Seit der Entdeckung des ersten echten Exoplaneten im Jahr 1995 beschäftigt vor allem die Öffentlichkeit und die Medien eine große Frage: Gibt es irgendwo einen anderen Planeten, auf dem die gleichen Bedingungen wie auf der Erde herrschen? Auf dem Leben möglich ist oder sogar existiert? Die Astronomen sind nicht ganz so eng fokussiert wie die Medien; sie wollen einfach mehr über Exoplaneten rausfinden, egal ob erdähnlich oder nicht. Andererseits sind auch Astronomen nur Menschen und der Frage nach Planeten mit außerirdischem Leben können sie sich schwer entziehen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Suche nach dem ersten wirklich erdähnlichen Planeten mit großem Engagement betrieben wird. Bis jetzt war man schon oft fast erfolgreich. Man hat Planeten entdeckt, die die gleiche Größe, Masse oder Dichte wie die Erde besessen haben. Man hat Planeten entdeckt, die sich genau im richtigen Abstand von ihrem Stern befunden haben, in der sogenannten “habitablen Zone”, dort wie die Temperatur für die Entstehung genau richtig wäre. Aber bis jetzt hat man noch keinen Planeten gefunden, auf den beides zutrifft. Ein Planet, mit der richtigen Größe und der richtigen Zusammensetzung im richtigen Abstand: Danach suchen alle. Zur Zeit geht die Entdeckung einer “Supererde in der habitablen Zone” durch alle Medien. Ist das nun der gesuchte Planet? Oder wieder nur eine “Fast-Entdeckung”?
Der Planet, um den es geht, nennt sich GJ 667Cc. Er umkreist einen roten Zwerg; also einen recht lichtschwachen, kühlen kleinen Stern. Dieser Stern ist Teil eines Mehrfachsystems – das erkennt man schon an seinem Namen. Das “GJ” bezeichnet den Gliese-Jahreiß-Katalog, der Sterne in der Nähe der Sonne enthält. “667” ist die Nummer des Eintrags. Und das “C” besagt, dass der Stern die dritte Komponente eines Mehrfachsystems ist. Bei Doppel- oder Mehrfachsternen werden die einzelnen Objekte mit alphabetisch geordneten Großbuchstaben bezeichnet. Das System besteht also aus “GJ 667A”, “GJ 667B” und “GJ 667C”. Es ist ein sogenanntes hierarchisches System. D.h. A und B bilden ein Paar und diese beiden wiederum ein Paar mit C. Der Abstand zwischen GJ 667AB (man fasst so enge Paare gerne auf diese Art zusammen) und GJ 667C beträgt etwa 230 Astronomische Einheiten. Das ist fast das achtfache des Abstands zwischen Sonne und dem sonnenfernsten Planeten Neptun. Aus dynamischer Sicht ist der Einfluss von AB auf GJ 667C daher so gut wie zu vernachlässigen; wir können in der Folge die restlichen zwei Komponenten des Dreifachsystems ignorieren.
GJ 667C wird von mindestens zwei Planeten umkreist. Der eine wurde schon 2009 entdeckt. Er trägt den Namen GJ 667Cb (Planeten bezeichnet man immer mit dem Namen des Sterns plus angehängtem Kleinbuchstaben, alphabetisch gereiht nach dem Entdeckungszeitpunkt und angefangen mit “b”). Er befindet sich sehr nahe am Stern, nur 0,05 Astronomische Einheiten entfernt (die Erde ist von der Sonne 1 AE entfernt), und ist mindestens sechsmal schwerer als die Erde.
Ein Team aus Astronomen unter der Leitung von Guillem Anglada-Escudé von der Carnegie Institution in Washington (der seit Anfang des Jahrs an der Uni Göttingen arbeitet), hat nun jede Menge Beobachtung von GJ 667C gesammelt und darin noch einen weiteren Planeten entdeckt. GJ 667Cc ist etwas weiter vom Stern entfernt als der andere Planet. Er ist auch etwas leichter und wiegt nur das 4,5fache der Erde. Mit seinem Abstand von 0,12 AE (als einem Zehntel des Abstands zwischen Sonne und Erde) befindet er sich genau in der habitablen Zone des roten Zwergs! Und seine Masse macht ihn zu einer sogenannten “Super-Erde”, also einem Planeten wie die Erde, nur größer und schwerer. Ist GJ 667Cc also nun die lang gesuchte “zweite Erde”, mit Bedingungen, die außerirdisches Leben begünstigen könnten?
Nein. Bzw. höchstwahrscheinlich nicht. Das Problem an der Sache sind die Dinge, die wir noch nicht wissen. Die genaue Masse zum Beispiel. Oben habe ich geschrieben, das GJ 667Cc 4,5 mal so schwer ist wie die Erde. Das ist aber so nicht ganz korrekt. Der Planet wurde mit der sogenannten Radialgeschwindigkeitsmethode entdeckt. Dabei misst man das “Wackeln” des Sterns, das durch die Gravitationskraft des Planeten erzeugt wird. Leider kann man damit die Masse des Planeten nicht exakt bestimmen, sondern nur einen minimalen Wert. GJ 667Cc wiegt also mindestens das 4,5fache der Erde. Es kann aber auch viel mehr sein! Das hängt davon ab, unter welchem Winkel wir auf das Planetensystem blicken und das wissen wir nicht. Die 4,5 Erdmassen gelten nur für den Fall, dass wir exakt von der Kante auf das System blicken. Würden wir genau von oben auf das System blicken, dann würden wir gar kein Wackeln sehen. Die Wahrheit wird irgendwo dazwischen liegen und auch die Masse des Planeten wird höher sein als die 4,5 Erdmassen. Leider unterschlagen die Medien so etwas gerne. In diesem Fall kann man ihnen aber nicht mal einen Vorwurf machen, denn selbst in der Pressemitteilung der Uni Göttingen liest man:
“Die Super-Erde mit der Bezeichnung GJ 667Cc hat die viereinhalbfache Masse unserer Erde und umkreist auf einer Umlaufbahn von 28,15 Tagen einen Zwergstern der Klasse M.”
Dass es sich hier nur um eine Mindestmasse handelt, wird nirgendwo angesprochen. Aber ok, die Pressemitteilung ist sowieso nicht sonderlich gut, man schafft es ja nichtmal, direkt auf die Originalarbeit der Wissenschaftler zu verlinken… Übrigens steht das in der Pressemitteilung der Carnegie Insitution sehr wohl drin:
“But in addition to this first candidate, the research team found the clear signal of a new planet (GJ 667Cc) with an orbital period of 28.15 days and a minimum mass of 4.5 times that of Earth.”
(Den Link aufs Originalpaper hat man aber auch dort nicht geschafft).
Aber selbst wenn der Planet wirklich nur 4,5 Erdmassen wiegt, heißt das noch lange nicht, dass es dort auch Leben gibt bzw. das Leben überhaupt möglich ist. Die habitable Zone gibt nur den Bereich an, in dem die Temperaturen theoretisch Leben ermöglichen könnten. Sehr viel hängt allerdings von den Eigenschaften des Planeten ab. Wie ist seine Dichte und Zusammensetzung? Hat er ein Magnetfeld und eine Atmosphäre? Wie sieht die aus? Gibt es dort Plattentektonik? Usw. Noch sind wir nicht in der Lage, all diese Parameter zu bestimmen und wirklich herauszufinden, ob ein Planet Leben ermöglichen kann oder nicht. Das kann sich bald ändern, aber momentan fehlt uns dieses Wissen. Das merken Anglada-Escudé und seine Kollegen übrigens auch in ihrem Artikel an (die Pressemitteilung sagt dazu allerdings nichts):
“Let us remark that the ultimate capability of GJ 667Cc to support liquid water depends on properties that are not yet known (e.g, albedo, atmospheric composition and interior dynamics).”
Die Beobachtungen die Guillem Anglada-Escudé und seine Kollegen gemacht haben, sind hervorragend. GJ 667C c ist ein äußert faszinierender Planet. Es gibt auch gute Hinweise darauf, dass sich dort auch noch ein dritter Planet befindet. Das ganze System ist eine genauere Untersuchung definitiv wert und wir werden daraus jede Menge über Exoplaneten lernen. Aber die “zweite Erde” hat man dort nicht gefunden. Die Aufregung in den Medien ist (so wie damals bei Kepler 22b) nicht wirklich gerechtfertigt. Zumindest diese Art von Aufregung. Es wäre schon, wenn die Exoplanetenforschung in der Öffentlichkeit nicht immer nur als die Suche nach der zweiten Erde dargestellt werden würde. Es gibt noch so viel mehr interessante Dinge, die man da erzählen könnte…
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