Den Versuch, Werbung für fundamentalistische Bibelinterpretationen zu machen und sie als Wissenschaft zu verkaufen gibt es immer wieder. Ganz besonders dann, wenn es um den “Kreationismus” geht, also die Ablehnung der biologischen Erkenntnisse der Evolutionstheorie die stattdessen durch die biblischen Schöpfungsmythen ersetzt werden. Den Kreationismus stellen wir uns ja meisten irgendwo in hinterwäldlerischen US-Städten vor. Aber hier in Europa existiert er genau so: zum Beispiel hängen knapp ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler in Österreich kreationistischen Idee an (siehe diese Studie von Erich Eder von der Uni Wien). Und immer wieder versuchen die Vertreter des Kreationismus ihre Lehren auch in universitärem Umfeld zu verbreiten (siehe zum Beispiel hier oder hier). Auch in meiner Heimatstadt Jena war die Universität im Jahr 2010 Gastgeber für Kreationisten. In dieser Woche finden an der Uni Jena die “Hochschultage” statt. Das klingt erstmal sehr akademisch und unverfänglich. Aber schon ein Blick auf die Veranstalter zeigt, dass es sich hier nicht um den üblichen Universitätskram handelt. Die Hochschultage werden von der Studentenmission Deutschland, den “Studenten für Christus” und der Gruppe “Entschieden für Christus” organisiert. Und gegen Studenten, die Christen sind und sich entsprechend organisieren ist ja auch absolut nichts einzuwenden. Wenn dann aber diese religiösen Studentengruppen die Universität nutzen, um wissenschaftsfeindlichen Kreationismus zu propagieren, ist das aber eine ganz andere Sache. Kreationismus hat nichts im universitären Umfeld zu suchen und jede Hochschule setzt ihre wissenschaftliche Glaubwürdigkeit aufs Spiel, wenn sie Kreationisten und anderen Pseudowissenschaftlern eine Bühne gibt. Ebenso wenig ist es in Ordnung, dass diese Veranstaltung auch noch unter der offiziellen Schirmherrschaft des Jenaer Oberbürgermeisters Albrecht Schröter (SPD) steht, der heute Abend dort ein “Grußwort an die Studenten richten” wird.
Nur damit mich nicht wieder jemand (absichtlich) falsch versteht: Ich habe kein Problem mit religiös (oder sonst irgendwie weltanschaulich) motivierten Studentengruppen. Auch nicht damit, dass diese Gruppen entsprechend religiös motivierte Veranstaltungen durchführen. Das können und sollen sie gerne tun. Aber eine Universität ist definitiv nicht der richtige Ort, um kreationistische Ideen zu verbreiten. Das ist genau so zu verurteilen wie zum Beispiel die Astrologie-Propaganda im Technischen Museum Wien. Deswegen möchte ich an dieser Stelle gerne den offenen Brief der Giordiona-Bruno-Stiftung-Hochschulgruppe Jena an den Rektor der Uni Jena und den Oberbürgermeister Schröter teilen.
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Kein Kreationismus bzw. „Intelligent Design“ an der FSU Jena!
Ein öffentlicher Appell an Universitätsrektor Klaus Dicke und OB Albrecht Schröter
Jena, den 12. Mai 2014
Sehr geehrter Rektor Professor Dr. Klaus Dicke,
sehr geehrter Oberbürgermeister Dr. Albrecht Schröter,
vom 12. bis 14. Mai 2014 finden unter Ihrer Zustimmung zur Vergabe der Hörsäle, Herr Rektor, bzw. unter Ihrer Schirmherrschaft, Herr Oberbürgermeister, in den Räumen der Friedrich-Schiller-
Universität Jena die sog. Hochschultage Jena statt. Diese Vorträge, Seminare und Gesprächsangebote werden von drei evangelikalen Hochschulgruppen organisiert, die sich explizit die Missionierung zur Aufgabe gemacht haben. Die Wahl der Referenten (u.a. 3 Theologen und 3 Kreationisten) und Themen (z. B. „Leitplanken einer christlichen Friedensethik“) bestätigt den Eindruck, dass es das Ziel der Veranstaltungsreihe ist, Studierende zum christlichen Glauben zu bekehren. Schließlich findet an den drei Abenden jeweils während des Abendvortrages ein Gebet statt. Dies alles geschieht mit ihrem „Segen“ unter dem vermeintlich neutralen Motto „überLEBEN …mehr als du glaubst“ – nicht jedem dürfte bewusst werden, dass damit vorrangig der christliche Glaube propagiert werden soll.
Erst recht nicht, wenn dies in universitären Räumen geschieht und wenn ausgerechnet bei den drei zentralen Veranstaltungen in der Programmübersicht der Hinweis fehlt, dass es sich bei dem Referenten um einen Pfarrer aus Münster handelt: Volker Roggenkamp bildet zur „besten Sendezeit“ nach Vorlesungsfeierabend den allabendlichen Höhepunkt, dem von der Universität dreimal der zweitgrößte Hörsaal zur Verkündung gewährt wird.
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