Beim “Forum Wissenschaftskommunikation” in Mannheim gehts spannend weiter. Carsten Könnecker,Chefredakteur bei Spektrum der Wissenschafthat einen Vortrag zum Thema “Twitter, Foren, Blogs: Chancen und Grenzen neuer Medien” gehalten. Ok – langsam könnte man mal aufhören das Zeug als “neu” zu bezeichnen; Blogs et al. gibts ja nun auch schon einige Zeit – aber das Thema an sich war interessant. Könnecker hat 10 Ausblicke präsentiert die zeigen sollen wie sich seiner Meinung nach die Wissenschaft durch das Internet verändern wird und 10 Einblicke vorgestellt wie man Blogs, Twitter und Facebook als Wissenschaftler am besten nutzen sollte.
Der erste Teil des Vortrags trug den Titel “Wie das Internet die Wissenschaft verändert”. Könnecker erklärte, dass früher “Selbstdarsteller” in der Wissenschaft eher verpönt waren; dass Engagement bei der Wissenschaftskommunikation eher als Hemmschuh für die Karriere wirkte und das es sowieso schwierig war, in die Medien (damals eben Zeitungen, Radio und Fernsehen) zu kommen. Heute dagegen gibt es dank dem Internet quasi überhaupt keine Barrieren mehr; die zunehmende “Exzellenzisierung” (egal ob man sie gut findet oder nicht) der Wissenschaft fördert den Drang nach Selbstdarstellung von Wissenschaftlern und Institutionen und wer sich entsprechend engagiert, der tut seiner Karriere damit – wenn auch immer noch nicht wirklich was Gutes – zumindest nichts Schlechtes.
Das führt direkt zu Könneckers ersten Ausblick: Die Entwicklung des Internets zwingt die Wissenschaftler quasi dazu, mit der Wissenschaftskommunikation ernst zu machen. Es gibt nun keine Ausrede mehr, hier nichts zu tun und die Gesellschaft hat ein Recht darauf zu wissen, was mit Steuergeldern alles geforscht wird.
Das führt laut Ausblick #2 dazu, dass die Kommunikation als genuiner Teil der Wissenschaft anerkannt werden muss; dass sie – so wie die Forschung selbst – als wichtiger Teil des Berufsbilds “Wissenschaftler” gesehen wird. Und das sollte sich dann wieder bei der Ausbildung, der Verteilung von Fördermittel und Berufungen bemerkbar machen. Wie wichtig dieser Punkt meiner Meinung nach ist habe ich ja hier schon öfter mitgeteilt. Solange man den Wert einer wissenschaftlichen Karriere weiterhin nur nach der Anzahl der Publikationen und der eingeworbenen Drittmittel beurteilt werden sich nur Idealisten mit Öffentlichkeitsarbeit beschäftigen…
Aber – meint Könnecker in Ausblick #3 – mittelfristig wird jeder Wissenschaftler mit “populären” Zielgruppen kommunizieren müssen. Wie das passiert ist – Ausblick #4 – allerdings eine Frage des Typs. Der eine wird bloggen; die andere verstärkt populärwissenschaftliche Vorträge halten oder sich bei Kinderunis o.Ä. engagieren.
Eine wichtige Erkenntnis auf diesem Weg ist Ausblick #5: Kommunikation ist Handwerk und kann erlernt werden. Auch wenn es natürlich immer Talente gibt die das besonders gut können kann doch jeder die Grundlagen erfolgreicher Wissenschaftskommunikation lernen.
Aber, so Könnecker in Ausblick #6, das passiert nicht. Die meisten Wissenschaftskommunikatoren sind Autodidakten; in der akademischen Ausbildung spielt dieses Thema höchstens vereinzelt eine Rolle. Hier besteht Nachholbedarf und es muss sich viel ändern.
In Ausblick #7 macht Könnecker sich Gedanken, was denn dann eigentlich passiert, wenn die Wissenschaftler auf einmal selbst massiv Wissenschaftskommunikation betreiben. Dieses “erhöhte Verkehrsaufkommen” wird dazu führen, dass sich auch der Wissenschaftsjournalismus verändern muss. Und zwar (Ausblick #8) weg von der Rolle des Übersetzers von Fachsprache zu Alltagsprache. Das wird immer mehr an Bedeutung verlieren da die Wissenschaftlers das dann selbst erledigen.
Ausblick #9 zeigt dann die “neuen” Wissenschaftsjournalisten die ihr Profil geschärft haben und deutlich gemacht haben, worin der Mehrwert des Wissenschaftsjournalismus im Vergleich zur Wissenschaftskommunikation liegt: zum Beispiel ist der Journalist idealerweise unabhängig und kann objektiv berichten – im Gegensatz zum Wissenschaftler der zwangsweise immer subjetiv über seine Forschung spricht.
Und schließlich werden sich (Ausblick #10) auch die Aufgaben der PR- und Öffentlichkeitsarbeiter an wissenschaftlichen Einrichtungen ändern. Sie werden nicht mehr kommunikativ zwischen Wissenschaftlern und Medien vermitteln sondern eher die Wissenschaftler als eine Art Kommunikationsberater unterstützen.
Zusammenfassend soll also das Internet dazu führen, dass sich die Wissenschaftler verstärkt selbst an die Öffentlichkeit wenden – und das die Wissenschaftsjournalisten eine neue Rolle als kritische Instanz der Wissenschaftskommunikation einnehmen. Naja – ich bin mal gespannt, ob das wirklich alles so kommt wie Könneckers Ausblicke das andeuten…
Was auf jeden Fall dazu nötig ist: Wissenschaftler, die sich selbst und aktiv mit den “neuen” Medien beschäftigen. Davon handelt der zweite Teil von Könneckers Vortrag: “Wissenschaft in Blogs & Co DOs und DON’Ts”.
Man ist also nun Wissenschaftlerin und will die Öffentlichkeit per Blog über die eigene Arbeit informieren. Man ist Wissenschaftler und will endlich auch mal bei diesem neumodischen Twitter-Dings mitmachen. Worauf soll man dabei achten?
Punkt 1 auf Könneckers Liste: Wo soll man überhaupt agieren, um die größte Wirkung zu erzielen? Die Antwort: dort, wie die größte Zielgruppe sitzt. Man sollte sich vorrangig den wissenschafts-affinen Leuten widmen und “das Essen dort servieren wo hungrige Leute sitzen und keine 5-Sterne Menüs in der Wüste servieren”. Ok – das klingt eher trivial. Und in letzter Konsequenz wird man sich irgendwann mal auch damit beschäftigen müssen, wie man die Leute erreicht, die bisher völlig fern jeglicher Wissenschaft leben. Aber, ok für den Anfang ist das wohl wirklich ein guter Tipp.
Punkt 2 beschäfigt sich mit der Frage die ich mir auch schonmal gestellt habe: Wozu ist Twitter eigentlich gut? Könneckers Antwort: Es ist ein “Empfehlungsmedium” und dient zum Aufspüren von Neuigkeiten bzw. zum Aufbau eines Netzwerks. Gut, wer Twitter noch nie benutzt hat ist nun wahrscheinlich auch nicht wesentlich schlauer. Mein Tipp: Twitter versteht man erst dann richtig, wenn man sich auch darauf eingelassen hat und es intensiv benutzt. Also: einfach loslegen!
Und wie, lautet Frage 3, nutzt man nun Twitter für die eigene Wissenskommunikation? Man soll damit anfangen, erstmal eigene Links und Fundstücke zu twittern meint Könnecker. Dazu Meinungen anbieten und vor allem aktuell sein. Dann kommen auch schnell die Follower. Ich wiederhole dazu nur nochmal das was ich oben schon gesagt habe: einfach loslegen mit Twitter und rumprobieren – dann findet man bald die Art und Weise wie es einem am besten nutzt bzw. Spaß macht.
Ein Blog, meint Punkt 4, spielt eine ganz andere Rolle. Hier kann man Diskussionen vertiefen, die Artikel werden auch von Google gefunden und sind nachhaltig. Man kann Inhalte schaffen und gut mit Kollegen bzw. interessierten Laien diskutieren. Ok, das ist relativ trivial; interessanter ist da schon Frage 5: Wie soll man eigentlich bloggen?
Könneckers Antwort: nicht als “Wissenschaftler” sondern als “Mensch”. Ein erfolgreicher Blog ist immer mit einer konkreten Person verbunden und “auf eine gesunde Art subjektiv”. Man soll ruhig persönlich werden und “bisweilen flachsen” und vor allem: auf Kommentare reagieren und “keinen Frontalunterricht machen” (das alles sollten übrigens auch Blogs von Institutionen berücksichtigen). Ja, hier kann ich Könnecker nur absolut zustimmen. Natürlich gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber wie ein wissenschaftlicher Blog geführt werden soll. Aber ich persönlich bin der Ansicht, dass gerade das “menschliche” die Stärke des Blogs ist. Fachlich-distanzierte Artikel über Wissenschaft kann man in jeder Zeitschrift lesen. Aber die Wissenschaftler als Menschen erlebt man i.A. nicht so direkt. Hier kann ein persönlicher Blog mit “gesunder Subjektivität” äußerst erfolgreich sein.
Könncker spricht dann auch noch Facebook an (Punkt 6). Das dient seiner Meinung nach eher als Adressbuch und zur Pflege eines vorhandenen Netzwerks anstatt zum Aufbau eines neuen (da ist Twitter besser). Und wie – Frage 7 – macht man nun auf sein Blog am besten aufmerksam? Hier scheint Twitter besser zu funktionieren als Facebook. Das kann ich persönlich jedenfalls auch bestätigen – aber ich denke, auch das ist individuell verschieden.
Egal ob Twitter oder Blog: man muss auf jeden Fall erstmal Reichweite aufbauen. Und das – Punkt 8 – verlangt nachhaltiges agieren und quasi einen Neuanfang. Auch wenn man schon Professor ist oder andere Titel hat: das nutzt einem erstmal nicht viel. Als Blogger muss man sich der Leserschaft neu beweisen.
Und das ist, sagt Könnecker in Punkt 9, tatsächlich auch Arbeit! Und eine Frage der Präsenz und Frequenz. Er bringt dann auch zwei Richtwerte: man sollte einen Tweet pro Tag und einen Blogartikel pro Woche verfassen. Meine Meinung dazu: es kommt nicht so sehr auf die Zahl an, als auf das Intervall. Es gibt auch tolle Blogs, die nur 2 Artikel pro Monat veröffentlichen. Aber ich weiß, dass diese zwei Artikel sicher kommen und vermisse daher in der Zwischenzeit nichts. Aber wenn ein Blogger erstmal jede Woche 5 Beiträge schreibt und dann anscheinend die Lust verliert und ein paar Monate gar nichts; dann vielleicht doch mal wieder was; dann wieder lange nichts – usw. – dann fliegt so ein Blog bei mir ganz schnell aus der Leseliste….
Sind nun, lautet die abschliessende Frage, die sozialen Medien “Superwaffen” in Sachen Kommunikation? Nein, meint Könnecker. Die klassischen Massenmedien haben immer noch eine viel größere Reichweite. Und das ist sicher richtig: ein Artikel in der BILD-Zeitung erreicht viel mehr Menschen als irgendwas in einem Wissenschaftsblog. Aber unter den richtigen Umständen in der richtigen Nische kann ein Blog manchmal doch sehr viel erreichen. Könnecker meint: “Ein von der richtigen Person getwitterter Buctipp kann mehr Weihnachtseinkäufe generieren als eine positive Besprechung in der FAZ”. Hmm – ich bin da eher skeptisch. Aber trotzdem war der Vortrag recht interessant.
Und ich habe nun auch eine Frage an meine Leserinnen und Leser – von denen ich weiß, dass viele Wissenschaftler dabei sind: Warum bloggt ihr nicht? Ist euch das zuviel Aufwand? Oder meint ihr, ihr hättet nicht das Talent zum Schreiben? Macht ihr auf andere Art Wissenschaftskommunikation (Vorträge, Führungen, …)? Habt ihr euch schonmal Gedanken darüber gemacht ob euch Blogs, Twitter, usw bei eurer wissenschaftlichen Arbeit/Karriere nutzen (oder schaden?) können? Und an diejenigen die ein Blog haben: wie seid ihr dazu gekommen? Hat es euch was gebracht?
Und schließlich an alle: Ist es wünschenswert, wenn so viele Wissenschaftler wie möglich die Wissenschaftskommunikation – via Blog, Twitter oder was auch immer – selbst in die Hand nehmen und über ihre Forschung berichten? In der Diskussion nach dem Vortrag gab es nämlich durchaus Stimmen die meinten, das wäre nicht so toll. Ich jedenfalls bin anderer Meinung: je mehr Wissenschaftler sich direkt an die Öffentlichkeit wenden desto besser! Was sagt ihr?
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