Der Florian hat mich ja schon als Mitläufer geoutet. Da bleibt mir nichts anderes übrig, als die Schuhe zu schnüren (doppelt am besten) und ebenfalls meine eigene Ausgabe der Null-Folge zu Running Research – Denken beim Laufen hier einzustellen.1
Bevor es aber richtig losgeht, möchte ich wie Florian kurz darlegen, wie ich zum Laufen kam.
Bis Ende 2013 war noch alles harmlos. Ich bin während ein paar Jahren phasenweise ein bis drei Mal die Woche rennen gegangen. Manchmal ging ich Wochen oder Monate gar nicht. Einmal war ich wegen eines Ilio-tibialen Bandsyndroms (kurz ITBS oder auch bekannt als Läuferknie) ungefähr neun Monate ausser Gefecht gesetzt. Laufen war für mich immer primär eine einfache Art sich etwas Bewegung zu verschaffen. Nichts das ich um der Sache selbst willen speziell gemocht oder genossen hätte. Nach der ITBS Episode kam ich auch zum Schluss, dass ich es nicht übertreiben sollte mit Distanz und Frequenz und dass ich deswegen wohl nie auf einen Marathon trainieren kann (sollte ich denn so etwas überhaupt je machen wollen). Dies war ein Irrtum wie ich im letzten Jahr herausgefunden habe.
Im Dezember 2013 habe ich mich für den grossen Genfer Volkslauf angemeldet, die sogenannte Course d’Escalade (mehr zum Lauf und dessen Namen folgt weiter unten). Dies war auch der Motivator um mit grösserer Regelmässigkeit aufs Pflaster zu gehen. Aus “regelmässig” wurde im letzten Monate vor dem Lauf “täglich.” Die Länge der Strecke durch die Genfer Altstadt ist harmlos (etwas über 7km), das Rauf und Runter hingegen hat es in sich, da man nie wirklich einen Rhythmus findet, in den man sich “reinhängen” kann. Nach dem Lauf hatte ich ein Runner’s High, das man so wohl nur an einem Rennen kriegen kann. Zu meiner Überraschung habe ich zudem festgestellt, dass ich zeitlich weiter Vorne mithalten konnte als ich es je für realistisch gehalten hätte (sorgte ich mich doch ursprünglich, ob ich die Strecke überhaupt schaffe, wenn ich zu schnell losrenne).
So habe ich mich mit dem Käfer angesteckt. Ich bin 2014 12 Rennen gelaufen, darunter auch einen Triathlon (es stellte sich heraus, dass Laufen eher meine Stärke ist als Schwimmen, von den Transitionsphasen ganz zu schweigen) und einen Marathon (3:02:48,5). Gesamthaft bin ich 2014 3’700km gerannt und es geht mir mit der Rennerei wie Florian: Nicht rennen zu gehen ist inzwischen schwieriger als sich dazu zu überwinden bei 3 Grad, Wind und Regen auf den Weg zu machen.
Am 6. Dezember habe ich den Jahreskreis also geschlossen und erneut an der Course d’Escalade teilgenommen und war trotz verlängerter Strecke etwas schneller (hier die Details bei Strava). Die Konkurrenz war jedoch für meine Verhältnisse brutal. Der Sieger lief die Strecke in 20:51,3, über sieben Minuten schneller als ich (das ist in Anbetracht der kurzen Strecke verdammt viel).
Der Escalade-Lauf ist eine Nebenveranstaltung zu den Genfer Escalade-Feierlichkeiten, die eine Woche später stattfinden. Diese sollen hier kurz das Thema sein, denn ich denke sie verraten einiges über den Charakter des Schweizerischen Bundesstaates und Identitäten in der Schweiz, beides Themen die hier immer wieder auf die eine oder andere Art auftauchen.
Die Escalade (wörtlich “Erkletterung”/”Besteigung”) erinnert an den Versuch des Duc Charles-Emmanuel I im Jahre 1602 Genf endlich unter seine Kontrolle zu bringen.2 Eine französische Besetzung war für die Stadt Genf immer ein worst case Szenario. Am Ende landete Genf auch nicht unbedingt aus Überzeugung im Schweizerischen Bundesstaat, sondern weil die Alternative wohl Frankreich gewesen wäre. Die Escalade ist eine Art Nationalfeiertag für die Genferinnen und Genfer. Es gibt ein Lied (Cé qu’è lainô) in heute schwer verständlichem alten Französisch, das die Geschichte der Ereignisse erzählt. Es ist die offizielle Hymne des Kantons Genf. Der “Republik und Kantons Genf” um genau zu sein. Nationalfeiertag? Hymne? Republik? Wer denkt, das klingt doch alles nach dem klassischen emotionalen Nationalstaaten Federschmuck aus dem 19. Jahrhunderts, liegt durchaus richtig.
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