Rund um den Jahreswechsel ist in den Buchläden Kalender-Overkill. Kalender aller Arten für das aktuelle Jahr werden verkauft; Kalender mit Katzen, Kalender mit hübschen Landschaften, mit Kunstwerken, mit Autos, mit nackten Frauen; Kalender mit witzigen Sprüchen und lustigen Cartoons und Kalender mit “witzigen” Sprüchen und “lustigen” Cartoons. Und natürlich Kalender mit jeder Menge Esoterik. Besonders beliebt sind Mondkalender. Denn wie jeder weiß, hat der Mond einen großen Einfluss auf uns Menschen und man muss sich bei allem was man tut, immer nach dem Stand des Mondes richten. Naja, das zumindest behaupten die Leute, die einem den Mondkalender verkaufen wollen. Die Realität sieht natürlich ganz anders aus. In der echten Welt ist es dem Mond vollkommen egal, wann wir was tun.
Dem esoterischen Unsinn über den Mond habe ich früher schon einen eigenen, langen Artikel gewidmet. Das war im Jahr 2008, aber auch 2013 macht der Mond-Unsinn keine Anstalten, zu verschwinden. Und Unsinn ist es zweifelsfrei, was da in den einschlägigen Mondkalendern verbreitet wird. Ich habe heute im Buchgeschäft kurz einen davon durchgeblättert (Mondkalender 2013: Besser leben mit der Kraft des Mondes) Die Autorin, Andrea Lutzenberger, beginnt gleich mit der klassischen Einleitung, die man immer in solchen Kalendern findet: Der weise alte Großvater oder wie in diesem Fall die weise alte Großmutter, die sich auf ihrem Bauernhof immer bei allen Arbeiten nach dem Mond richtet.
“Nachdem ich die alte Frau ein paar Jahre verwundert beobachtet hatte, nahm ich mir ein Herz und fragte, warum sie ihre Gartenarbeit zu den ‘unmöglichsten Zeiten’ verrichtete und nicht dann, wenn es alle taten. Die Jörg-Oma antwortete damals nur: ‘Weisch Mädla, du muasch auf des richtige Zeicha achta, i gang halt nach’m Mond.'”
Und dieses alte überlieferte Wissen der schlauen Bäuerin wird uns offensichtlich nun im vorliegenden Kalender präsentiert…
Abgesehen davon, dass nicht immer alles gut ist, was die Menschen schon seit langer Zeit machen, ist auch historisch nachgewiesen, dass die Flut der Mondkalender in den Buchläden nichts mit altem, bäuerlichen Erfahrungswissen zu tun hat. Ich zitiere immer wieder gern die Forschungsergebnisse des Kulturwissenschaftlers Helmut Groschwitz von der Uni Regensburg, der in seiner Arbeit “Mondzeiten: Zu Genese und Praxis moderner Mondkalender” zu folgendem Fazit kommt:
“Das in den heutigen Mondkalendern vermittelte “Wissen” ist kein uraltes, empirisches Bauernwissen wie in den Kalendern zur Legitimation der Regeln behauptet wird. Vielmehr sind es die Versatzstücke ehemals elitekultureller Welterklärungssysteme, die mehrmals aus dem jeweiligen Zusammenhang genommen und neu kontextualisiert wurden. Das Interpretament der “lebendigen Bauernweisheit” entstand im 19. Jahrhundert und wird im 20. Jahrhundert als Etikettierung höchst moderner Erscheinungen verwendet. (…) auch heute noch wird an den Mondkalendern weitergeschrieben.”
Viele der Regeln aus den Büchern der Mondkalender-“Erfinder” Paungger & Poppe stammen zum Beispiel aus esoterischen Schriften der Anthroposophin Maria Thun und nicht von den bäuerlichen Vorfahren, wie Groschwitz in seiner Arbeit nachweist.
Warum sollte die Mondphase auch einen Einfluss auf den Menschen haben? Es ist ja immer der selbe Mond, es ist nur ein unterschiedlich großer Teil seiner beleuchteten Hälfte sichtbar. Und auch am Mondlicht ist nichts mysteriöses. Es ist ganz normales Sonnenlicht, genau das gleiche Licht, von dem wir tagsüber viel mehr zu sehen bekommen. Natürlich hat der Mond einen Einfluss auf die Erde. Seine Gravitationskraft erzeugt die Gezeiten und es gibt viele Meereslebewesen, die ihr Leben tatsächlich am Rhythmus der Gezeiten und damit auch indirekt am Mond selbst ausgerichtet haben. Aber daran ist nichts mysteriös. Die Gezeiten sind gut verstanden und ebenso gut verstehen wir, dass die Gezeitenkraft auf den menschlichen Körper keinen Einfluss hat. Dafür ist der Mensch viel zu klein; man beobachtet ja auch keine Ebbe in der Badewanne oder eine Flut im Bierglas. Selbst das große Mittelmeer ist zu klein, um darin vernünftige Gezeiten beobachten zu können. Gezeitenkräfte basieren auf der unterschiedlich starken Gravitationskraft die in unterschiedlichen Entfernungen vom Mond wirken. Ein Mensch ist aber so klein, dass es keinen Unterschied macht, ob sein Kopf ein bis zwei Meter näher am Mond ist oder nicht.
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