Ich bin heute von Genf nach Bern und zurück zweimal über die Sprachgrenze gefahren. Dabei fiel mir ein grossformatiges Plakat auf, welches ebenso auf Deutsch wie auch auf Französisch in der ganzen Schweiz auf den Plakatwänden prangt um für eine Veranstaltung zu werben. Offensichtlich hat da jemand viel Geld in eine Kampagne investiert.
Zuerst glaubte ich es handle sich um irgendeinen Guru, steht doch gross auf dem esoterisch wirkenden Plakat der Name Harun Yahya und illustriert es den Satz, dass die materielle Welt nicht existieren würde, mit einer kitschigen Zeichnung (inklusive Berg und Regenbogen). Was nicht so ganz reinpasste ist die Hauptaussage auf dem Poster wo vom “Evolutions-Schwindel” (auf französisch gar “mensonge”, Lüge also) gewarnt wird. Auf den Postern wird nicht nur diese Veranstaltung beworben, sondern auch die Zugehörigen Websiten: evolutionsschwindel.com respektive mensongedelevolution.com.
Ich war natürlich Neugierig, da in der Schweiz die echten Kreationisten eine doch sehr kleine Minderheit darstellen und kaum Mittel für eine solche Kampagne haben. In Umfragen steht die Schweiz in der Regel nicht sehr gut da und hat einen überdurchschnittlich hohen Anteil von Antwortenden, die der Evolutionstheorie skeptisch gegenüber stehen. Ich vermute jedoch, dass hat mehr mit der Fragestellung und dem Bildungssystem zu tun. Da viele, die nicht an weiterführende Schulen gehen, die Evolutionstheorie dort gar nie behandeln, werden sie die Frage entsprechend beantworten. Das ist nicht gut, aber ich glaube nicht, dass diese einfach überzeugt werden können. Politische Überzeugungstäter gibt es kaum.
Nach nur ein Bisschen Googeln stellte ich fest, dass ich Harun Yahya mir nicht unbekannt ist, ich aber sein Pseudonym nicht kannte. Es handelt sich um den Türken Adnan Otkar, der vor nicht allzu langer Zeit den Atlas of Creation in die ganze Welt verschickt hat. Ein Hochglanz-Bilderbuch (das hier heruntergeladen werden kann wenn man sich das wirklich antun möchte) in dem er mit Fischködern versucht, die Lesenden davon zu überzeugen, dass nie Evolution stattgefunden hätte. Die islamische Variante des Kreationisten scheint mit der Realität genau so sorglos umzugehen wie die christiliche Variante davon (er hat auch noch eine flash-animierte Kitschschleuder von Website, die Christen zu bekehren versuchte).
Es ist erstaunlich mit wie viel finanziellem Aufwand Adnan Otkar diesen Unsinn in die Welt trägt. Er hat schon ganzseitige Inserate im Time Magazine geschaltet, er hat seinen kreationistischen Hochglanzprospekt auf dem ganzen Globus verschickt und ich nehme an die Gesamtschweizerische Plakatkampagne ist nicht einzigartig. Ich frage mich ob er sich auf Länder konzentriert in dem er ein kreationistisches Potential sieht oder ob er einfach den Kontinent mit diesem Quatsch überzieht. Vielleicht sind Österreichischen oder Deutschen Leserinnen und Leser die Plakate auch aufgefallen. Rückmeldungen würden mich interessieren.
Beim Herumklicken auf den oben verlinkten Websites (Vorsicht Kopfschmerzen!) fiel mir vor allem auf, wie Adnan Otkar verzweifelt versucht seinen Müll als Wissenschaft zu vermitteln. Zum Beispiel gaukelt er “Veröffentlichungen” vor, wohl in der Hoffnung das würde seinen Mumpiz irgendwie adeln:
Der intellektuelle Kampf des Autors gegen Materialismus und Darwinismus hat des öfteren in evolutionistischen Publikationen wie dem National Geographic, Science, dem New Scientist und NSCE Reports Erwähnung gefunden. Sowohl die englische, als auch die deutsche Ausgabe des National Geographic vom November 2004 verwiesen auf die Werke des Autors hinsichtlich der Schöpfung. Unter anderem wurde das folgende Zitat aus dem Buch Der Evolutionsschwindel abgedruckt: “die Evolutionstheorie ist nichts als eine uns von den Beherrschern des Weltsystems aufgezwungene Täuschung.”
Vielleicht sollte man den Herren mal aufklären, dass das National Geographic nicht gerade ein Peer Reviewed Journal ist und das wenn jemand mit dem Finger auf einem zeigt und lacht, dies nicht unbedingt eine positive Referenz ist. Science zum Beispiel berichtete über den lächerlichen Atlas (Science, 16 February 2007, p. 925) und über seine Verurteilung wegen Betrugs (Science 23 May 2008: Vol. 320. no. 5879, p. 995).1 In der wunderbaren Welt des Adnan Otkars belegt so etwas die eigenen Fantasien. Das Risiko besteht aber, dass er ein ungebildetes Publikum so anspricht. Ich hoffe, dass nicht zu viele Muslime (denn auf diese zielt die Kampagne vermutlich hauptsächlich) darauf hereinfallen.
1Ich habe z.B. im New Scientist genau drei Referenzen gefunden zu Adnan Otkar: Eine kleine Notiz über den Kampf australischer Wissenschaftler gegen Kreationisten, ein Interview über die Gefahr von Kreationismus in der Türke und einen Blogpost der sich über seinen Atlas lustig macht.
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