Der Jupitermond Europa ist einer der faszinierensten Himmelskörper im Sonnensystem. Vor allem, weil es dort tatsächlich Leben geben könnte. Denn Europa ist zwar von einer dicken Schicht aus Eis bedeckt; darunter befindet sich aber ein großer Ozean aus Wasser – viel mehr Wasser, als es auf der Erde gibt. Ob dieses Meer aber tatsächlich Leben enthält oder nicht, wissen wir nicht. Dazu müsste man die Eisschicht durchdringen und den unterirdischen Ozean ausführlich untersuchen. Für solche Missionen gibt es zwar Pläne; die sind aber alle sehr komplex und teuer. Aber vielleicht gibt es eine einfachere Methode. Die Astronomen Mike Brown (der “Plutokiller”) und Kevin Hand haben herausgefunden, dass das Wasser von Europa nicht ganz so unzugänglich ist, wie es den Anschein hatte.
In den 1990er Jahren hat die Raumsonde Galileo die Monde des Jupitersystems besucht. Darunter natürlich auch Europa und die Sonde hat ein Spektrum des vom Eis reflektierten Lichts aufgenommen. Man hat also nachgesehen, wie viel Licht in den jeweiligen Wellenlängenbereichen zurück gestrahlt wurde um so herauszufinden, woraus die Oberfläche genau besteht. Natürlich hauptsächlich Wassereis – aber da war auch noch etwas anderes! Aber was genau das war, konnte man nicht sagen, da die Instrumente von Galileo nicht die nötige Auflösung hatte. Man wusste zwar, das es kein Wassereis war, aber mehr auch nicht. Man hatte natürlich ein paar Vermutungen, die sich aber durch die Beobachtungen nicht bestätigen oder widerlegen lassen. Eine Vermutung hat mit der Bewegung von Europa und seinem Nachbarmond Io zu tun.
So sah Europa aus, als Galileo den Mond 1997 fotografierte. Links ist das Bild in echten Farben zu sehen und rechts wurde der Kontrast erhöht:
Man sieht klar, dass die beiden Hemisphären von Europa unterschiedlich aussehen. Auf seiner rechten Seite ist viel mehr rotes Zeugs zu sehen als auf der linken. Man geht davon aus, dass es von Io kommt. Denn Europa braucht 3,5 Tage um Jupiter einmal zu umrunden. Er braucht auch 3,5 Tage, um sich einmal um seine eigene Achse zu drehen. So wie bei unserem Mond hat die Gezeitenkraft von Jupiter die Bewegungen synchronisiert. Das bedeutet aber auch, dass Europa eine “Vorderseite” und eine “Hinterseite” hat. Eine Hälfte des Mondes zeigt wie die Frontscheibe eines Autos immer in die Bewegungsrichtung und die andere immer in die andere Richtung. Jetzt kommt Io ins Spiel. Dort gibt es enorm viele aktive Vulkane und die schleudern jede Menge Schwefel ins All. Das starke Magnetfeld von Jupiter fängt diese Teilchen ein und da sich Jupiter mitsamt Magnetfeld und Schwefel einmal alle 10 Stunden um seine Achse dreht, bekommt Europas “Hinterseite” regelmäßig jede Menge Schwefel ab. Der Schwefel verbindet sich dort mit dem Wassereis um Schwefelsäure zu bilden. Und diese Schwefelsäure könnte durchaus genau das sein, was Galileo beobachtet hat.
So weit ist die Sache zwar sehr interessant, aber noch nicht spektakulär. Spektakulär wird sie erst mit den aktuellen Beobachtungen von Mike Brown und Kevin Hand. Eine neue Raumsonde, die Europa aus der Nähe beobachtet, gibt es zwar nicht, aber die beiden haben das 10-Meter-Keck-Teleskop auf Hawaii benutzt, um dank neuer Technik trotzdem ein viel besseres Spektrum des Mondes aufzunehmen, als es damals Galileo konnte. So sehen die neuen Daten aus:
Rechts ist die “Vorderseite”, links die “Hinterseite” und die Farbe gibt an, wo Wassereis ist und wo etwas anderes. Blau/gelb sind die Regionen, die hauptsächlich Wassereis enthalten und rot/schwarz sind die Gegenden, wo das “andere” Zeug ist, das Schwefelsäure sein könnte. Natürlich muss da irgendwo auf Europa Schwefelsäure sein; denn man weiß ja, dass der Schwefel von Io auf Europas fällt. Aber gibt es daneben auch noch etwas anderes? Brown und Hand konnte mit den besseren Daten tatsächlich etwas finden, das neu war. Im Labor haben sie verschiedene chemische Experimente angestellt um herauszufinden, welcher Stoff genau das Signal reproduziert, dass sie im Spektrum beobachtet hatten. Es war Bittersalz, das offiziell Epsomit beziehungsweise Magnesiumsulfat (MgSO4) heißt. Magnesium hat aber an der Oberfläche niemand erwartet. Magnesium kommt aus Steinen und Steine gibt es auf der Oberfläche nicht viel, die ja aus Eis besteht. Aber darunter ist das Wasser und darunter ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Ozeanboden aus Gestein. Wenn also nun Wasser das Magnesium aus den Gestein wäscht und dieses unterirdische Meerwasser dann irgendwie an die Oberfläche gelangt, dann wird es dort von Ios Schwefel getroffen und es entsteht Bittersalz.
Es wäre seltsam, wenn das Magnesium nur auf Europas “Hinterseite” existieren würde. Aber das ist halt der Ort, an dem es mit dem Schwefel reagieren kann und wo man dann das Bittersalz im Spektrum sehen kann. Auf der Vorderseite muss es auch Magnesium geben – allerdings ebenfalls nicht in Reinform. Wie das Magnesium dort vorkommt, hängt davon ab, wie die Steine im Ozean aufgebaut sind. Entweder es gibt im Meer dann jede Menge Schwefel oder viel Chlor. Das Magnesium kommt dann entweder als Magnesiumsulfat oder als Magnesiumchlorid vor. Wenn es aber Schwefel wäre, dann müsste man das Magnesiumsulfat überall auf Europa finden können und eben nicht nur auf der “Hinterseite”. Es ist also wahrscheinlich, dass Magnesiumchlorid aus dem Meer an die Oberfläche kommt. Und auf der “Hinterseite” erzeugt die Reaktion mit dem Schwefel von Io dann eben das Bittersalz.
Also: Der Ozean von Europa ist salzig! Er enthält Magnesiumchlorid; ein Magnesiumsalz. Man kann es essen (als E511 ist es in der Lebensmittelherstellung als Zusatz zugelassen und taucht zum Beispiel in Tofu auf). Aber als “Salz” kennen wir normalerweise eher das Natriumchlorid; unser normales Speisesalz. Aber auch das könnte in Europas Meeren vorhanden sein. Denn bei einer früheren Arbeit hatten Brown und seine Studentin Sarah Horst Natrium und Kalium in Europas Atmosphäre gefunden. Die ist zwar enorm dünn, eigentlich kaum vorhanden und entsteht, wenn Strahlung aus dem All auf die Oberfläche trifft und dort einzelne Atome heraus schlägt. Wenn Natrium und Kalium also in der Atmosphäre sind, dann müssen sie auch auf der Oberfläche sein und dann ist es plausibel, dass sie ebenfalls von Salzen aus dem Ozean stammen. In diesem Fall dann eben Natriumchlorid (Speisesalz) oder Kaliumchlorid (E508). Würde man also an Europas Oberfläche lecken, dann würde es in etwa genau so schmecken, wie ein Schluck Meerwasser…
Der Ozean von Europa ist also ein salzhaltiges, warmes Meer. So wie das Meer, in dem das Leben auf der Erde entstanden ist. Das heißt nicht, dass es auch auf Europa Leben gibt. Aber es lässt hoffen! Vor allem weil die neuen Beobachtungen zeigen, dass Ozean und Oberfläche in Verbindung stehen. Es kann also zu chemischen Wechselwirkungen zwischen den Elementen und Molekülen auf der Oberfläche und den Stoffen im Wasser kommen und das erhöht die Chance auf die Bildung komplexer organischer Moleküle, die die Vorläufer von Leben darstellen.
Und fast noch wichtiger ist: Wenn wir Europas Ozean untersuchen wollen, dann müssen wir keine komplizierten Bohrungen anstellen und U-Boote durch den Weltraum schicken. Eine normale Sonde tut es auch, denn wenn wir die zu den richtigen Stellen schicken, können wir die Chemie von Europas Meer direkt an der Oberfläche untersuchen!
Bleibt noch eine Frage: WIE kommt das Wasser denn nun an die Oberfläche? Tja, das weiß man noch nicht. Es könnte Spalten im Eis geben, durch die Wasser aufsteigen kann oder regelrechte Geysire, also Eisvulkanismus, so wie man ihn zum Beispiel auch auf dem Saturnmond Enceladus beobachtet hat. Aber ich bin sicher, dass wir das in nicht allzu ferner Zukunft herausfinden werden. Je mehr wir über Europa erfahren, desto interessanter wird dieser Himmelskörper. Wir werden es uns nicht leisten können, ihn nicht weiter zu erforschen!
P.S. Mike Brown hat selbst auch sehr ausführlich über die Arbeit gebloggt. Hier gehts los.
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