Wer schreibt eigentlich die Artikel auf Bild.de? Dressierte Hunde? Schlecht programmierte Computeralgorithmen? Aber doch sicher keine echten Journalisten, oder? Wer auch immer diesen Artikel über den (nicht stattfindenden) Weltuntergang 2012 geschrieben hat, scheint sich jedenfalls extra bemüht zu haben, jeden einzelnen Punkt meines Leitfadens für Journalisten zu ignorieren…
Der erste Punkt in meiner Liste lautete: Der Maya-Kalender endet nicht!. Bei Bild beginnt der Artikel mit:
“Der Countdown läuft – unerbittlich. Am 21. Dezember endet der alte Maya-Kalender (…)”
Punkt zwei meiner Liste war: Es gibt keine Maya-Prophezeiung! Bei Bild kann man lesen:
“Die Untergangs-Theorie basiert auf einer Maya-Steintafel aus Tortuguero (Mexiko). Daraus soll hervorgehen, dass am 21. Dezember 2012 die menschliche Zivilisation endet, wie auch immer.”
Diese Inschrift in Tortuguero gibt es zwar tatsächlich. Vom Weltuntergang steht dort allerdings nichts.
Der dritte Punkt meiner Liste lautete: “Es gibt keine besondere Konstellation am Himmel!”. Bild schreibt:
“Auffällig: An genau dem Tag gibt es eine seltene Konstellation am Sternenhimmel. Unsere Sonne, die Erde und weitere Planeten stehen dann in Konjunktion zum Äquator unserer Milchstraße. Ein kosmisches Schauspiel, das sich nur alle 26 000 Jahre ereignet.”
Es hätte gereicht, irgendeinen Astronomen zu fragen (oder einfach mal Google zu benutzen) um herauszufinden, dass dieser Konstellationskram Blödsinn ist.
Ein weiterer Punkt auf meiner Liste war: Wir müssen nicht abwarten. Die ganzen 2012-Szenarien lassen sich überprüfen und widerlegen!. Bei Bild kann man lesen:
“Kometeneinschläge, Vulkanausbrüche oder eine verheerende Epidemie – niemand weiß genau, wie das Ende der Welt eingeläutet wird.”
Nur die Sache mit den Wissenschaftlern, die angeblich schlimme Dinge vorhergesagt haben, hat der Bild-Artikel ausgelassen. Da hat der Hund/Algorithums/”Journalist” ein wenig geschlampt…
Wenn der Bild-Artikel aber nur den üblichen Weltuntergangsunsinn wiederholt hätte, wäre die Sache nicht so schlimm. Der steht ja sowieso schon mehr als oft irgendwo im Internet. Etwas bedenklich sind dann aber die “Tipps”, die BILD den Lesern für die letzten Tage vor dem (nicht stattfindenden) Weltuntergang gibt. Ok, Weihnachten früher zu feiern oder die Silvesterparty vorzuziehen ist jetzt nicht so tragisch. Aber bei solchen Vorschlägen frage ich mich dann schon, was sich der Hund/Algorithums/”Journalist” dabei gedacht hat:
“Geigen Sie Ihrem Chef nochmal ordentlich die Meinung! Ist ja schließlich egal, wenn er sie feuert.”
“Kündigen Sie Ihre Lebensversicherung!
Räumen Sie ihr Konto komplett leer – oder noch besser – überziehen Sie! Mit dem Geld reisen Sie an Ihr Traumziel und essen dort bis zum Umfallen. Zum Fettwerden bleibt ohnehin nicht mehr genug Zeit.
Ja, das ist wahrscheinlich alles “lustig” gemeint. Ein kleiner Witz, hahaha. Das Problem dabei: Nicht jeder versteht solche “Witze”. Nicht jeder weiß, dass die Texte bei BILD nicht unbedingt etwas mit Journalismus zu tun haben und nicht ernst zu nehmen sind. Manchmal lesen zum Beispiel auch Kinder Texte im Internet – und wenn die dann auf solchen Schund wie in diesem Artikel treffen, dann bekommen sie Angst. Der Artikel bei BILD ist erst seit ein paar Stunden online – aber hat mir schon eine erstaunliche Menge an Anfragen von 12 bis 15jährigen eingebracht, die nicht wissen, was sie davon halten sollen, wenn ein so prominentes Medium wie BILD die Leser auffordert, alles Geld auszugeben und es vor dem Ende nochmal richtig krachen zu lassen.
Und es sind nicht nur Kinder, die bei solchen Texten Unbehagen empfinden. Auch wenn das alles nicht ernst gemeint ist, sind es doch genau diese halblustigen Texte der “echten” Medien, die Probleme schaffen. Wenn irgendwelche obskuren Internetforen oder YouTube-Videos sich mit dem 2012-Unsinn beschäftigen ist das eine Sache. Wenn aber Radio, Fernsehen und Zeitungen einsteigen, dann bekommt das eine ganz andere Dimension. Aus journalistischer Sicht ist es vielleicht noch nachvollziehbar, dass man auf der Panikschiene mitfährt und das ganze “Mysterium” von wegen “Wer weiß schon, was wirklich passiert” und “Angeblich sollen schlimme Dinge passieren” aufwärmt. Das schafft Aufmerksamkeit und ein bisschen Gruseln und Angst tut ja niemandem weh, oder? Man stellt das ja nachher sowieso klar (zumindest wenn man nicht die BILD ist) und erklärt im letzten Absatz, dass vermutlich eh nix passieren wird (Erst gestern hab ich eine Anfrage von einem Radiosender bekommen, der mich interviewen möchte. In der ersten Hälfte der Sendung soll ein wenig “Panik gemacht werden” – so stand es in der Mail – um dann in der zweiten Hälfte mich zwecks Klarstellung zu interviewen). Aber all diese Andeutungen, das ganze “möglicherweise”, “vielleicht” und “angeblich” und die ständige genüssliche Wiederholung der “vorhergesagten” Schreckenszenarien schaffen den Nährboden, auf dem die Angst wachsen kann. Denn auch wenn sich die meisten “normalen” Medien nicht so weit herablassen, tatsächlich den Weltuntergang vorherzusahen, erzeugen sie durch die Art und Weise der Berichterstattung eine unangenehme Grundstimmung. Dieses ganze “Die Maya haben den Weltuntergang vorhergesagt! Wir werden alle am 21.12.2012 sterben!! Oder vielleicht doch nicht?” erzeugt Unsicherheit. Ist da vielleicht nicht doch was dran? Wenn eh alles kompletter Unsinn ist, warum schreiben die dann überhaupt darüber. Und offensichtlich ist man sich in der Sache nicht einig und weiß nicht genau, ob nicht vielleicht doch was passieren wird… Die Katastrophe, der Weltuntergang und die Schlagzeilen bleiben den Lesern stärker im Gedächtnis als die irgendwann später folgende Erklärung, dass das wahrscheinlich alles eh nicht passieren wird. Und dann kommt noch jemand von der BILD-Zeitung und veröffentlicht so einen völlig unreflektierten Unsinn zum Thema…
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