Das Universum ist größtenteils leer und besteht aus jeder Menge Nichts. Jetzt aber haben Astronomen eine Region im Kosmos identifiziert, in der mehr Nichts ist, als anderswo. Sie haben den größten bisher bekannten Leerraum im Weltall gefunden, eine sogenannte “Void”, die 1,8 Milliarden Lichtjahre durchmisst und die größte bekannte Struktur im Universum darstellt.
Wir wissen ja schon länger, dass die Materie im Weltall nicht gleichmäßig verteilt ist. Sterne finden sich in Galaxien zusammen; Galaxien in Galaxienhaufen und Galaxienhaufen in Superhaufen. Betrachtet man nun die Verteilung dieser Superhaufen, dann findet man sie zu langen “Fäden” geordnet, den “Filamenten” zwischen denen sich sehr, sehr viel Nichts befindet, die “Voids” (ich habe hier und hier mehr dazu erzählt). Die großräumige Struktur des Universums kann man untersuchen, in dem man möglichst viele Galaxien beobachtet und ihre Positionen im Raum bestimmt. Oder man betrachtet den Kosmos zu einer Zeit, als es noch gar keine Galaxien gab: 400.000 Jahre nach seiner Entstehung mit dem Urknall.
Das war die Zeit, in der die gesamte Materie im Weltall noch in Form von einzelnen Teilchen und Atomkernen vorlag. Es war noch viel zu heiß, als das sich ganze Atome bilden konnten und auch die Strahlung konnte sich nicht ausbreiten, weil sie ständig von den herumfliegenden Teilchen abgelenkt wurde. Erst nach diesen 400.000 Jahren war es kühl genug, dass sich Elektronen an Atomkerne binden und vollständige Atome entstehen konnte. Und erst dann war es dem Licht möglich, sich überall hin auszubreiten. Einen Teil dieser allerersten Strahlung können wir heute noch beobachten. Diese “kosmische Hintergrundstrahlung” enthält wichtige Informationen über das junge Universum – aber man kann damit auch jede Menge andere Dinge anstellen und viel über die Regionen des Kosmos lernen, die sie auf ihrem langen Weg durch den Raum und die Zeit durchquert hat.
Im Jahr 2004 hat man bei der Vermessung der Hintergrundstrahlung eine Gegend entdeckt, die deutlich kälter war als ihre Umgebung. Das ist an sich noch nicht bemerkenswert. Es war zu erwarten, dass die Hintergrundstrahlung nicht völlig exakt gleichmäßig ist. Die ursprüngliche Materie im Universum muss von Anfang an ein klein wenig ungleichmäßig verteilt gewesen sein, denn nur aus diesen “Klumpen” konnten später die großen Strukturen wie Galaxien entstehen. Und da die Verteilung der Materie die Ausbreitung und Temperatur der Hintergrundstrahlung beeinflusst, sollte man auch dort entsprechende Fluktuationen sehen (ich habe das hier genauer erklärt). Der “kalte Fleck” war aber viel größer als die übrigen Variationen in der Hintergrundstrahlung. Das kann ein Hinweis auf sehr besondere Vorgänge im frühen Kosmos sein, für deren Erklärung vielleicht sogar völlig neue Physik notwendig ist (die spektakulärsten Thesen erklären das Phänomen zum Beispiel durch Kollisionen unseres Universum mit einem anderen Universum). Es kann sich aber auch um einen simplen Fehler bei der Datenauswertung handeln. Oder es kann mit dem zu tun haben, was das Licht unterwegs erlebt hat.
Diese These wird von der aktuellen Arbeit gestützt, die István Szapudi von der Universität Hawaii und seine Kollegen kürzlich veröffentlicht haben (“Detection of a Supervoid Aligned with the Cold Spot of the Cosmic Microwave Background”). Genau in der gleichen Region des Himmels, in dem sich der “kalte Fleck” befindet, haben sie eine “Supervoid” identifiziert. Die riesige leere Region hat einen Durchmesser von 1,8 Milliarden Lichtjahren und ist “nur” 3 Milliarden Lichtjahre entfernt (ziemlich nahe, wenn man es mit anderen kosmologischen Distanzen vergleicht).
Dieses große Nichts könnte nun auch für die große kühle Region verantwortlich sein, die man bei der Messung der Hintergrundstrahlung entdeckt hat. Die Erklärung dafür ist der sogenannte Sachs-Wolfe-Effekt. Entdeckt haben ihn die Astronomen Rainer Sachs und Arthur Wolfe im Jahr 1967 und er hängt mit dem Einfluss von Gravitation auf die Energie von Lichtteilchen zusammen. Dort wo sich im frühen Universum mehr Materie befand als anderswo war natürlich auch die Gravitationskraft stärker. Kommt ein Lichtteilchen so einer Region mit einem stärkeren Gravitationspotential nahe, erhält es dadurch auch ein bisschen mehr Energie. Verlässt es danach die Region wieder, verliert es auch die aufgenommene Energie. Es ist so, als würde man einen Hügel hinauf laufen: Zuerst steigt man immer höher und gewinnt dabei potentielle Energie, die man dann wieder los wird, wenn man auf der anderen Seite hinunter steigt. Beim Universum kommt aber ein spezieller Faktor dazu: Es expandiert! Während sich das Licht also den Hügel hinauf quält, dehnt sich das All aus und der Hügel wird dabei ständig flacher. Der Weg “bergauf” ist für das Licht also länger als der Weg “bergab”, da der Hügel in der Zwischenzeit geschrumpft ist. Am Ende hat das Licht also mehr Energie als zuvor.
Genau das ist der Sachs-Wolfe-Effekt und andersherum funktioniert er genau so. Bewegt sich das Licht durch eine Region in der sich wesentlich weniger Materie befindet als anderswo, dann verliert es dabei Energie. Anstatt eines Hügels läuft es jetzt quasi durch ein Tal und beim Austritt aus dem Tal gewinnt es die Energie wieder zurück. Aber nicht, wenn das All expandiert und das Tal dabei gestreckt und flacher wird. Dann hat das Licht danach weniger Energie als vorher und ist kühler. Die “Supervoid” würde also gut zum “kalten Fleck” in der Hintergrundstrahlung passen. Wenn dort von Anfang an schon wenig Materie war, dann wird sich dieses Nichts im Laufe der Zeit immer weiter vergrößert haben. Die Astronomen gehen davon aus, dass es sich nicht um einen Zufall handelt, dass Supervoid und kalter Fleck genau in der gleichen Region am Himmel zu sehen sind. Um das aber einwandfrei zu bestätigen, braucht es aber noch mehr Beobachtungen. Auch das Nichts muss man eben gründlich genug betrachten um sicher sein zu können, dass es auch wirklich da ist!
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