene Moral funktioniert auch Entwicklungshilfe weit besser. Leider sind die meisten Menschen aber nicht an Problemlösung interessiert sondern wollen nur ihr Gewissen beruhigen wenn sie spenden. Mein Lieblingsthema ist da immer noch PETA. Sämtliche bekannte von mir die dafür gespendet haben, spenden mittlerweile für den NABU. Die waren regelrecht schockiert, als ich denen mit einigen Fakten kam. Vorher war PETA einfach nur “die die den Tieren helfen”.

    Die, die wirklich an einer Verbesserung der Lage arbeiten stecken damit ja auch in einem riesigen Dilemma. Das was hilft ist nicht das was Geld gibt.

  2. #2 MJ
    Januar 28, 2014

    Zum Thema Internationale Hilfe ganz generell passt vielleicht die aktuelle, wiederentflammte Diskussion zwischen Jeffrey Sachs und William Easterly anlaesslich eines (negativen) Buches zu Sachs’ Millenium Villages. Easterly verspricht, dass die Fehde damit enden soll, hier sein letzter Beitrag mit Verweisen auf fruehere (Sachs’ inbegriffen):

    https://www.foreignpolicy.com/articles/2014/01/23/aid_amnesia

    Zum gleichen Thema, aber unabhanegig von der spezifischen Debatte hier Acemoglu/Robinson von vor ein paar Tagen:

    https://www.spectator.co.uk/features/9121361/why-aid-fails/

    Downton Abbey kenne ich auch nicht, aber Rebecca Schoenkopf schreibt “regelmaessig” “Recaps”, vielleicht reicht das. Hier der letzte:

    https://happynicetimepeople.com/downton-abbey-recap-coming-america/

  3. #3 Jürgen Schönstein
    Januar 29, 2014

    Es ist zwar ein bisschen verklausuliert, aber letztlich war es ein bezahlter Werbejob – das Geld (28.000 Pfund) floss zwar an Frau McGoverns Band, aber das ist letzlich auch nur eine Form der Bezahlung. Der Trip war vermutlich speziell für den Telegraph organisiert; es ist nicht ungewöhnlich, einem Medium so eine “Exklusivstory” zu servieren, die letztlich leichter zu kontrollieren ist (man muss nur einen Journalisten bearbeiten), aber dann dafür umso mehr zitiert wird.

    Das ändert natürlich nichts an der Peinlichkeit der Story, doch ich würde die Verantwortung dafür in vollem Umfang bei World Vision sehen. Ich denke mal, dass Frau McGovern einfach ein “Schnäppchen” war (28.000 Pfund, zuzüglich ein paar Tausend für den Trip, sind doch Kleingeld, im Vergleich zu dem, was Stars sonst kassieren); dass sie weder Ahnung von noch Beziehung zu dem Land und der Organisation hatte, für die sie hier eingespannt wurde, ist offensichtlich. Und für die paar Kröten kann man nicht erwarten, dass eine TV-Persönlichkeit – nein, ich meine das nicht ironisch oder sarkastisch, das ist wirklich nur Kleingeld für so einen Job – viel eigenen Aufwand investiert.

  4. #4 Georg Hoffmann
    Januar 29, 2014

    Sehr schoen.
    Ihr Beitrag zur Sexologie haengt ganz besonders in der Luft. Wie sie da nur drauf gekommen ist. So oder so gibt es natuerlich auch deutsche Experten des Liebeslebens in Schwarzafrika:
    Gloria von Thurn und Tazis:

    “Es passiert selten, aber Michel Friedman, der seinen Talkgästen gerne auf die Pelle rückt und sie in eine Art Kreuzverhör nimmt, blieb der Mund offen stehen. Gerade hatte die Fürstin die These aufgestellt, das Aids-Problem in Afrika sei durch Verhütung nicht zu lösen, denn: „der Schwarze schnackselt halt gerne!”.

    Mit so viel „Einfalt im Porzellanladen” (Tageszeitung) hatte Friedman nicht gerechnet. Er einigte sich – sichtlich kalt erwischt – mit der Fürstin schließlich auf den Mindeskonsens, dass da, wo das Wetter schön ist, besonders gerne geschnackselt werde. Ob schon Süddeutschland südlich des Schnacksel-Äquators liegt, blieb offen. Sex sei jedenfalls nicht zu „Jux und Dollerei” da, sondern zum Kinderkriegen, so die Fürstin.”

  5. #5 Wilhelm Leonhard Schuster
    Januar 29, 2014

    Je nu, Gloria is derweche nach Rengschburch ganga .
    Un “Jux un Dollerei” hat se oufangs do reichli boote.
    Erscht als se begriffe hat, wou der Bartel in Moscht hoult,
    hat se des Unernema ” Thurn und Taxis” ,
    das so mancher hat Aussaugen wollen, wieder auf Vordermann gebracht und wahrscheinlich auch gerettet.

    Schnaksel Äquator hin , Schnaksel Äquator her!

    Meinen Respekt der Fürstin!

  6. #6 MJ
    Januar 31, 2014

    Nachdem mir Acemoglu eine Million Euro pro Sekunde bezahlt, seine Artikel und Blogs zu verbreiten, hat nun endlich einer angebissen: Ken Opalo ueber den oben verlinkten Acemoglu/Robinson-Artikel (plus einem laengeren Kommentar ueber Dambisa Moyo im Kommentarteil):

    https://kenopalo.com/2014/01/28/let-them-have-good-institutions/

  7. #7 Wilhelm Leonhard Schuster
    Februar 6, 2014

    MJ könnte mich doch auch mit geringer Summe bedenken, wo doch mein Bruder in Afrika, in Kamerun 1939 gewesen ist und dort auch mit Sicherheit Vermögenswerte gelassen hat, die von irgend Jemandem beschlagnahmt worden sind.
    Irgend einer, hat mich übrigens dererwegen angeschrieben.
    Der hat aber anscheinend Vorschuß von mir haben wollen.
    Ich fürchte der halben, daß die Blütenträume des MJ
    das genannte Sekunden Honorar betreffend, aus den
    ” Weiten Afrikas” hergeholt sind und im Sande der riesigen Sahara unauffindbar, weil verweht werden.
    Salem Aleikum! (Ich weiß nicht wie man letzteres schreibt).