Letzte Woche habe ich von der epochalen Entdeckung des ersten interstellaren Asteroids berichtet. Ein Objekt wie diesen Himmelskörper, der den schönen Namen ‘Oumuamua trägt, haben wir bis jetzt noch nie gesehen. Das erste Mal konnten wir einen Asteroid beobachten der in einem anderen Sonnensystem entstanden ist. Millionen von Jahren ist er durch den leeren Raum zwischen den Sternen geflogen und nun für einen kurzen Besuch bei uns vorbei gekommen. Fast hätten wir ihn verpasst aber zum Glück ist er den Astronomen gerade noch rechtzeitig aufgefallen. Seit seiner Entdeckung im September probiert man nun möglichst viel über ihn heraus zu finden. Die Zeit drängt, denn ‘Oumuamua ist schon wieder auf dem Weg zurück in den interstellaren Raum und wird bald nicht mehr zu beobachten sein.
Und das es sich lohnt noch einmal genau hinzusehen bevor er verschwunden ist zeigt eine kürzlich erschienene Arbeit von Karen Meech von der Universität Hawaii und ihren Kollegen (“Discovery and characterization of the first known interstellar object (pdf)”). Die ersten Daten nach der Entdeckung haben ja schon angedeutet dass der Asteroid nicht rund ist. Das hat sich nun bestätigt, auf sehr extreme Weise. Meech und ihre Kollegen habe verschiedene Teleskope, darunter auch das Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte auf ‘Oumuamua gerichtet und seine Helligkeit so genau vermessen wie es ihnen möglich war. Dabei hat sich eine sehr klare periodische Veränderung gezeigt; alle 7,3 Stunden ändert sich die Helligkeit um einen Faktor 10:
Die bunten Symbole sind die Helligkeitsmessungen der verschiedenen Teleskope die zu verschiedenen Zeitpunkten (x-Achse) durchgeführt worden sind. Um zu erkennen warum diese Grafik höchst interessant ist muss man zuerst einmal wissen warum sich die Helligkeit eines Asteroids überhaupt ändert. Nicht, weil er selbst heller und dunkler wird. Asteroiden leuchten nicht von selbst, sie reflektieren nur das Licht der Sonne. Und sie drehen sich um ihre eigene Achse. Wenn nun die Form des Asteroids unregelmäßig ist, dann ändert sich auch die Größe der zur Erde gerichteten Fläche die Licht in unsere Richtung reflektieren kann. Ein länglicher Asteroid kann uns die lange, breite Seite zeigen und viel Licht reflektieren. Oder aber die kurze Seite und dabei dunkler erscheinen. Im Diagramm oben erkennt man auch eine gepunktete Linie. Die zeigt an was ein ovaler Asteroid an Licht reflektieren würde der 10 mal länger als breit und tief ist. Ein Ellipsoid mit einem Achsenverhältnis von 10:1:1! Das ist außergewöhnlich!
‘Oumuamua wird auf eine Länge von 400 Metern geschätzt, ist aber dabei sehr schmal. Solche Formen sehen wir bei den uns bisher bekannten Asteroiden kaum und es ist überraschend dass der erste entdeckte interstellare Asteroid gleich so seltsam aussieht. Es muss sich um ein ziemlich kompaktes Objekt aus Gestein und Metall handeln das rötlich leuchtet (was zu erwarten war da die Millionen Jahre an kosmischer Strahlung in interstellaren Raum die Oberfläche eines Objekts so verändern dass es rotes Licht besser reflektiert).
Die Messungen von Meech und ihren Kollegen haben auch bestätigt dass der Asteroid keinerlei kometare Aktivität zeigt. Er enthält also offensichtlich keine flüchtigen Stoffe, kein Eis oder ähnliches das in der Nähe der Sonne gasförmig werden eine für Kometen typische Hülle aus Gas und Staub erzeugen kann. Auch das ist überraschend. Die bisher von uns entwickelten Modelle zur Entstehung von Planeten sagen uns, dass dabei jede Menge Kleinkörper wie Asteroiden (die wenig Eis enthalten) und Kometen (die viel Eis enthalten) aus dem jeweiligen System heraus geworfen werden. Sie sagen uns aber auch dass dabei viel, viel mehr Kometen in den interstellaren Raum geschleudert werden als Asteroiden. Es wäre also sehr viel wahrscheinlicher dass ein interstellares Objekt sich als Komet herausstellt und nicht als Asteroid so wie ‘Oumuamua. Entweder es handelt sich um einen großen Zufall dass wir gerade so einen Spezialfall beobachtet haben. Oder aber wir brauchen neue Modelle die beschreiben wie Planetensysteme entstehen.
Ich habe in meinem letzten Artikel schon erwähnt das wir dank der immer besser werdenden Technik in Zukunft mit mehr Entdeckungen dieser Art rechnen können. Ich bin sicher dass wir bald die nächsten interstellaren Objekte finden werden. Und dann wird es richtig spannend: Werden das ebenfalls so seltsame Himmelskörper sein wie ‘Oumuamua? Wird sich der erste bekannte Besucher eines anderen Sterns als zufälliger Spezialfall herausstellen? Oder werden die zukünftigen Entdeckungen vielleicht noch seltsamer sein?
Die Antwort kenne weder ich noch die anderen Astronomen. Aber eines wissen wir: Wir werden es herausfinden! Und darauf freue ich mich jetzt schon!
(Eine Anmerkung noch: Ich weiß dass der eine oder die andere vielleicht geneigt ist nun zu spekulieren. Ein Ding von einem anderen Stern. Sehr lang, sehr schmal, sehr kompakt, mit viel Metall und sehr seltsam. Das kann doch nur ein außerirdisches Raumschiff sein, oder? Nun… das ist natürlich eine potentielle Erklärung. Aber natürlich nicht die wahrscheinlichste. Eher die unwahrscheinlichste von allen. Nichts an der Bewegung von ‘Oumuamua deutet darauf hin dass es sich um ein künstliches Objekt handelt. Es bewegt sich exakt so wie es von einem Felsbrocken zu erwarten ist der sich rein von der Gravitationskraft der Sonne beeinflusst bewegt. Man beobachtet dort genau die Art von reflektiertem Licht die man von einem Asteroid erwartet; keine andere oder unerwartete elektromagnetische Strahlung. Und was man auch nicht vergessen darf: Erste Entdeckungen sind oft sehr seltsam. Als wir 1995 die ersten Planeten entdeckt haben die andere Sterne umkreisten waren auch die enorm seltsam und anders als alles was wir erwartet hatten. Aber das lag nur daran dass wir eben das erste Mal etwas völlig neues gefunden haben. Mittlerweile verstehen wir die Planeten anderer Sterne besser – und das wird sicherlich auch mit den interstellaren Asteroiden so sein.)
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