Seit dem Film WarGames wissen wir, dass zwischen uns und dem dritten Weltkrieg nur ein paar Partien Tic Tac Toe stehen. Ich stelle nun fest, dass dies vielleicht näher bei der Wahrheit liegt, als dass man auf den ersten Blick meinen könnte.

Es ist kein Geheimnis, dass ich mit Enthusiasmus Brettspiele spiele (gerade dieses Wochenende habe ich die Legenden von Andor getestet). Die Begeisterung ist zumindest auch teilweise eine fachliche und ich habe genau dazu auch schon zu Politikwissenschaft und Brettspielen einmal einen Beitrag geschrieben. Ich finde es interessant, wie Brettspiel mit ihren klaren Regeln und im Vergleich zur Realität auf eine gewisse Übersichtlichkeit reduzierte Komplexität, uns besser als manche ausgefeilte Simulation etwas über Taktik und strategische Interaktion lehren. In der neusten Ausgabe des Economist bin ich auf einen Artikel gestossen, der mir diese These bestätigt.

Anscheinend hat das Pentagon seit einer Weile das Organisieren von Brettspielabenden zur langen Liste seiner Aktivitäten hinzugefügt. Um strategisches Denken zu schärfen und realistische Simulationen und Planspiele durch zu gehen lässt das US Militär seine Kader Brettspiele spielen. Es handelt sich dabei ganz und gar nicht ausschliesslich um geheim entwickelte Simulationsspiele, die für Normalsterbliche verboten sind. Solche gibt es zwar auch, aber manche können von jederfrau und -man käuflich erworben werden (zum Beispiel dieser US Verlag Clash of Arms scheint alles für den Militär-Spiel Geek bereitzuhalten, von den militärischen Kampagnen des König Davids bis zu Schweinen im Weltall und Gnom Stammeskriegen).

Ich habe mir online eines der erwähnten Spiele etwas näher angeschaut und Besprechungen gelesen (hier wäre eine vom Foreign Policy Magazine): Das Spiel mit dem Titel Persian Incursion ist eine Simulation eines zeitgenössischen Konfliktes zwischen Israel und Iran. Mein Eindruck ist, dass es mit extrem detaillierten (aber deshalb wohl auch sehr realistischen) Daten zu Waffen, Schlagkraft und Zielen aufwartet. Die Anleitung mit entsprechenden Tabellen ist gemäss BoardGameGeek über 100 Seiten lang. Es scheint sich jedoch mehr an spielende Militärstrategiefans zu richten, als Spielerinnen und Spieler die sich am Rande auch für das Thema interessieren. Zumindest wirkt es, als ob der Spielmechanismus (was mir in der Regel wichtiger ist) erst an zweiter Stelle nach Detailtreue kommt. Ich wäre durchaus interessiert einmal vier Stunden zu investieren um die Erfahrung gemacht zu haben, ich glaube aber nicht, dass es ein Dauerbrenner in meinem Spieleschrank werden würde.

Es würde mich interessieren, ob Leserinnen oder Leser vielleicht schon Persian Incursion respektive ein anderes Spiel von Clash of Arms gespielt haben und was die Eindrücke waren? Oder kenne jemand gar ähnliche Spiele, die man als politische Simulation spielen könnte (wenn möglich etwas, das weniger als die 4+ Stunden von Diplomacy abverlangt)? Politische Entscheidungskomplexität sollte auf jeden Fall so auch realistisch nachzuahmen sein.

Eventuell könnte man ein solches Spiel zum Beispiel zur Ausbildung von Handelsdiplomatinnen und -diplomaten entwerfen. Ich stehe auf jeden Fall als Consultant und Testspieler zur Verfügung falls das jemand in Angriff nimmt.

Update I: Da sich eine erste Diskussion zum Thema auf Twitter entsponnen hat und diese einige Spieletipps beinhaltet, soll hier dieser Diskussionsstrang nachgeliefert werden.


 

Update II: Ebenfalls via Twitter kam dieser Link zu einem Artikel in der Washington Post rein. Auch sehr interessant (vielen Dank an @theIRBlog)

Kommentare (10)

  1. #1 Hobbes
    März 17, 2014

    Naja mir fällt da dann als erstes Risiko ein. Auch wenn das bezüglich Spielzeit locker mit Diplomacy mithalten kann. (Je nachdem nach welchen Regeln man spielt)
    Leute mit denen ich häufiger Risiko gespielt habe, verbünden sich mittlerweile fast durchgehend gegen mich, da ich in vergangenen Partien wohl nicht der vertragstreueste Partner war.
    Ansonsten haben die TotalWar-Serie oder Civilisation ja auch viel Potential in die Richtung. Auch wenn diese PC-Spiele eigentlich nur Aufbauspiele sind, sofern man diese nicht gegen Menschen spielt. Paradox hat da dann nochmal anspruchsvollere Titel auf der Liste. Allerdings sind das auch gerade was benötigte Spielzeit angeht wahre Kolosse.
    Strategisch interessant sind dann natürlich auch noch komplexere Kartenspiele wie Magic und auch vieles Andere was der ganze Fantasymarkt in die Richtung zu bieten hat. Leider kommen all diese Spiele mit sehr wenig Diplomatie aus da es fast immer um die Vernichtung des Gegners geht und eher selten alternative (am besten noch verdeckte) Ziele gibt.
    Diplomatisch am anspruchsvollsten finde ich da eigentlich immer noch gute Planspiele. Leider komme ich so gut wie nie dazu welche zu spielen.

  2. #2 ali
    März 17, 2014

    Da sich schon eine Diskussion auf Twitter dazu entwickelt hat, habe ich die relevanten Tweets mit Tipps und Reaktionen im Post eingefügt.

  3. #3 gizmo
    März 17, 2014

    legenden von andor? wir haben nicht mal das “einfache einführungsspiel” geschafft und wir sind spiele-erfahren

    welche stufe habt ihr geschafft?

  4. #4 ali
    März 17, 2014

    @gizmo

    Wir hatten nur Zeit für die erste Legende. Die haben wir ganz knapp im letztmöglichen Zug geschafft (dabei hatten wir schon alle Hoffnung fahren lassen).

  5. #5 ali
    März 17, 2014

    Bitte auch zweites Update beachten. Mit einem interessanten Link zur Washington Post zum Thema.

  6. #6 JB
    März 18, 2014

    nur halb ernst gemeinter Vorschlag: Junta
    Da habe ich gelernt, dass man weitaus besser fährt, wenn man kompromissbereit, vergebend und großzügig ist.

  7. #7 Dr. Webbaer
    März 18, 2014

    @ Hobbes :

    Leute mit denen ich häufiger Risiko gespielt habe, verbünden sich mittlerweile fast durchgehend gegen mich, da ich in vergangenen Partien wohl nicht der vertragstreueste Partner war.

    Ja, das böse Spiel Risiko, das wohl mittlerweile anders heißt, lol.
    Sie haben mit der N-Lateralität dieser Spiele, die Kooperationen betreffend, schon einen wichtigen Punkt angesprochen. N-Lateralität wird sehr schnell komplex (oder auch nicht, wenn Leute fraternisieren, lol), zur Theorie ist als Einstieg das Triell interessant, als Einstieg könnte der Artikel der bekannten Online-Enzyklopädie dienen oder dieser Artikel, der einen anderen Artikel vorzüglich aufspießt.

  8. #8 peer
    März 18, 2014

    Diplomatie aus der Schmidt-Spiele-Bar ist aus den 70ern und nicht mit Dilomacy verwand – aber es zeigt ganz gut, die Entwicklung zum 2. Weltkrieg mit wenig Regeln.
    Cold War von Victory Games ist aus den 80er Jahren und zeigt gut die Stellvertreterkriege der damaligen Zeit.
    Außerdem sei dir das Buch “Playing Politivs von Michael Laver ans Herrz gelegt (eines der Spiele findet man -achtung Werbung- auch in meinem Buch Jam Dudel

  9. […] könnte meinen, beim Economist liest man dieses Blog und meine Tweets. Passend zum letzten Eintrag  findet man einen Post bei Democracy in America, der schön an den Ideen dort anknüpft.Nach meinem […]

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    Dezember 27, 2018

    Kriegsspiele – zoon politikon
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