Mit dem iPhone aufgenommenes Bild meiner Spiegelreflex auf Stativ mit Reisemontierung und Komet NEOWISE am Himmel. Die Aufnahme entstand nur auf der Motorhaube aufgestützt und mit beiden Händen fixiert. Nachbearbeitet mit der Apple-Fotos-App. Bild: © Autor.

Wahrscheinlich war es noch nie einfacher als heute, von unseren Breiten aus einen Kometen zu fotografieren, denn seit Hale-Bopp war kein Komet mehr so präsent am Himmel zu sehen wie zur Zeit C/2020 F3 NEOWISE. Und die heutige Digitaltechnik war Mitte der 1990er noch nicht erfunden, oder vielmehr ausgereift und kommerziell erschwinglich verfügbar. Nun ist der Komet endlich am Abendhimmel zu sehen – genauer gesagt ist er jetzt die ganze Nacht über zu sehen – so dass man nicht mehr in aller Herrgottsfrühe aufstehen muss, um ihn zu sehen oder abzulichten.  und 1996 gab es so gut wie keine digitalen Kameras digitale Bildverarbeitung – man musste noch auf die Entwicklung der Dias oder Negative warten, und wurde erst danach mit den Ergebnissen konfrontiert. Heute kann man Fehler sofort korrigieren und die Möglichkeiten des “Stackings”, also des digitalen Addierens von Bildern, erlauben sogar lange Belichtungszeiten, ohne dass man mit einer teueren Nachführung die Erdrotation kompensieren muss.

Auch wenn die Ergebnisse bei Anfängern unvermeidlicherweise bescheiden bleiben werden – man sollte es trotzdem versuchen, denn das eigene Bild ist immer viel schöner als anderer Leute kopierte Bilder, und man lernt ein wenig Ehrfurcht gegenüber den Künsten der großen Meister wie Damien Peach, Michael Jäger oder Sebastian Voltmer.

Wie fotografiert man also den Kometen? Das kommt auf die Ausrüstung an…

 

Smartphone

Ja, man kann den Kometen sogar mit modernen Smartphones fotografieren. Die besseren Modelle haben zum Teil ausgezeichnete Kameras mit hoher Lichtstärke und niedrigem Rauschen. Die Kamera des iPhone 11 hat eine Blendenzahl von 1,8 – das ist mehr Lichtstärke als übliche Zoom-Objektive von großen Kameras bieten. Im Nachtmodus (Mondsymbol) nimmt das iPhone Bilder zudem mit ISO 6400 auf und verwendet Rauschunterdrückungsverfahren. Eine ISO-Zahl von 6400 bedeutet eine 64-fach gesteigerte Helligkeitsverstärkung gegenüber der normalen Tageslichteinstellung, die man sich allerdings mit mehr Bildrauschen erkauft. Schließlich gibt es ein Bildstabilisierungsverfahren, das längere Belichtungszeiten aus überlagerten Einzelbildern mit kürzerer Aufnahmedauer zusammensetzt (Stacking – darauf komme ich noch zurück), was erlaubt, Nachtaufnahmen in Grenzen freihändig zu machen.

Die Spitzengeräte anderer Hersteller stehen dem sicher nicht nach (ich habe keine Marktrecherche vollführt…). Jedenfalls lohnt sich ein Versuch, der nicht viel Aufwand kostet. Da auch Stacking und 6400 ISO keine Wunder am Dunklen Himmel verbringen, ist die Fixierung des Handys bei der Aufnahme das A und O. Das iPhone “ertastet” beispielsweise Erschütterungen und bietet die längste Belichtungszeit von 30s gar nicht erst an, wenn es “fühlt”, dass es freihändig gehalten wird. Idealerweise hat man eine Stativhalterung (aber wer hat die schon…) oder man befestigt eine Selfie-Stange mit Klebeband oder Kabelbindern an einem Stativ, Straßenschild oder ähnlichem. Zur Not funktioniert auch ein seitliches Abstützen des Handys an zwei Kanten, unten und seitlich, gegen die man das Gehäuse drückt.

Den Nachtmodus erreicht in der iPhone- Kamera-App, indem man entweder die Zeile über dem Auslöseknopf mit “SLO-MO VIDEO FOTO PORTRAIT PANO” mit dem Finger hoch-swipet und auf das Mondsymbol tippt, oder er aktiviert sich im Dunklen von selbst. Bild: Autor, gemeinfrei.

Im Nachtmodus hat man unten eine Skala, auf der man die Zeit einstellen kann. 30s werden nur angeboten, wenn die Kamera erschütterungsfrei montiert oder gehalten wird. Sonst werden nur 3s oder 10s angeboten Bild: Autor, gemeinfrei.

 

Den Nachtmodus erreicht in der Apple Kamera-App, indem man entweder die Zeile über dem Auslöseknopf mit “SLO-MO VIDEO FOTO PORTRAIT PANO” mit dem Finger hoch-swipet und auf das Mondsymbol tippt, oder er aktiviert sich im Dunklen von selbst. Am besten löst man per Fernbedienung aus (der Lautstärke-Knopf am Kopfhörerkabel ist üblicherweise der Drahtauslöser für Handys). Wer sich lieber für 30 Euro einen Blutooth-Fernauslöser kauft, mag das tun, aber bedenken, dass der Komet nicht warten wird… Ansonsten bietet sich noch die Selbstauslöser-Funktion an.

Man kann auch versuchen, das Handy ans Fernglas zu halten:

Ich hab’s mal bei meinem 15×80 versucht, aber das Blickfeld war sehr klein, man kam wegen des Hartplastik-Blendschutzes nicht nahe genug ans Okular, um mehr als einen kleinen Ausschnitt zu sehen. Man braucht wohl ein Fernglas mit Gummi-Blendschutz, den man nach hinten klappen kann. Den hellen Fleck (Austrittspupille) mit der Kameralinse überhaupt zu treffen, war schwer genug.

Falls es beim Auslösen blitzt – Blitz ausschalten und nochmal versuchen. Glaubt mir, der Blitz eures Handys leuchtet nicht bis zum Kometen…

Mit der Bildbearbeitung an Bord des Handys kann man ein wenig experimentieren. Den Kontrast erhöhen (um den Schweif besser vor dem Himmel zu erkennen), Schwarzpunkt anheben (um den Himmel zu verdunkeln), Glanzlichter abschwächen (mehr Struktur aus dem Kometenkopf herausholen), Sättigung erhöhen (kräftigere Farben) oder was auch immer funktioniert – am besten probiert man alle Regler aus, es gibt kein Patentrezept. Oder man lädt die Bilder auf den PC und verabeitet sie weiter wie im Folgeartikel beschrieben.

Es gibt einige Foto-Apps, mit denen man die Kamera manuell steuern kann und die sogar RAW-Format-Bilder erzeugen können. RAW-Format ist weniger stark komprimiert und hat mehr Dynamik (mehr als 8 bit pro Farbe bei JPEG, was nur 8 Blendenstufen an Kontrast entspricht). Falls man die Bilder am Rechner weiterverarbeiten will, empfiehlt sich die Verwendung des RAW-Formats, aber man sollte prüfen, ob dieses vom Bildverarbeitungsprogramm gelesen werden kann. Unter Windows, MacOS und Linux gibt es das kostenlose Programm RAWTherapee, mit dem kann man viele RAW-Formate importieren und als TIFF ausgeben kann, ein Format, das jedes Bildverarbeitungsprogramm verstehen können sollte. Mehr dazu im nächsten Artikel.

Wenden wir uns nun der seriöseren Fotografie zu

Komet NEOWISE über Forchheim/Franken im Weitwinkelobjektiv. Pentax K-5 (APS-C) mit 14mm F/2.8 Samyang Festbrennweiten-Objektiv, Blende 5, ISO 1250, 140 s. Die Pentax war mit dem Astrotracer ausgestattet, einem GPS-Modul, das die Ausrichtung der Kamera errechnet und den Sensor in der Kamera den Sternen nachführt – tolle Erfindung, aber nicht ganz billig. Bild: © Schlappohr.

Aufnahme von des Kometen mit Pentrax K-5, 200 mm Tamron AF70-200, Blende 5, ISO1250 20s mit Astrotracer. Bild: © Schlappohr.

 

Kompaktkamera, Bridge-Kamera, Spiegelreflex

Je größer der Sensor, desto größer sind die Pixel und desto mehr Licht sammeln sie ein – daher sind große Kameras gegenüber solchen in Handys klar im Vorteil. Sie benötigen allerdings definitiv ein Stativ für Nachtaufnahmen.

Die meisten Kameras haben einen manuellen Modus, in dem man die Belichtungszeit, Blende und ISO-Zahl selbst einstellen kann, was auf jeden Fall nützlich ist. Bei den Kompakten sollte wenigstens die ISO-Zahl einstellbar sein und ein Nachtprogramm vorhanden (“Feuerwerk” macht lange Belichtungen von mehreren Sekunden das ist, was wir suchen; “Nachtportrait” schaltet hingegen den Blitz ein – nicht verwenden!).

Was die ISO-Zahl betrifft, da sollte man vorab zu Hause bei wenig Licht ausprobieren, wie hoch man gehen kann, bevor das Bild zu körnig wird. Moderne Spiegelreflexkameras bieten zum Teil schon 128000 ISO und mehr an, was nicht heißt, dass das dann auch gut aussieht. Wenn man später stacken will und viele Aufnahmen macht, kann man eine oder zwei Stufen mehr versuchen, aber ich habe meine Aufnahmen mit 1600 ISO gemacht (Kamera bietet 51200 an), und alle Aufnahmen mit mehr sind deutlich verrauscht. Vollformat-Kamera sind hier im Vorteil gegenüber APS-Kameras (wie die meinige).

Den Weißabgleich stellt man auf Tageslicht (Sonnenscheinsymbol). Der Komet wird schließlich von der Sonne beleuchtet. Bei RAW-Aufnahmen ist die Einstellung egal.

Thema Blende: Wenn man es sich von der Belichtungszeit und ISO-Zahl her leisten kann, sollte man eine Blende zurückgehen von der maximalen. Dann werden die Außenbereiche des Objektivs, wo das Glas am stärksten gekrümmt ist, nicht benutzt, was schärfere Sterne ergibt. Man verschenkt aber auch die Hälfte des Lichts, braucht also die doppelte Belichtungszeit. Am besten Ausprobieren, was die Linse hergibt. Bei geringer Vergrößerung ist die Verzerrung nicht so dramatisch.

A propos Belichtungszeit: Hier gilt allgemein: je länger, desto besser. Es gibt allerdings zwei Probleme:

  1. die Lichtverschmutzung des Himmels
  2. die Erdrotation

Was Punkt 1. betrifft: Wenn man sehr lange belichtet, hellt sich der Himmelshintergrund auf. Man sollte an der Kamera das Histogramm kontrollieren und der “Hügel”, der vom Himmelshintergrund verursacht wird, sollte höchstens im unteren Drittel liegen:

Bei der Belichtung das Histogramm nur im unteren Drittel belichten. Bild: Autor, gemeinfrei.

Und zu Punkt 2.: wenn man keine Montierung mit motorisierter Nachführung hat, helfen nur kurze Belichtungszeiten. Dafür gibt’s tolle Formeln, in die die Pixelgröße und die Deklination des Objekts mit eingehen, aber als einfache Orientierung kann man folgende Tabelle verwenden. Zuerst bestimmt man den Crop-Faktor des Kamera-Sensors, das ist die Bildschirmdiagonale des Volllformats 24x36mm (43 mm) dividiert durch die Diagonale des Sensors. Dafür gibt es hier eine Tabelle.

Wer dort seine Kompaktkamera mit eingebautem Zoom nicht wiederfindet, kann ihren Crop-Faktor auch folgendermaßen schätzen: man schalte die Kamera ein, dann stellt sie sich auf den “normalen” Zoomfaktor ein. Der entspricht 50 mm im Vollformat (“Normalobjektiv”). Man mache ein Foto und lade es auf den PC. Wenn man auf die Fotodatei mit der rechten Maustaste klickt und “Eigenschaften” auswählt, findet man unter “Details” die Brennweite. Dividiert man 50 durch die Brennweite, so erhält man den Crop-Faktor.

Oder man orientiert sich am Zoom-Faktor, den die Kamera (hoffentlich) anzeigt. Den findet man ebenfalls unten in der Tabelle. Bei alle Crop-Faktoren ist die Belichtungszeit für den gleichen Zoom-Faktor immer gleich groß.

Maximale Belichtungszeiten

Crop-Faktor Format Zoom-Faktor Brennweite Belichtungszeit
1 Vollformat 0,7 35 mm 30 s
1 Vollformat 1 50 mm 20 s
1 Vollformat 1,6 80 mm 12,5 s
1 Vollformat 2,7 135 mm 7,5 s
1 Vollformat 4 200 mm 5 s
1 Vollformat 6 300 mm 3,3 s
1 Vollformat 8 400 mm 2,5 s
1,5 APS 0,7 25 mm 30 s
1,5 APS 1 35 mm 20 s
1,5 APS 1,6 55 mm 12,5 s
1,5 APS 2,7 90 mm 7,5 s
1,5 APS 4 130 mm 5 s
1,5 APS 6 200 mm 3,3 s
1,5 APS 8 270 mm 2,5 s
1,9 1,5″ 0,7 18 mm 30 s
1,9 1,5″ 1 26 mm 20 s
1,9 1,5″ 1,6 42 mm 12,5 s
1,9 1,5″ 2,7 70 mm 7,5 s
1,9 1,5″ 4 130 mm 5 s
1,9 1,5″ 6 105 mm 3,3 s
1,9 1,5″ 8 210 mm 2,5 s
2 Four Thirds 0,7 18 mm 30 s
2 Four Thirds 1 25 mm 20 s
2 Four Thirds 1,6 40 mm 12,5 s
2 Four Thirds 2,7 68 mm 7,5 s
2 Four Thirds 4 100 mm 5 s
2 Four Thirds 6 150 mm 3,3 s
2 Four Thirds 8 200 mm 2,5 s
2,7 1″ 0,7 13 mm 30 s
2,7 1″ 1 18,5 mm 20 s
2,7 1″ 1,6 30 mm 12,5 s
2,7 1″ 2,7 50 mm 7,5 s
2,7 1″ 4 74 mm 5 s
2,7 1″ 6 111 mm 3,3 s
2,7 1″ 8 148 mm 2,5 s
5,4 1/2″ 0,7 6,5 mm 30 s
5,4 1/2″ 1 9,3 mm 20 s
5,4 1/2″ 1,6 14,8 mm 12,5 s
5,4 1/2″ 2,7 25 mm 7,5 s
5,4 1/2″ 4 37 mm 5 s
5,4 1/2″ 6 56 mm 3,3 s
5,4 1/2″ 8 74 mm 2,5 s

 
Ein besonderes Problem stellt die Fokussierung im Dunklen dar. Die Kamera “sieht” den Kometen nicht, sie kann sich darauf nicht scharfstellen. Kompaktkameras bieten oft eine separate Fokuseinstellung für “unendlich” an, meist mit einem Bergsymbol versinnbildlicht. Die sollte man einstellen.
 
An Spiegelreflex- und Bridge-Kameras sollte sich der Fokus auf manuell umstellen lassen. Wer gute Augen hat, kann durch den Sucher oder auf dem Bridge-Bildschirm die Schärfe anhand eines hellen Sterns oder einer fernen Laterne versuchen, manuell einzustellen, wobei man die Bildschirmanzeige maximal hochzoomen sollte.
 
Des Weiteren kann man versuchen, den Autofokus auf “Punktquelle” einzustellen und eben jenen hellen Stern oder die ferne Lichtquelle anzupeilen und sofort danach den Fokus wieder auf “manuell” umstellen. Ich habe das diese Woche so mit meiner Kamera gemacht und es hat ganz gut funktioniert, wobei die fernen Laternen allerdings vom Flimmern der abendlichen noch warmen Luft ein unscharfes Ziel boten. Ein heller Stern am Himmel ist besser.

Smoke on the water und obendrüber der Komet in der Dämmerung um 23:20 am 13.07.2020 in Ostsachsen. Nikon D800 (Vollformat) mit Nikkor 24-120mm/F/4-Objektiv, 2,5s bei ISO 2500, 48 mm Brennweite. Bild: © Skeptikskeptiker.

Alternativ kann man den Fokus auch zuvor am Tage einstellen und seine Linse dann mit Klebeband fixieren (Tipp von Leser Schlappohr). Allerdings darf man nicht vergessen, den Fokus auf manuell zu stellen und wenn man aus Versehen auf das Objektiv drückt, wird es sich wieder verstellen. Man kann auch nicht davon ausgehen, dass das Objektiv für alle Zoomeinstellungen den gleichen Fokuspunkt hat. Bei Festbrennweitenobjektiven ist das natürlich kein Problem.

Zum Auslösen empfiehlt sich ein Fernauslöser, denn das Auslösen alleine kann die Kamera erschüttern und das Bild unscharf machen. Das kann übrigens auch beim Hochklappen des Spiegels in einer Spiegelreflexkamera passieren – wohl dem, der Spiegelvorauslösung hat. Wenn man keinen Fernauslöser hat, sollte man den Selbstauslöser mit 2-5 Sekunden Verzögerung wählen (wer Zeit hat, mag auch den langen mit 10-12s verwenden).

Zum Schluss noch ein Wort zum Speicherformat: wenn man das Bild am Rechner weiterverarbeiten will, dann, verwende man auch hier “RAW”-Format. Neben dem schon erwähnten größeren Dynamikumfang (10-16 bit/Pixel und Farbe gegenüber 8 bei JPEG) sind diese Bilder völlig unverfälscht, es ist kein Weißabgleich angewendet, keine Brillianz oder Schärfung oder Farbsättigung, die alle erst bei der Wandlung zu JPEG von der Kamera angewendet werden. Man hat also selbst in der Hand, was aus dem Bild werden soll. Nur wenn das Foto “druckfertig” aus der Kamera kommen soll, kann man JPEG verwenden.

NEOWISE über einem Stausee. Nikon D800 (Vollformat) mit Nikkor 24-120mm/F/4-Objektiv, 15s mit ISO 2500, 48 mm Brennweite. Auf Stativ ohne Nachführung. Bild: © Skeptikskeptiker.

Aufnahmen fürs Stacken

Wie man oben in der Tabelle sieht, sind Großfeldaufnahmen mit geringem Zoom-Faktor kein Problem, man hat genug Belichtungszeit – bei 1600 ISO und Blende 4 erreicht man in einer halben Minute leicht das zu 1/3 gefüllte Histogramm. Nur an besonders dunklen Orten könnte man minutenlang belichten.

Wenn man den Kometen formatfüllend haben will, muss man ungefähr Zoomfaktor 4 wählen. Dann ist man bei 5s Belichtungszeit, das ist zu wenig für den Kometen. In diesem Fall nimmt man viele Bilder auf und stackt sie (siehe Folgeartikel). “Viele” sind 20 oder 50 oder 100. Wenn man diese überlagert, entspricht das in etwa einer um diesen Faktor verlängerten Belichtungszeit. Das Bildrauschen fällt mit der Quadratwurzel der Zahl von Aufnahmen, d.h. 10 Aufnahmen haben 1/3 des Rauschens einer einzigen (sieht man kaum), 20 haben ein gutes Viertel, 50 ein Siebtel und 100 ein Zehntel. 100 mal 2 Sekunden sind auch nur 3 Minuten 20. Daher: viele Bilder machen. Idealerweise hat die Kamera einen Serienmodus, der automatisch die Aufnahmen macht. Manche Fernauslöser bieten einen Serienmodus. Anonsten muss man halt die Geduld aufbringen und die Bildern einzeln auslösen.

Zwischen den Bildern vor allem bei hoher Vergrößerung immer wieder am Stativ nachstellen. Das Problem beim Stacken ist, dass die Abbildung von der Himmelskugel auf den flachen Sensor unvermeidliche Projektionsverzerrungen verursacht. Das Stacking-Programm kann das Bild aber nur drehen und verschieben, nicht entzerren. Das Problem ist bei hohen Zoomfaktoren (= kleinen Bildausschnitten) geringer als bei Großfeldaufnahmen. Wenn man nicht die billigsten Objektive verwendet.

Daher durch händisches Nachführen zwischen den Aufnahmen dafür sorgen, dass die Bildverzerrungen nicht den Kometen betreffen. Man muss das nicht nach jedem Bild machen, aber alle paar Minuten, und dann keinen zu großen Sprung, den das Stacking-Programm nicht nachvollziehen kann.

Wenn man alle Bilder im Kasten hat, sollte man noch ein paar Darks machen. Dark Frames oder Darks nennt man Bilder mit aufgestecktem Objektivdeckel. Man nimmt also nur Dunkelheit auf. Es geht dabei aber nicht um die Dunkelheit, sondern das Bildrauschen des Sensors. Je länger man belichtet, umso mehr belichtet sich der Sensor mit seinem Rauschen selbst, und bei Wärme (im Sommer und nachdem der Sensor durch das Fotografieren warm gelaufen ist) stärker als bei Kälte. Daher nimmt man die Darks am besten gleich nach den Aufnahmen auf und nicht erst zu Hause (da man sie gerne am Abend in der Aufregung vergisst: wenn man sie zu Hause macht, zuerst 20-30 Bilder machen, die den Sensor erwärmen und erst die nachfolgenden verwenden). 10-20 Stück pro verwendeter Belichtungszeit und ISO-Wert reichen. Gleiche Belichtungszeit und ISO-Zahl wie bei den Kometenfotos.

Dann sollte man noch ein paar Flat Frames aufnehmen – die muss man im Hellen machen, bevor es dunkel wird oder auch zu Hause. Flat Frames sind Aufnahmen eines neutralen Hintergrunds ohne jede Struktur. Objektive verursachen eine leichte Vignettierung am Bildrand, das Bild wird zum Rand hin dunkler. Und Staub auf dem Sensor macht dunkle Flecken. Die kann das Stacking Programm korrigieren, wenn man ihm ein Foto einer gleichmäßig einfarbigen Fläche, idealerweise weiß, als Referenz anbietet. Ein leicht unscharf gestellter wolkenloser Himmel (Richtung Zenit) ist eine Möglichkeit. Ich habe einfach ein Blättchen Papier ohne Linien von einem Notizblock genommen und die Kamera mit dem Blättchen vor der Linse gegen eine Fensterscheibe gedrückt. Man belichtet mittelhell (Histogramm in der Mitte), mit kleiner ISO-Zahl und, wichtig!, bei gleicher Vergrößerung und Blendeneinstellung wie bei den Bildern, die man Stacken möchte. Denn die Vignettierung hängt vom Zoomfaktor und der Blende ab. Dazu Kamera auf manuell oder Blendenvorrang (Aperture priority, A) einstellen. 3-5 Flats reichen.

Puristen nehmen schließlich noch Bias Frames auf. Diese sollen alleine das Rauschen des Bildauslesens bei der Verstärkung und Analog-Digital-Wandlung aufnehmen. Man macht dazu Bilder bei der allerkürzesten Belichtungszeit mit Deckel auf dem Objektiv. ISO-Zahl wie bei den zu stackenden Bildern. Blende und Zoom sind egal. 10 Stück sollten reichen.

Darks sollte man auf jeden Fall machen und Flats sind empfehlenswert. Bias Frames kann man sich sparen, aber sie sind andererseits am einfachsten zu machen.

NEOWISE ganz groß im Tele, kurz nach Mitternacht am 13.07.2020. Nikon D800 mit Nikkor 70-200 mm F/4-Objektiv, 10s bei 130 mm, Blende 4, 6400 ISO. Stativ ohne Nachführung! Bild: © Skeptikskeptiker.

Motivauswahl

Hier sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. Man kann den Kometen in einem Weitwinkelbild schön neben einem Gebäude, einem Denkmal, Baum oder Berg in Szene setzen. Auch eine Spiegelung in einem See ist reizvoll. Auf Twitter findet man zahlreiche Anregungen.

Das Problem der Motivwahl stellt sich eher nicht, wenn man den Kometen mit Teleobjektiv in Großaufnahme aufnehmen will. Ein Zoomfaktor von 4-6 (siehe Tabelle) bietet sich hierbei an, um möglichst viel vom Schweif mit aufs Bild zu bekommen. Dann ist die Belichtungszeit noch halbwegs ergiebig, aber Stacking sei wärmstens empfohlen.

 

Und sonst?

Apropos wärmstens – je nachdem kann es in klarer Nacht in den Bergen empfindlich kühl werden, also eine Jacke mitnehmen. Licht ist wichtig, ideal ist Rotlicht. Wer ein Stirnlampe hat – mitnehmen, perfekt wenn man auf- und abbaut (und mal eine Schraube verliert). Akkus vorher vollladen. Lesebrille mitnehmen, um das Sucherbild lesen und auf scharfe Sterne überprüfen zu können. (Tipps von Skeptikskeptiker) Und von mir: nicht vergessen, die SD-Karte vom letzten Bearbeiten aus dem Rechner zu holen und wieder in die Kamera zu stecken!

So, und im nächsten Teil beschäftigen wir uns damit, wie man die Fotos durch Bildverarbeitung verbessern kann, und wie man aus 100 Aufnahmen eine einzelne der 100-fachen Belichtungszeit macht.

Kommentare (6)

  1. #1 werner
    18. Juli 2020

    Schöner Artikel. Un der Hinweis mit der SD-Karte ist zwar trivial, aber spätestens dann Gold wert, wenn man in der Pampa ohne Speicher steht…

  2. #2 René
    18. Juli 2020

    der Lautstärke-Knopf am Kopfhörerkabel ist üblicherweise der Drahtauslöser für Handys

    Ouh-mann… das ist mir ja fast peinlich. Mit dem Hinweis hast Du einen unglaublichen Aha-Effekt bei mir ausgelöst! Ich benutze ab jetzt immer das Headset als Drahtauslöser. ツ

  3. #3 schlappohr
    18. Juli 2020

    Super Artikel, wieder viel dazugelernt. Besonders die Tabelle mit den maximalen Belichtungszeiten ist Gold wert. Und Dankeschön für die Veröffentlichung der Bilder! Bin schon gespannt auf den Artikel zum Stacking.

    Noch zum Thema Fokussierung: Das geht wesentlich leichter mit einem Objektiv, das ausschließlich über einen manuellem Fokus verfügt. Ist eigentlich ein Anachronismus, aber genau das richtige wenn man zuverlässig auf Unendlich fokussieren will, weil dann der Anschlag des Fokusrings genau bei Unendlich liegt. Ein AF-Objektiv kann man hingegen auch über Unendlich hinaus drehen (dieser Headroom wird für die AF-Regelung benötigt, die sich erst einschwingen muss und daher noch ein wenig Spielraum nach oben braucht).
    Ich habe zwei Objektive mit manuellem Fokus, die ich fast auschließlich für Astrofotografie verwende: Ein Samyang 14mm f/3.5 und ein uraltes Pentax 50mm f/1.4 aus den Siebzigern, dessen Abbildungsqualität natürlich nicht an die moderner Linsen heranreicht. Aber auch heute werden noch Manualfokus-Objektive hergestellt (und teilweise zu Mondpreisen verhökert).

  4. #4 Ludger
    18. Juli 2020

    @Schlappohr #3

    […] wenn man zuverlässig auf Unendlich fokussieren will, weil dann der Anschlag des Fokusrings genau bei Unendlich liegt.

    Das stimmt bei vielen Objektiven nicht. Am Anschlag ist es oft zu weit gedreht, z.B. bei meinem 12mm Samyang. Das hat was mit Temperaturkompensation der Fokussierung zu tun. Man sollte den optimalen Einstellpunkt für Unendlich vorher austesten z.B. mit der eingebauten Fokussierhilfe LUPE).

  5. #5 Skeptikskeptiker
    19. Juli 2020

    Danke für den tollen Artikel, in dem ich mich ja auch ein bisschen wiederfinde 😉
    – wie Ludger schon schrieb – unendlich ist nie am Anschlag….
    – SD-Karte nicht vergessen – hätte auch von mir sein können.
    Ich stand auch schon draußen, aufgebaut, eingeschaltetet:
    – E-

    Hatten gestern (Sonnabend) gegen Mitternacht ein klares Fenster erwischt. Konnte meiner 91-jährigen Schwieger-Oma den ersten Kometen ihres Lebens zeigen.
    Zufällig stand ein kleiner Stern direkt unter dem Kometen, an dessen “Wanderung” man schon innerhalb einer Stunde die Bewegung des Kometen am Himmel erkennen konnte.

  6. #6 Jan
    Magdeburg
    20. Juli 2020

    Toller Artikel! Gute Tipps, da kann man nichts mehr falsch machen.
    Ich war auch schon drei Mal zum Knipsen los. Beim dritten Mal sind die besten Bilder entstanden. Übung macht den Meister!
    Erstmals habe ich mich ans Stacken gewagt. Die Ergebnisse sind gar nicht so schlecht geworden.