Der nächste Präsident der USA hat gestern folgenden Tweet abgesetzt:
Many people would like to see @Nigel_Farage represent Great Britain as their Ambassador to the United States. He would do a great job!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) November 22, 2016
Dies ist ein krasser Bruch mit diplomatischen Gepflogenheiten. Die Ernennung einer Botschafterin oder eines Botschafters ist kein Wunschkonzert. Dies geht gegen jahrhundertealten Gewohnheiten in zwischenstaatlichen Beziehungen. Man könnte sogar argumentieren, dass es das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten tangiert. Ein Staat kann natürlich die Akkreditierung einer Botschafterin oder eines Botschafters verweigern, aber dazu braucht es schon relative gute Gründe, wird es doch als eher unfreundlicher Akt wahrgenommen. Insbesondere in der Beziehung zu einem Staat wo immer wieder eine mythische “spezieller Beziehung” (special relationship) beschworen wird ist das gelinde gesagt problematisch.
Nun es stimmt vielleicht das es einzelne Fälle gab, wo ähnlich schon passierte. Es gab zum Beispiel einen Präzedenzfall unter Kennedy. Die Umstände und Gründe lagen jedoch sehr anders und die Situation ist kaum vergleichbar.
Der Fauxpas illustriert sehr gut ein Problem mit der Kritik an Trump. Die Bedeutung des Bruchs mit diplomatischen Gepflogenheiten ist schwer politisch zu kommunizieren. Viele haben kein Gefühl dafür zu welchem Grad hier eine Regel gebrochen wurde. Die meisten Trump Fans werden es wohl gar als erfrischend unkonventionell wahrnehmen.
Das Problem liegt aber was Trump mit diesem Tweet signalisiert. Er sendet damit zwei Botschaften und ich weiss nicht, welche schlimmer ist. Die erste ist (für jene die es immer noch nicht gemerkt haben) völlige Inkompetenz. Die zweite ist seine Gleichgültigkeit gegenüber etablierten Normen.
Nun werden sich trotzdem viele auch ausserhalb des Trump Fanclubs sagen: Na und? So schlimm ist das doch nicht. Er ist ja neu in dem Geschäft. Es ist aber nicht so einfach. Normen, die uns vertrauter sind als das diplomatische Protokoll illustrieren das Problem vielleicht besser. Darum zwei Beispiele:
Einem Kind bringt man in allen möglichen Situationen bei, sich zu bedanken. Die wenigsten Eltern werden meinen, dass sie dem Kind Dankbarkeit per se beibringen. Es geht darum eine Norm zu verinnerlichen. Dies ist unter anderem auch notwendig, weil es die entsprechende gesellschaftliche Erwartung gibt. Es gibt viele Situationen wo ein “Vielen Dank” und sei es nur als Floskel, erwartet wird. Verspüre ich wirklich Dankbarkeit wenn jemand die Tür 4 Sekunden länger offenhält (man stelle sich vor die Person würde sie mir vor der Nase zuschlagen!), jemand einen halben Schritt zur Seite geht um mich nicht anzurempeln oder wenn mir jemand gerade etwas verkauft hat? Nur in einem sehr geringen Ausmass falls überhaupt. Viel wichtiger ist, dass wir damit die Geste und vielleicht auch unsere Mitmenschen anerkennen.
Der Normenbruch in Trumps Tweet ist das Äquivalent zur Unterlassung eines solchen “Dankeschöns”. Ein Kleinkind würde man dazu anhalten es nachzureichen. Bei einem Erwachsenen würde man sich seine Sache denken.
Ein anderes Beispiel: Wenn ich an einem fremden Ort eine Kirche oder Moschee besichtigen gehe und da steht am Eingang man dürfe den Ort nicht in kurzen Hosen oder im T-Shirt betreten (nicht dass ich oft kurze Hosen tragen würde, schon gar nicht auf Urlaub), dann tue ich das nicht. Nicht weil ich meine, dass mich sonst ein göttlicher Zornesblitz treffen würde, oder ich die Argumentation der Gemeinschaft, die das Gotteshaus betreibt, anerkennen würde, sondern schlicht aus Respekt der Norm gegenüber und indirekt den Menschen, die sie aufgestellt haben.
Trump ist im T-Shirt und Shorts in die Kirche gelatscht. Das ist nicht “erfrischend informell”.
Trump zeigte mit diesem Tweet seine Ignoranz gegenüber diesen grundlegenden Normen und sein Unwillen irgendwas über seinen neuen Job zu lernen. Ohne eine Entschuldigung, die es ziemlich sicher nicht geben wird, ist der Tweet mehr oder weniger ein Stinkefinger in Richtung jenes Landes, das historisch als besonders enge Partnerin gilt.
Gerade in der Diplomatie gibt es viele solcher Normen. Es kommt nicht von ungefähr, dass dem Protokoll so viel Bedeutung zugemessen wird in der Diplomatie. Solche Regeln erlauben es unter anderem auch Missverständnisse aufgrund divergierender Heimregeln zu verhindern. Sie ebenen das Spielfeld und grenzen es ein. Sie sind das Räderwerk das die internationalen Beziehungen am Laufen hält. Es war vielleicht nur ein Fettnäpfchen, mit beschränkten unmittelbaren Folgen. Nichts das auf lange Sicht nicht wieder ausgebügelt werden könnte. Die Natur dieses Fettnäpfchens lässt aber nichts Gutes erahnen für die Zukunft.
Nachtrag: Ich habe den Abschnitt, der dem “Vielen Dank” Beispiel folgt, da er nicht korrekt und unklar war (ein Normen respektierendes “Vielen Dank” geht dafür an @spinfocl)
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