“Betteridges Gesetz” besagt, dass jede Schlagzeile, die mit einem Fragezeichen endet, mit dem Wort “Nein” beantwortet werden kann. Dieser Blogeintrag ist keine Ausnahme. Trotzdem kam mir genau diese Frage mehrmals auf Twitter unter die Nase. Zeit für ein paar klärende Worte.
Eigentlich bin ich der Meinung, dass man dieser Politclownfrau keine Plattform mehr geben sollte. Die republikanische Eintagsfliege hat uns mit ihrer Ahnungslosigkeit amüsiert und hat eigentlich jetzt keine zusätzliche Aufmerksamkeit mehr verdient. Aber da sie es ausnahmsweise geschafft hat, Menschen, die sonst eigentlich zur denkenden Kategorie gehören, zu Respektbekundungen zu bewegen, muss ich doch kurz darauf eingehen. Auf einer deutschsprachigen Blogplatform ist der relevante Schaden am öffentlichen politischen Diskurs in den USA sowieso gering.
Obwohl ein gutes Gedächtnis in der Regel nicht zu Palins Stärken gehört und sie bisher aussenpolitisch nur durch ihr Unwissen aufgefallen ist, hat sich Sarah Palin es sich nehmen lassen, auf Facebook uns alle daran zu erinnern, dass sie in einer Wahlkampfrede 2008 vor einem russischen Einmarsch in die Ukraine gewarnt hat. In diesem Eintrag schrieb sie über sich selber:
Here’s what this “stupid” “insipid woman” predicted back in 2008: “After the Russian Army invaded the nation of Georgia, Senator Obama’s reaction was one of indecision and moral equivalence, the kind of response that would only encourage Russia’s Putin to invade Ukraine next.”
Hier ist was die “dumme” “geistlose Frau” im Jahre 2008 vorausgesagt hat: “Nachdem die russische Armee das Land Georgien eingenommen hat, war die Reaktion von Senator Obama unentschieden und moralischer Äquivalenz, eine Antwort welche Russlands Putin nur dazu ermuntern wird, die Ukraine als nächstes anzugreifen.”
Wo soll ich da bloss beginnen?
Zuerst einmal fand ja nicht eine “Invasion der Ukraine” statt (wie auf Englisch zumindest suggeriert). Sondern “nur” eine der Krim. Eine Halbinsel mit schon existierender grosser russischer Militärpräsenz, ist strategisch ein ganz anderes Ziel und ist wohl auch taktisch eine andere Geschichte um sie militärisch zu halten. Genau da findet sich eine erste Trennlinie zwischen “plausibel” und “unwahrscheinlich”
Dann ist die vorgeschlagene Kausalität nicht wirklich was eingetroffen ist. In Georgien stiegen die Spannungen permanent an (vermutlich gezielt). Südossetien und Abchasien waren de facto schon vorher nicht mehr unter der Kontrolle der Zentralregierung und Russland hat die seperatistischen Bewegungen und seinen Einfluss in den beiden Provinzen schon immer als Chip auf dem politischen Pokertisch verwendet. Der Auslöser in der Ukraine waren hingegen die Instabilität und der plötzliche Regierungswechsel. Die “Voraussage” könnte also bezüglich des Auslösers sogar als falsch betrachtet werden. Ausser natürlich sie ist ganz allgemein gemeint. Wenn aber Russland wirklich Georgien brauchte um zu wissen, dass es so etwas tun kann und dann 6 Jahre brauchte, dann ist die Aussage einfach beliebig.
Genau so war sie wohl auch gemeint. Dass wer immer gerade für die Demokratische Partei im Rennen ist, schwächlich reagiert, nicht entschieden genug ist und die Schlagkraft der USA unglaubwürdig erscheinen lässt ist klassisches Repertoire aus jedem Wahlkampf der Grand Old Party. Einen solchen Standardvorwurf jetzt als aussenpolitische Voraussage für ein spezifisches Ereignis sechs Jahre später zu verkaufen, ist doch etwas frech.
Dazu kommt, dass Palin ziemlich sicher die Rede nicht geschrieben hat. Wenn wir uns an den Wahlkampf damals erinnern und das Desaster, das die “Ich-kann-Russland-von-meinem-Haus-aus-sehen”-Palin darstellte , kann man wohl fast mit Sicherheit sagen, dass ihre aussenpolitischen Beiträge und Analysen in der Kampagne vom Wahlkampfteam auf Null zurückgefahren wurden. In Anbetracht ihrer sonstigen Kenntnisse hat sie vermutlich bis vor ein paar Tagen nicht (mehr) gewusst, dass es ein Land namens Ukraine gibt, geschweige denn wo es liegt.
Das ganze erinnert mich stark an die bei Scharlatanen so beliebte Technik des “Cold Reading“. Man bleibt vage, lässt eine Schrotladung ab und dann stürzt man sich auf den Treffer. Den Rest besorgen dann unsere kognitiven Unzulänglichkeiten. So gesehen passt das alles sehr gut zu Palin.
Was mich aber besonders stört ist, dass sie keine Alternative anzubieten hat. Es ist einfach zu sagen, dass man Entschlossenheit zeigen und Stärke projizieren müsse, wenn man Aussenpolitik via Facebook Updates betreibt. Die meisten Gedankenspiele wie eine Resolute Antwort aussehen könnte, sind nämlich alles andere als eine gute Idee. Über das “wie” lässt uns das aussenpolitische Ausnahmetalent Sarah Palin natürlich wohlweislich im Dunkeln.
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