Man könnte meinen, beim Economist liest man dieses Blog und meine Tweets. Passend zum letzten Eintrag  findet man einen Post bei Democracy in America, der schön an den Ideen dort anknüpft.Nach meinem letzten Eintrag Kriegsspiele wurde in der Diskussion auf Twitter folgende Frage gestellt:


Heute findet sich nun per Zufall auf einem Blog des Economists ein Artikel, der diese Frage mit “Schach oder Monopoly” zu beantworten versucht. Diesen Ball nehme ich gerne auf und liefere meine eigene Antwort. Dazu möchte ich zuerst etwas ausholen.

Der Auslöser für die Spekulationen für Democracy in America war ein Artikel in der New York Times in dem der Wirtschaftsprofessor Tyler Cowen der George Mason Universtität darüber sinniert, was uns Spieltheorie über den Konflikt um die Krim verrät. Er zählt vier spieltheoretische Aspekte auf:

  • Nukleare Abschreckung
  • Tipping Points
  • Marktbedingte Abschreckung
  • Glaubwürdigkeit und Konsequenzen

Wenn Interesse besteht, können wir diese Punkte separat diskutieren. Hier soll es zuerst darum gehen, was der Economist daraus macht. Die Bloggerin/der Blogger ergänzt nämlich die Diskussion unter anderem mit der Argumentation, dass das gespielte Spiel nicht symmetrisch sei. Das heisst, die Präferenzen und Prioritäten von Russland und jene der NATO Staaten respektive der Ukraine nicht einfach “gespiegelt” seien. Um dies mit “echten” Spielen zu verdeutlichen, fragt der Blogpost, welchem Spiel diese Situation zuzuordnen ist. Es handle sich um ein Spiel wo eine Seite Monopoly und die andere Schach spielen würde. Dieser Vergleich ist meines Erachtens etwas verwirrend. Ich würde die Situation eher mit einem Schachspiel vergleichen, bei dem eine Seite versucht als Ziel den König Matt zu setzen und die andere die Dame. Dies ist für die Spieltheorie an und für sich kein grosses Problem. Auch ein Schachspiel kann so gespielt werden.

Eine wichtige Frage für die Dynamik eines solchen Alternativ-Schaches ist, ob die Spielenden sich der unterschiedlichen Zielsetzung der anderen Farbe bewusst sind. Wie im Artikel richtig bemerkt, ist Schach vom Konzept her simpel: Wenn eine Seite gewinnt, verliert die andere (ein Nullsummensipiel also). In unserem Alternativschach können wir uns jedoch Situationen vorstellen, wo beide Seiten ihr Ziel erreichen, d.h. wo mit dem letzten Zug der König einer Farbe und die Dame der anderen simultan ins Matt gesetzt werden. Ein Gleichgewicht wäre erreicht, wo beide Parteien ihr Ziel erreicht haben und das Spiel als gewonnen betrachten.

Im verlinkten Blogpost wird wie erwähnt der Vergleich gezogen, dass eine Seite Monopoly spielt (ich vermute vor allem in Hinblick auf was ich als “marktbedingte Abschreckung” übersetzte) und die andere Seite (d.h. Putin) Schach. Die Metapher ist ansprechend, verteilt sie doch schön die Rollen: Russland zieht mit Kriegstrommeln vom Mars ein, während Europa und für einmal auch die USA konfliktscheu von der Venus herkommen. Doch befürchte ich in einem spieltheoretischen Kontext macht dies im Gegensatz zu unserem Alternativschach wenig Sinn. In diesem Bild spielen die beiden Seiten nämlich nicht nur mit unterschiedlichen Zielen, sondern auch mit unterschiedlichen Regeln. Wenn sich beide dessen nicht bewusst sind, ist eine strategische Interaktion unmöglich oder zumindest sinnlos. Sind sich aber beide Seiten dessen bewusst, werden sie versuchen, jeweils auch das Spiel des anderen zu Spielen um die eigenen Ziele zu erreichen. Die Spielregeln wären also konsolidiert. Dies scheint mir aber nicht die im Artikel vorgebrachte These zu sein. Falls doch ist es schwierig, sich ein solches Spiel überhaupt sinnvoll vorzustellen und die Metapher fällt wohl in sich zusammen.

Welches existierende Spiel spielen beschreibt also die Situation besser? Ich würde den Vergleich mit Go machen: Das Ziel im Go ist es möglichst grossen Territorialgewinn zu machen. Im politischen Zusammenhang fasse ich “Territorium” teilweise breiter als nur im engen Sinne von “Boden” (z.B. strategische Vorteile, wirtschaftlicher Gewinn, etc.). Go erscheint mir aus mehreren Gründen als eine bessere Metapher für das gespielte Spiel.

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Kommentare (15)

  1. #1 Dr. Webbaer
    März 21, 2014

    Die Anmerkung mit dem Nullsummenspielen scheint wichtich, es müsste ein Brettspiel gefunden werden, in dem “Win Win”- oder “Lose Lose”-Situationen erreicht werden könnten.
    Denkbar wäre hier ein Brettspiel gegen die Bank, das zum Nutzen [1] der zwei [2] beteiligten Spieler beendet werden könnte.
    MFG
    Dr. W

    [1] und sei es nur eine Form des Erkenntnisgewinns
    [2] sofern zwei Spieler, die Ukraine und Russland “spielen”; ganz so schaut es allerdings nicht aus

  2. #2 MartinB
    März 21, 2014

    Politik ist eigentlich immer wie Nomic, oder?
    https://de.wikipedia.org/wiki/Nomic

  3. #3 ali
    März 21, 2014

    @MartinB
    Calvin Ball!

  4. #4 MartinB
    März 21, 2014

    Yeah! Ich liebe Calvin&Hobbes.

  5. #5 Adent
    März 22, 2014

    Das ist ein interessanter Gedankengang, dass beide Seiten bei einem solchen Spiel gewinnen könnten, aber wird dabei nicht die Tatsache übersehen, dass es hier um mindestens 3 Seiten (eher sogar 4, wenn man die Ukraine noch in Pro und Contra Russland einteilt) geht?

  6. #6 LarsW
    Meppen
    März 23, 2014

    Sehr interessante Analyse und Ansatz! Typisch Wissenschaftler! 😉 Vielleicht gewinnt einfach nur derjenige, der nach allen Regeln der Kunst (der korrumpierten Macht) vorgeht. Damit meine ich nach den Regeln des [url=https://de.wikipedia.org/wiki/Machiavellismus]Machiavellismus[/url], derjenige, der die meisten Hebel in Bewegung setzt und am meisten Effekt dabei erzielt (ohne allzu große Skrupel zu haben). Der Effekt ist hier Einfluss und Macht im Territorium Ukraine. Bislang scheint die USA hier am erfolgreichsten zu sein. Obwohl Russland ja auch einen gewissen (territorialen) Erfolg (?) verzeichnen konnte, der genaugenommen ja kein wirklicher Erfolg ist, sondern nur einen gewissen Status quo versucht aufrecht zu erhalten.

    Wenn das Spiel nach den Regeln Machiavelli laufen würde, wären die USA jedenfalls sicherlich bald der endgültige Gewinner aus meiner Sicht, weil sie die meisten Ressourcen auf diesem Gebiet haben.

    Übersehen werden dabei darf natürlich auch nicht das Verhalten der Bevölkerungen, soweit sie eine gewisse Macht besitzen.

  7. #7 Dr. Webbaer
    März 23, 2014

    Patiencen sind für mehrere Spieler möglich, die dann zusammen gewinnen oder verlieren können, Ähnliches gibt es im Online-Spielebereich, bspw. beim M$ Age of Empires, es soll auch diesbezügliche Brettspiele geben:
    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Kooperatives_Spiel

  8. #8 Hobbes
    März 24, 2014

    Man kann es natürlich einfach auf 2 Seiten runter reduzieren, wenn man davon ausgeht das die anderen Mitspieler einfach zu klein sind für ein Stück vom Kuchen und sich höchstens um die Krümel streiten dürfen.
    Allerdings würde ich dann immer noch von 3 Seiten reden, da Europa und die USA meiner Meinung nach doch sehr unterschiedliche Ziele verfolgen. Während die USA hier gerne gewinnen würden scheint Europa das Spiel am liebsten gar nicht spielen zu wollen.
    Europa scheint es auch eher egal zu sein, wem die Krim nun gehört, man lehnt einfach die Art und Weise ab wie hier vorgegangen wurde. Aber spätestens wenn Russland anfangen sollte die Ostukraine zu besetzen ändern sich die Ziele wieder.
    Aber auch schon wenn die Krimtartaren ernsthaften Terrorismus betreiben haben wir einen Mitspieler mehr. Wundert mich eh das die so lange die Füße still halten wenn man sich anguckt wie die das letzte mal behandelt wurden.

    Ich glaube aber (und hoffe) das das ganze so eh schon akzeptiert wurde und es jetzt nur noch darum geht den Preis für die Krim in die Höhe zu treiben um Putin zu zeigen das er sich noch mehr solcher Aktionen nicht leisten kann.

  9. #9 ali
    März 24, 2014

    @Adent @Hobbes

    Ja, idealerweise sollte man wohl mehrere Mitspielende in das “Modell” integrieren. Ein solcher Spielevergleich ist natürlich immer eine Abstraktion, die nicht die Komplexität der Realität wirklich abbilden kann. Das Runterbrechen auf zwei Seiten kann uns durchaus ein Verständnis der strategischen Interaktion geben. Am zweifelhaftesten ist in diesem Kontext wohl das Zusammenfassen von Ukraine und den NATO Staaten.

  10. #10 Hobbes
    März 24, 2014

    @LarsW:
    Welche Regeln nach Machiavelli meinen Sie?
    Ich habe Machiavellismus bisher immer als allein auf Macht fixierte Realpolitik verstanden. Also nicht wirklich das was in “Der Fürst” beschrieben steht. (Darin wird ja z.B. sogar der Vorteil einer Republik erwähnt wenn es sich um eine halbwegs homogene Wirtschaft handelt.)

    Aus dreckigem Pragmatismus heraus betrachtet würde ich Russland bisher als eindeutig im Vorteil sehen. Allerdings auch nur, weil Russland den Eröffnungszug gemacht hat und jetzt die anderen ihre Züge machen dürfen.

  11. #11 Dr. Webbaer
    März 25, 2014

    Zurzeit wird jedenfalls ein wenig Schach gespielt, bspw. wenn Timoschenko aufgelöst wird, Victoria Nuland ebenso & der Focus ein wenig auf die real existierenden ukrainischen Faschisten gelenkt wird – vermutlich vom FSB.

  12. #13 valerie
    September 3, 2014

    Ww3 aber sowas von .Kann sich nur noch um Tage handeln bis sich die Nato und Russland bekämpfen.

  13. #14 valerie
    September 6, 2014

    Ich formuliere meine ansicht mal etwas genauer .Ich denke durch die neuerliche schnelle Nato eingreiftruppe im Osten wird es zu einem neuen Wettrüsten einem kalten Krieg oder wie gesagt zum dritten Weltkrieg kommen.

  14. #15 valerie
    September 9, 2014

    Kann man das was in der Ukraine geschieht mit der Kuba krise vergleichen?