Die meisten Diskussionen um das Wie und Warum der Trumpwahl führen auf eine grosse Frage zurück: Wer sind die Trumpwählerinnen und -wähler? Es scheint mir daher wichtig, zuerst mal diese Grundlage so weit als möglich zu klären, bevor wir weiter diskutieren.
Dieser Überblick kommt mit einer Warnung die ich mir auch selber immer wieder in Erinnerung rufen muss: Einige dieser Analysen basieren auf Exit-Polls. Die nationalen Umfragen lagen im Schnitt zwar ziemlich richtig (besser als in den letzten Wahlen). Dies stimmt aber nicht für einige Umfragen auf Staatenebene (Resultate waren je nach Staat schon immer durchzogener). Wie bei Vorwahlumfragen werden auch Exit-Polls gewichtet, Samples angepasst und es wird mit teilweise ähnlichen Problemen gekämpft. Sie sind damit also nur mit entsprechender Vorsicht zu geniessen.
Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich noch einen anderen Punkt klären: Ich werde öfters in groben Kategorien sprechen (zB. “Frauen”). Diese Kategorien können zumindest theoretisch immer weiter runtergebrachten werden (z.B unverheiratete Frauen mit Universitätsabschluss in städtischen Gebieten die jünger als 30 Jahre sind) und Überlappungen gibt es natürlich auch (wir können “Männer” als Gruppe betrachten aber ebenso “Rural”, diese Kategorien schliessen sich nicht aus). Was für die ganze Gruppe gilt, gilt nicht unbedingt für die Untergruppe. Es versteht sich auch von selbst, dass wir nie von allen in der Gruppe sprechen. Wenn ich schreibe “Gruppe X hat Trump gewählt” wird es immer einen (nicht selten beträchtlichen) Prozentsatz in dieser Gruppe geben, die das nicht getan hat.
Ein letztes Element das ich noch betonen möchte ist, dass es in den meisten Fällen um die Gruppe der Stimmenden geht. Wenn wir also sagen “x% der weissen Männer hat Trump gewählt,” heisst das eigentlich immer “x% der weissen Männer die gewählt haben haben Trump gewählt.” Ich werde das nicht jedes mal anfügen.
Ein guter Ausgangspunkt für eine solche Analyse ist die Aufschlüsselung auf der Basis von Exit-Polls die die New York Times gemacht hat. Hier ist was mir ins Auge sticht (aber weitere Analysen sind auf jeden Fall willkommen da man sicher verschieden Narrative in diese Zahlen lesen kann):
- Frauen in der Mehrheit Clinton (54%) gewählt haben und Männer in der Mehrheit Trump (53%) (ich komme später noch darauf zurück, da sich hier eine weiteres runterbrechen interessant ist).
- Ausser jenen die sich als “weiss” definieren haben die “nicht-weissen” Gruppen (meist überaus deutlich) Clinton gewählt.
- Bis 44 Jahre alte Wählerinnnen und Wähler haben Clinton gewählt. Die ältere Generation hat in der Mehrheit Trump gewählt.
- Eine weitere Spaltung finden wir bei der Ausbildung: Mit einem College Abschluss tendiert man zu Clinton, ohne zu Trump.
- Noch markanter, ja geradezu drastisch wird dieser Unterschied wenn man dann nach “race” unterschieden wird: Während Weisse ohne College Abschluss mit deutlicher Mehrheit Trump wählten (67%) und jene mit noch immerhin mit 49%, wählten die Nicht-Weissen mit und ohne Abschluss mit über 70% für Hillary. Beachtenswert ist hier auch der “Swing”: 10% der weissen mit College Abschluss wechselten zur demokratischen Partei und 14% jener ohne zur Grand Old Party.
- Ebenfalls interessant in Anbetracht des Argumentes, dass die Wurzel in der ökonomischen Situation zu suchen sei ist, dass tiefere Einkommen in der Tendenz eher Clinton wählte und Trump mit den höheren Einkommen und der Mittelschicht (in den USA meist alle die nicht als “arm” durchgehen). Dies wird jedoch durch den massiven Swing in Richtung GOP (16%) in der untersten Einkommensklasse relativiert.
- Der Stadt-Land Unterschied ist nicht überraschend, sehr deutlich. Der Economist errechnete sogar, dass in Gebieten in denen einer Person mindestens 2.6km zur Verfügung stehen, 80% Trump wählten. Dies ist auch interessant wegen der (meines Erachtens völlig hanebüchenen) “Dichtestress” These, die in der Schweiz in den letzten Jahren in Anti-Einwanderungszirkeln en Vogue war.
- Wie deutlich Trump bei den Evangelikalen gepunktet hat ist ebenfalls bemerkenswert, sahen diese sich doch bisher immer als “value voters” und ein Kandidat wie Trump wäre in seiner Vulgarität und Geschichte völlig undenkbar gewesen. Vielleicht hat hier die Supreme Court Vakanz eine einzigartige Chance für Trump geschaffen (ein Punkt der vielleicht ein anderes mal separat besprochen werden sollte).
Fivethirtyeight hat versucht statt mit Exit-Polls mit Zensusdaten herauszufinden wo Trump gewählt wurde. Sie verglichen dabei nur GOP mit GOP, will heissen ob Trump besser oder schlechter war als Romney in 2012. Dies kann uns als erster Hinweis dienen, wie viel Vertrauen wir den obigen Exit-Polls schenken möchten. Die Daten sind noch nicht vollständig und müssen darum wiederum mit gewisser Vorsicht aufgenommen werden. Auch korrelieren sie einfach demographischen Daten und Wahlresultate wenn ich es richtig verstehe, was andere methodische Problem mit sich bringen kann. Tatsächlich sind die Resultate ähnlich:
- Trump schlug Romney in “weisseren” Distrikten.
- Trump schlug Romney in “älteren” Distrikten.
- Weniger Immigrantinnen und Immigranten bedeutete dass Trump besser abschnitt als Romney.
- In schlechter ausgebildeten Bezirken lag Trump ebenfalls besser als Romney.
Wenn es ein Thema gibt, dass hier im Blog immer wieder auftaucht ist es, dass Demokratie mehr ist als die blosse Herrschaft der Mehrheit. Die Tyrannei der Mehrheit über eine Minderheit ist sogar eine Gefahr für einen demokratischen Staat. Diese Zahlen sind ein Hinweis darauf, dass sich bei dieser Wahl vermutlich eine weisse Mehrheit einen Dreck um die Sorgen anderer Gruppen kümmerte und den Kandidaten trotz seines Rassismus (oder schlimmer noch wegen diesem) gewählt hat.
Um so schwieriger finde ich es zu akzeptieren, wenn nun argumentiert wird, dass dies die Quittung für fehlende Empathie für die nun Trump-wählenden war. Andere verglichen die Trump Wahl und die Brexit-Abstimmung und kamen zu einem ähnlichen Schluss wie die obige Analysen nahelegen: Es ging um einen Werte-Graben (Werte sind ja nicht unbedingt positiv) und nicht um die wirtschaftliche Situation. Zahlen aus vertrauenswürdigen Quellen, die etwas anderes zeigen, sind mir bisher nicht begegnet.
Aber selbst wenn wir die Prämisse der ignorierten ökonomischen Sorgen akzeptieren, muss man klar sehen, dass es sich um die ökonomischen Sorgen der weissen Bevölkerung geht. Warum soll ich Verständnis haben für eine Gruppe, die ohne Skrupel bereit ist, eine anderes Segment der Bevölkerung mit den gleichen Schwierigkeiten, ohne solche Sympathie nur wegen ihrer Hautfarbe unter den Bus zu werfen, so lange sie meinen, sie kriegen dafür was sie wollen? Das klingt mehr nach einer Rechtfertigung für Rassismus und nicht nach Empathie.
Nachtrag: Dies ist eine erste Aufschlüsselung als Diskukssionsgrundlage. Zu den Themenbereichen Sexismus, Mobilisierung/Enthusiasmus und Religion werde ich hoffentlich später einen eigenen Blogpost widmen. Ich bitte dem in den Kommentarbeiträgen Rechnung zu tragen.
Nachtrag 2: Links die die “economic grievances” These in Frage stellen.
Im Mai schaute sich 538 an aus welcher sozialen Schicht Trumpwählerinnen und -wähler merheitlich stammen.
Gallup unternahm eine ähnliche Analyse und kam zu ähnlichen Schlussfolgerungen (ich habe mir das aber nicht im Detail angeschaut und könnte ziemlich sicher die Methode auch nicht wirklich beurteilen).
Dieser Tweetstorm argumentiert ebenfalls mit guten Argumenten, dass es “Race” war und nicht “Economics”.
New York Times hat einen Gastbeitrag der argumentiert, dass “Identity Politics” das Problem seien (ich bin zwar nicht einverstanden, möchte hier aber auch andere Meinungen verlinken.)
Eine weitere interessante Analyse von 538 die ziemlich klar gegen die ökonomische These spricht: Education, Not Income, Predicted Who Would Vote For Trump,
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