Wissenschaftler sind schlecht angezogene Nerds, die den ganzen Tag und die halbe Nacht (oder wahlweise die ganze Nacht und den halben Tag) in ihren Büros und Labors sitzen und auf Parties nur schüchtern in der Ecke stehen. So ungefähr lautet das gängige Vorurteil. Das es in der Realität aber ganz anders aussieht, konnte man am 31. Januar 2015 beim ersten Ball der Wissenschaften in Wien beobachten.
Ein klassischer Wiener Ball ist nicht einfach nur eine Party oder Tanzveranstaltung. Es ist eine Tradition mit langer Vergangenheit, die von den Wienerinnen und Wienern mit Begeisterung gepflegt wird. Jedes Jahr zwischen dem 11. November und Aschermittwoch sind die meist mehr und manchmal auch weniger prunkvollen Veranstaltungsräume der österreichischen Hauptstadt mit gut gekleideten Ballbesuchern gefüllt. Jede Vereinigung und jede Berufsgruppe hat ihren eigenen Ball. Letzten Samstag wurde zum Beispiel in der Wiener Hofburg der 1905 gegründete Jägerball gefeiert und in der Vorstadt der “Ball der Gewichtheber”. Auch die Zuckerbäcker, Kaffesieder, Ärzte, Philharmoniker, Offiziere, Floristien, Pharmazeuten und Juristen feiern in der Ballsaison ihre eigenen Festen. Die Wiener Wissenschaftler hatten bis jetzt allerdings noch keinen eigenen Ball und das sollte sich in diesem Jahr ändern. Die Zeit dafür war reif, denn seit sich der Wiener Korporationsball im Jahr 2013 in Wiener Akademikerball umbenannt hatte, war der Großteil der Wissenschaftler unzufrieden. Mit einer Veranstaltung für Wissenschaftler und Forscher hat dieser “Akademiker”-Ball, der von der rechtspopulistischen Partei FPÖ veranstaltet und hauptsächlich von Burschenschafts-Mitgliedern und diverser rechter bis rechtsextremer Politik-Prominenz besucht wird, nämlich nicht viel zu tun. Um sich von diesem – in den letzten heftig umstrittenen Ball – abzugrenzen, wurde 2015 der “Wiener Ball der Wissenschaft” ins Leben gerufen.
Der Ball soll aber weit mehr sein, als nur eine simple Gegenveranstaltung. Ziel der Veranstaltung war es auch und vor allem, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass Wissenschaft durchaus genau so sehr Teil der Kultur ist, wie klassische Musik, prunkvolle Architektur und Walzertanz. Wien war nicht nur die Stadt von Mozart und den Wiener Philharmonikern, sondern auch die Stadt von Ludwig Boltzmann, Kurt Gödel, Ludwig Wittgenstein, Erwin Schrödinger, Konrad Lorenz, Lise Meitner oder Oskar Morgenstern. Wien ist heute die Stadt von Anton Zeilinger, Josef Penninger und vieler anderer Spitzenforscher der Gegenwart. In Wien gibt es 1400 Forschungseinrichtungen und knapp 40.000 Menschen arbeiten auf die eine oder andere Weise in der Forschung. Wissenschaft ist in Wien mindestens genau so sehr Tradition wie klassische Musik, das Kaffeehaus oder die Sissi-Nostalgie. Die Wissenschaft hat sich ihren Ball verdient. Und am Samstag konnte jeder sehen, dass Forscher durchaus in der Lage sind, stillvoll zu feiern ohne dabei die Forschung zu vergessen…
Ich habe mich gefreut, von den Veranstaltern des Balls nach Wien eingeladen worden zu sein. Ich habe noch nie einen der traditionellen Wiener Bälle besucht – aber einen “Ball der Wissenschaft” wollte ich natürlich nicht auslassen!
Das Wiener Rathaus hat sich am 31. Januar unter einem strahlend blauen Himmel präsentiert:
Der Ball fand aber natürlich erst abends statt. Und wie es sich für einen klassischen Wiener Ball gehört, sollte man dabei entsprechend angezogen sein. Bei den Männern bedeutet das: Frack oder Smoking; oder zumindest einen dunklen Anzug. “Wenn schon, dann auch ordentlich!”, habe ich mir gedacht und einen (geliehenen) Frack angelegt:
Die Garderobe war ungewohnt, aber dann auch überraschend bequem. Nur ein klein wenig kompliziert anzuziehen… Aber ich war nicht der einzige, der mit der traditionellen Kleidung zu kämpfen hatte. Auch der Stargast des Abends und Erfinder der Ig-Nobelpreise Marc Abrahams bekam noch kurz vor Ballbeginn ein wenig Krawatten-Hilfe von Organisator Oliver Lehmann.
Beim Ball der Wissenschaften war natürlich auch die Musik akademisch und wurde vom Sinfonieorchester des Konservatorium Wien gespielt. Zum Auftakt gab es, etwas ungewohnt für einen Ball, die festliche Overtüre von Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch. Die wurde eigentlich zum 37jährigen Jubiläum der russischen Oktoberrevolution komponiert, hat sich aber auch auf dem Ball recht gut gemacht. Danach ging es aber ganz klassisch weiter mit dem Eröffnungstanz:
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