Im Augenblick sind wir bei Alpha Cephei bei der astronomischen Entfernungsbestimmung und wir haben schon einige Methoden kennen gelernt:
- Die Messung der Sternenparallaxe
- Sternstromparallaxe bei Sternhaufen
- Die Bestimmung des Entfernungsmoduls aus bekannter absoluter und gemessener scheinbarer Helligkeit (Cepheiden, RR-Lyrae-Sterne, Supernovae; “Standardkerzen”)
- prinzipiell kann man bei bekannter Größe eines Objekts (“Standardlineal”) auch auf seine Entfernung schließen, indem man seinen Winkeldurchmesser bestimmt – das ist gewissermaßen die Parallaxe in der anderen Richtung angewendet. Tatsächlich hat man diese Methode schon zur Entfernungsbestimmung einer Galaxie mit einem supermassereichen Schwarzen Loch angewendet, das von einem Staubring umgeben ist. Wenn das Schwarze Loch im UV-Bereich aufflackert, dann wird 30 Tage später der Staubring im Infraroten heller, weil das Licht 30 Tage braucht, um die Strecke vom Schwarzen Loch zum Staubring zurück zu legen. Damit ist der wahre Abstand bekannt (30 Lichttage = 5200 AE) und durch Messung des Winkelabstands erhält man ein schmales, gleichseitiges Dreieck mit einer bekannten Seitenlänge und dem gegenüberliegenden Winkel – damit kann man die anderen Seiten berechnen, genau wie bei der Parallaxe.
- Schließlich die Rotverschiebung z aufgrund der kosmischen Expansion. Die Entfernung von Galaxien folgt aus dem Hubble-Gesetz: pro Megaparsec nimmt die Rotverschiebung um einen Betrag zu, der einer scheinbaren Dopplergeschwindigkeit von rund 73 km/s entspricht.
Und wenn man die Entfernung kennt, kennt man auch die Lichtlaufzeit: pro Lichtjahr Entfernung braucht das Licht ein Jahr Laufzeit, pro Parsec 3,26 Jahre, pro Megaparsec 3,26 Millionen Jahre.
Normalerweise ergeben alle diese Messungen den gleichen Entfernungswert. Für Sterne und nahe Galaxien funktioniert das auch. Aber wenn man in die Hunderte Millionen oder gar in die Milliarden von Lichtjahren geht, dann stimmt das nicht mehr, und die Lichtlaufzeit passt auch nicht mehr so recht ins Bild. Denn wir leben in einem expandierenden Universum.
Die Hubble-Konstante (?)
Das Weltall expandiert überall (außer zwischen Objekten, die durch Kräfte wie die Schwerkraft aneinander gebunden sind) mit einer festen Rate, die durch die Hubble-Konstante H0 beschrieben wird, die nach Edwin Hubble benannt ist, der 1929 darüber die erste in Englisch verfasste Veröffentlichung geschrieben hatte (2 Jahre zuvor hatte der belgische Priester und Astrophysiker Georges Lemaître bereits einen französischen Artikel in einer unbedeutenden Fachzeitschrift darüber verfasst, der aber damals unbeachtet blieb). Ein Megaparsec wächst um H0=73 km/s, 2 Megaparsec um 2H0=146 km/s, 10 Megaparsec um 10H0=730 km/s usw.
Allgemein gilt, dass eine Entfernung r mit der Hubble-Geschwindigkeit H0·r wächst. Dies ist das Hubble-Gesetz.
Die Einheit (km/s)/Mpc (oder gebräuchlicher km s-1 Mpc-1) ist für Astronomen ganz natürlich weil so der Messung entnommen (je Mpc nimmt die Rotverschiebung um einen Betrag zu, die einer “Flucht”-Geschwindigkeit von 73 km/s gleicht), aber für Physiker ist sie etwas schräg, weil sie Strecke/Strecke enthält. Man kann in der Angabe 73 km s-1 Mpc-1 die km und Mpc gegeneinander wegkürzen und erhält einen Wert in s-1, also eine Frequenz oder Rate (relative Änderung pro Zeiteinheit).
1 Mpc = 3,26·106 LJ = 3,08·1019 km,
also H0=(73 km/s) / (3,08·1019 km) = 2,37·10-18 s-1.
D.h. jede Strecke r verlängert sich pro Sekunde um den 2,37·10-18ten Teil, d.h um r·2,37·10-18 oder einen Faktor 1+ 2,37·10-18.
Die Hubble-“Konstante” ist zeitlich übrigens alles andere als konstant – sie ist es nur räumlich (und deshalb ist der Name gerechtfertigt; wer ihn nicht mag, kann ihn alternativ “Hubble-Parameter” nennen und wird verstanden werden). H0 ist der Name der aktuellen Hubble-Konstante und H(t) derjenigen zum Weltalter t. Selbst in einem Universum, in dem so wenig Masse enthalten wäre, dass seine Expansion nicht unter der eigenen Schwerkraft gebremst würde (was in unserem Universum während der ersten 7 Milliarden Jahre geschah) und das nicht von einer Dunklen Energie angetrieben würde (die seither die Oberhand gewonnen hat), wäre H(t) nicht konstant, sondern würde stetig fallen, weil die Galaxien ihre momentane Expansionsgeschwindigkeit dann einfach beibehielten. Wenn das Weltall doppelt so groß wie heute geworden ist, dann würden in so einem Universum Galaxien mit der halben Geschwindigkeit so weit gekommen sein wie es heutige Galaxien schon sind, d.h. die Hubble-Konstante wäre dann nur noch 36,5 km s-1 Mpc-1. Auf lange Sicht würde sie gegen 0 fallen.
Die Dunkle Energie sorgt nun aber dafür, dass H(t) gegen einen festen Wert >0 fällt (siehe Schaubild). Sie ist, wie es nach den Beobachtungen aussieht, eine Eigenschaft des Vakuums, mit einer gewissen festen Rate zu wachsen. Die Materie, die sich wechselseitig anzieht und dabei auch die Raumzeit beeinflusst, konnte da anfangs ein wenig gegenhalten und die Expansionsgeschwindigkeit über das oben beschriebene Absinken hinaus abbremsen (wie ein hochgeworfener Stein, der langsamer wird), aber seit 7 Milliarden Jahren hat sie der Dunklen Energie nichts mehr entgegenzusetzen, sie hat sich schon zu sehr im Raum verdünnt. Nur lokal innerhalb von Bereichen von ca. 20 Mpc halten die Galaxien noch durch ihre Schwerkraft zusammen. Jenseits davon übersteigt die Raumexpansion die Fluchtgeschwindigkeit von Galaxienhaufen und es gibt keine Wiederkehr – falls sich am Wert der Dunklen Energie nichts mehr ändert, was nicht vollkommen sicher ist, angesichts von Diskrepanzen zwischen den Werten von lokal gemessener Hubble-Konstante (73,52±1,62 km s-1 Mpc-1 laut Gaia DR2) und Messungen in der Hintergrundstrahlung durch das Weltraumteleskop Planck (67,8±0,9 km s-1 Mpc-1).
Die Lichtlaufzeitentfernung
Was das etwa für die Lichtlaufzeit bedeutet, kann man sich am Beispiel einer Ameise klarmachen, die über einen Luftballon von einem Punkt zum krabbelt, während dieser aufgeblasen wird. Wenn die Ameise los krabbelt, befinden sich Start- und Zielpunkt in einer bestimmten Entfernung. Angenommen, die Ameise braucht so lange, um das Ziel zu erreichen, bis sich der Umfang des Ballons (und damit auch die anfängliche Entfernung) verdoppelt hat. Welche Strecke hat die Ameise dann tatsächlich zurück gelegt?
- mehr als die Entfernung zu Beginn, denn der Ballon wuchs ja während sie die Strecke zurücklegte
- weniger als die Entfernung beim Eintreffen am Ziel, denn die Strecke wuchs die ganze Zeit vor und hinter der Ameise, aber sie brauchte zu jeder Zeit immer nur den noch vor ihr liegenden Teil der Strecke zu überwinden.
Genau so ergeht es einem Lichtstrahl im expandierenden Universum.
Damit ist schon einmal klar, dass die vom Licht zurückgelegte Strecke größer als die ursprüngliche Entfernung vom Objekt bis zu uns ist, und kleiner, als die heutige Entfernung. Man spricht von der Lichtlaufzeitentfernung (engl. light travel distance). Ist eine Galaxie so weit weg, dass ihr Licht zu uns 10 Milliarden Jahre benötigt hat, wäre ihre Lichtlaufzeitentfernung 10 Milliarden Lichtjahre, und die wird in der Presse regelmäßig als “die Entfernung” kosmologischer Objekte zitiert. Aber was ist denn dann mit der ursprünglichen/heutigen Entfernung genau gemeint?
Die Eigendistanz
Nun, wir könnten uns einen langen Faden denken, der just in diesem Moment zwischen der fernen Galaxie und uns gespannt wäre (und sofort zerreissen würde, wenn man ihn an beiden Ende festhielte). Da für beide Orte (ferne Galaxie, hier) die gleiche Zeit seit dem Urknall vergangen ist, wenn sie relativ zur lokalen Raumexpansion ruhen, ist der Abstand wohldefiniert, wir haben es nicht mit relativistisch gegeneinander bewegten Beobachtern zu tun, die sich nicht auf einen gleichzeitigen Zeitpunkt einigen können. Man könnte also einen Faden, der sich dehnen lässt, aber nicht wieder elastisch verkürzt, wenn man ihn loslässt (so etwas wie ein Klebstofffaden) kurz nach dem Urknall an beiden Enden packen und ihn dann über die Zeit dehnen, bis man nach vorher vereinbarter Zeit das Ende bei der fernen Galaxie loslässt. Wickelt man dann den Faden zum anderen Ende hin auf und misst seine Länge, so erhält man die Eigendistanz (engl. proper distance) zur Zeit des Loslassens. Die Eigendistanz ist die eigentliche Entfernung, die dem bürgerlichen Begriff am nächsten kommt. Die Eigendistanz ist diejenige, die man in Zeitungsartikeln angeben sollte. Sie ist mit obigem Argument stets größer als die Lichtlaufzeitentfernung. Sie kann deshalb auch deutlich größer sein, als das Weltalter mal Lichtgeschwindigkeit, denn jenseits einer hinreichend großen Entfernung (dem sogenannten Hubble-Radius) beträgt die Wachstumsrate mehr als die Lichtgeschwindigkeit. Wir haben oben gesehen, dass jedes Mpc pro Sekunde um 73 km wächst. Wenn die Entfernung 4110 MPc = 4,11 GPc = 13,4 GLJ beträgt, dann wächst diese Entfernung pro Sekunde um 300.000 km. Dies ist der Hubble-Radius (für H0=73 km s-1 Mpc-1 ; es gibt ja, wie gesagt, verschiedene Werte, je nachdem, ob man in der Nähe/heute oder Ferne/Frühzeit des Universums misst – unabhängig vom Fallen des Hubble-Parameters).
Die Eigendistanz des fernsten Orts, der jemals in Kontakt mit uns gewesen sein kann (und somit der Durchmesser des beobachtbaren Universums, wenn unter ‘Beobachtung’ auch hypothetische Gravitationswellen fallen, die wir theoretisch noch jenseits der Hintergrundstrahlung messen könnten) beträgt 46,5 Milliarden Lichtjahre. Dieser Radius wird auch als Partikelhorizont bezeichnet, denn kein Teilchen, das mit uns jemals einen gemeinsamen Ort teilte, kann heute weiter entfernt sein.
Die mitbewegte Entfernung
Manchmal ist die Expansion des Universums unpraktisch in einer Betrachtung, z.B. wenn man die Bewegungen der Galaxien in einem Galaxienhaufen betrachtet, der von der kosmischen Expansion auseinander gezogen wird. Wenn man die Raumexpansion einfach mal ausklammern möchte, kann man die mitbewegte Entfernung (engl. comoving distance) verwenden. Die mitbewegte Entfernung ist zunächst einfach die Eigendistanz zur heutigen Zeit. Aber sie ist so definiert, dass sie diese Distanz auch zu jedem anderen kosmologischen Zeitpunkt ansetzt, die Expansion des Universums wird einfach heraus gerechnet. Man verwendet einen Maßstab, der genau mit dem Universum wächst. Es ist so, also ob auf dem oben beschriebenen Klebstofffaden in bestimmten Abständen Abstandsmarkierungen angebracht wären, die sich mit dem Faden auseinander zögen. Wann immer man den Faden kappt und einwickelt, er wird die selbe Zahl von Abstandsmarken tragen. Dies ist die mitbewegte Entfernung.
Der Skalenfaktor und die Rotverschiebung
Um wieviel sich unser Klebstofffaden mit den festen Markierungen gegenüber einem nicht wachsenden Entfernungsmaß gedehnt hat (bzw. jede mit dem Weltall wachsende Eigendistanz gegenüber der heutigen Eigendistanz, d.h. der mitbewegten Entfernung), diese Größe nennt man den Skalenfaktor und kürzt ihn meist mit a ab (oder oft a(t) für den Skalenfaktor zum Weltalter t, manchmal a0 für den heutigen). Der heutige Skalenfaktor wird zu 1 gesetzt (ohne Einheit). Als die Entfernungen im Universum noch halb so groß waren wie heute betrug der Skalenfaktor demgemäß 0,5 und wenn das Universum irgendwann doppelt so groß wie heute sein wird, dann wird der Skalenfaktor 2 betragen. Wenn man den Skalenfaktor kennt, kann man also sofort ausrechnen, welcher damaligen Eigendistanz eine bestimmte mitbewegte Entfernung (bzw. heutige Eigendistanz) entspricht.
Aber woher will man wissen, wie groß der Skalenfaktor damals war? Das ist verblüffend einfach: nicht nur der Raum dehnt sich aus, auch das Licht, das ihn durcheilt. Seine Wellenlänge verlängert sich genau wie die unser Klebstofffaden. Wenn man die Rotverschiebung der Wellenlänge einer fernen Galaxie wissen will, braucht man bekanntlich nur die stets im Sternenlicht (der gesamten Galaxie) vorhandenen Spektrallinien des Wasserstoffs zu suchen und zu messen, wie weit sie gegenüber ihrer Soll-Wellenlänge verschoben sind. Hα (die unsere Sternentstehungsgebiete so schön rot leuchten lässt) liegt z.B. normalerweise bei 650 nm. Findet man sie bei 812,5 nm, um 162,5 nm zu längeren Wellenlängen verschoben, dann beträgt die Rotverschiebung z = 162,5nm/650nm = 0,25 – die Wellenlänge ist um 25% verlängert. Anders ausgedrückt haben sich die Lichtwellenlängen um den Faktor 1,25 durch die Raumexpansion verlängert. Das Universum war zur Zeit, als das Licht auf den Weg ging, folglich 1,25 mal kleiner als heute. Der Skalenfaktor betrug damals 1/1,25 = 0,8 und die Galaxie war uns 0,8-mal näher als heute. Allgemein gilt:
Das “z+1” rührt daher, dass die Rotverschiebung z nicht den Streckungsfaktor des Lichts angibt, sondern die Änderung der Wellenlänge relativ zur ursprünglichen Wellenlänge. Praktischer hätte ich eine Definition gefunden, bei der die beobachtete durch die Referenzwellenlänge dividiert würde, dann hätte man den Skalenfaktor direkt als Kehrwert dieser Größe gehabt, aber gebräuchlich ist die obige Definition, Wellenlängenänderung / Referenzwellenlänge.
Die Rotverschiebung z ist übrigens die in der Kosmologie gebräuchliche Entfernungsangabe, denn sie ist direkt gemessen und unabhängig von der Hubble-Konstanten oder der zeitlichen Entwicklung des Skalenfaktors. In kaum einer wissenschaftlichen Arbeit wird man eine kosmologische Entfernung in Lichtjahren finden. Die werden dann von der Presse nach Gutdünken eingesetzt, meistens als Lichtlaufzeitentfernung.
Wenn der Skalenfaktor die relative Größe des Universums ausdrückt, dann muss seine Änderung etwas über seine Expansionsgeschwindigkeit und damit die Hubble-Konstante aussagen (genau so, wie die Zunahme der Entfernung dr pro Zeiteinheit dt etwas über die Fluchtgeschwindigkeit aussagt: ; Physiker schreiben die Ableitung nach der Zeit gerne verkürzend als Pünktchen über der abgeleiteten Größe, also ). Und das ist in der Tat so: wenn sich etwa eine Strecke beim Weltalter t um ändert, dann wissen wir aus dem Hubble Gesetz (s.o), dass mit der vom Weltalter t abhängenden Hubble-Konstante H(t) gilt:
Expansionsgeschwindigkeit der Strecke r(t):
oder anders ausgedrückt .
Da für den Skalenfaktor gilt (der Skalenfaktor ist gleich der Länge der Strecke r zur Zeit t im Verhältnis zur heutigen Länge r0) folgt auch für die Änderung von r nach der Zeit: .
Damit gilt .
Und genau so wird H(t) in der Kosmologie definiert:
H(t) ist die Änderung des Skalenfaktors zur Zeit t, bezogen auf den Skalenfaktor zur Zeit t.
Womit das dann auch geklärt wäre.
Weltalter
Wie oben gesehen hat H (H0 wie auch H(t)) die Einheit 1/s. Der Kehrwert ergibt also eine Zeit, genannt Hubble-Zeit tH = 1/H0. Für H0 = 73 km s-1 Mpc-1 = 2,37·10-18 s-1 gilt beispielsweise tH=422·1015 s = 13,37 Milliarden Jahre. Dies entspräche dem Weltalter, wenn H zeitlich konstant wäre, aber es ist eine ordentliche Näherung. Wenn man das Weltalter genau wissen will, muss man über die zeitliche Entwicklung von 1/H(t) integrieren. Tun wir hier aber nicht.
Leuchtkraftentfernung
Wenn man mit Supernovae die Entfernung sehr weit entfernter Galaxien messen will, dann muss man zwei Effekte beachten: durch die Rotverschiebung wird die Lichtwellenlänge länger. Da die Energie eines Lichtquants linear von seiner Wellenlänge abhängt, wird das Licht schon alleine durch die Rotverschiebung dunkler, als es durch die Entfernung normalerweise würde. Außerdem erreichen uns durch die mit der Rotverschiebung einhergehende kosmologische Zeitdilatation, die nicht nur das Schwingen der Lichtwellen, sondern jeglichen zeitlichen Prozess zu verlangsamen scheint (Supernovae-Lichtkurven werden entsprechend zeitlich gestreckt), weniger Lichtquanten pro Zeiteinheit, so dass die Supernovae um den Faktor (1+z)² dunkler erscheinen, als sie es in einem nicht-expandierenden Universum wären. Dadurch scheint ihre Entfernung gemäß der gewöhnlichen Formel mit dem Entfernungsmodul größer zu sein, als sie es tatsächlich ist. Dies muss man beachten, wenn man kosmologische Entfernungen mit Supernovae misst. Um die richtige Entfernung zu erhalten, muss man wissen, wie sich der Skalenfaktor über die Zeit entwickelt hat, und dessen Entwicklung wird durch die Materiedichte Ωm und die Dichte der Dunklen Energie ΩΛ bestimmt. Umgekehrt kann man durch Messung vieler Supernovae für verschiedene z genau diese Entwicklung des Skalenfaktors ableiten, wie dieses Bild von Supernova-Messungen zeigt. Hier wird lediglich angenommen, dass Ωm + ΩΛ = 1 ist, eine notwendige Bedingung, wenn das Universum geometrisch flach sein soll (was wiederum aus Messungen der Strukturen in der Hintergrundstrahlung gefolgert werden kann).
Winkeldurchmesserentfernung
Eingangs hatte ich ein Beispiel genannt, wie aus einem bekannten Durchmesser eines Objekts auf die Entfernung geschlossen werden konnte. Auch für Galaxien kann man dies tun und bemerkt dann, dass sie jenseits einer Rotverschiebung von 2 aufhören, kleiner zu werden. Strukturen in der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung zeigen Korrelationen (sprich: Spuren von Temperaturausgleich durch Druckwellen) bis zu einem Sehwinkel von 1° – gemäß einer Eigendistanz von 45,5 Milliarden Lichtjahren der Hintergrundstrahlung entspräche das einem Abstand von 794 Millionen Lichtjahren, und das bei einem Weltalter von damals nur 380.000 Jahren, was gänzlich unmöglich ist. Der Grund liegt aber ganz einfach darin, dass das Universum damals 1080 mal kleiner war als heute (z = 1080, Skalenfaktor 1/1081). Der Sehwinkel von 1° war damals nur 450.000 Lichtjahre groß (bei einem Weltalter von 380.000 Jahren konnten sich Dichtewellen im Plasma in Kombination mit der Raumexpansion so weit ausbreiten), aber erscheint am Himmel immer noch ungefähr so groß wie heute. Laut z liegt die Hintergrundstrahlung heute 45,5 Milliarden Lichtjahre entfernt. Laut Winkelabstand nur 42,2 Millionen. Dies ist die Winkeldurchmesserentfernung (engl. angular diameter distance). Im unteren Bild soll verdeutlicht werden, warum Objekte in großer Entfernung vergrößert erscheinen.
Übersicht
Das nächste Bild zeigt noch einmal, wie die verschiedenen Entfernungen für zunehmendes z auseinander driften:
Die Leuchtkraftentfernung erscheint wegen der raschen Abschwächung des Lichts mit z durch Zeitdilatation und Rotverschiebung am größten. Danach folgt “naive Hubble”, die wir hier nicht besprochen hatten – man setzt einfach die Rotverschiebung in eine relativistische Doppler-Geschwindigkeit um und teilt diese dann durch H0, welches eine Entfernung ergibt, d.h. man extrapoliert die heutige Hubble-Konstante auf das frühe Universum, wo sie tatsächlich viel höher war. Daher wird die Entfernung stark überschätzt.
“LOS comoving” steht für “Line of Sight comoving” und meint die mitbewegte Entfernung in radialer Richtung, daher “LOS” (nicht besprochen haben wir, dass es auch eine Ausdehnung in transversaler Richtung, senkrecht zur Blickrichtung gibt, die aber im flachen Universum gleich skaliert wie die radiale Ausdehnung). Diese konvergiert mit wachsendem z gegen die genannten 46,5 Milliarden Lichtjahre Partikelhorizont (logarithmische Skala).
Als nächstes von oben folgt die Lichtlaufzeit, hier “Lookback time” genannt. Diese konvergiert gegen das Weltalter, knapp 14 Milliarden Jahre.
Und zuletzt die Winkeldurchmesserentfernung. Diese konvergiert gegen 0(!), d.h. hinter dem undurchdringlichen Vorhang der Hintergrundstrahlung bei z=1080 verbirgt sich die Urknall-Singularität. Alles was weiter als z=2 ist, erscheint größer als ein gleich großes Objekt in viel kleinerer Entfernung.
Kosmologie-Rechner
Wer angesichts der verschiedenen Entfernungsmaße verzweifelt oder einfach wissen will, wie er von z aus einem Paper auf eine realistische Entfernung kommt (Journalisten! Hallo!), dem sei der Kosmologie-Rechner von Edward “Ned” L. Wright ans Herz gelegt. Der berechnet fast alle zuvor genannten Größen. Oben links findet man ein Eingabefeld, und da kann man die Parameter des kosmologischen Modells eingeben (Achtung, Dezimalpunkt, nicht Komma verwenden – das schmeißt keinen Fehler, aber es wird dann nur der Vorkommateil verwendet!):
- die (heutige) Hubble-Konstante H0,
- die Materiedichte Ωm und
- die Rotverschiebung z.
Die Werte sind nach bestem Wissen und Gewissen (zur Zeit des letzten Updates) vorbesetzt, man kann sich also auf die Eingabe von z beschränken. Wenn man für ein flaches Universum mit Dunkler Energie der Dichte ΩΛ=1-Ωm rechnen möchte, klickt man danach auf “Flat”. Wenn man auf “Open” klickt , wird ein Universum ohne Dunkle Energie (ΩΛ=0) für das gegebene Ωm berechnet. Will man ein Universum mit beliebig vorgegebener Dichte der Dunklen Energie rechnen, so füllt noch das entsprechende Feld aus (hier: Omegavac) und klickt “General”.
Danach erscheinen rechts die entsprechend berechneten Werte:
Es wird das Weltalter heute und zur Zeit der Ausstrahlung des Lichtes mit Rotverschiebung z angegeben. Der Skalenfaktor wird geschludert, 1/(1+z) auszurechnen war vermutlich unter Neds Würde. Für die mitbewegte Entfernung wird auch das Volumen der entsprechenden Kugel in Kubik-Gpc angegeben und zur Winkeldurchmesserentfernung der dem Sehwinkel von einer Bogensekunde (“) entsprechende Durchmesser in Kiloparsec. Zu dem Rechner gibt’s auch noch Tutorials, die die zugrunde liegenden Formeln und ihren Hintergrund erläutern. Ich wünsche den Lesern viel Freude beim Herumspielen mit diesem überaus praktischen Tool, das ich in meinen Lieblingslinks rechts in der Seitenleiste zur leichten Erreichbarkeit eingefügt habe.
Referenzen und weiterführende Links
[1] T. Roy Choudhury, T. Padmanabhan, “Cosmological parameters from supernova observations: A critical comparison of three data sets“, Astronomy & Astrophysics Magazine 429 (2005), 807; arXiv:astro-ph/0311622.
[2] Planck Collaboration: “Planck 2015 results. XIII. Cosmological parameters”, arXiv:1502.01589
[4] de.wikipedia.org, Entfernungsmaß
[5] en.wikipedia.org, Distance measures (cosmology)
[6] The Redshift – Luminosity Distance Relation
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