Gestern unterwegs im Zug las ich auf Twitter, dass das Aussetzen des Seismometers SEIS der Mars-Sonde InSight auf den Marsboden unmittelbar bevorstehe.
Der Greifer (Grapple) am Instrument Deployment Arm IDA, dem Roboterarm der Sonde, hatte bereits seit Montag die halbkugelförmige Haltevorrichtung von SEIS fest im Griff. Der Mechanismus arbeitet mechanisch mit Wachs: Paraffinwachs wird erwärmt und dehnt sich aus. Dabei wird ein Kolben bewegt, der die 5 Finger des Grapple auseinander drückt, bis sie in ihrer äußersten Position durch einen Mikroschalter die Heizung selbsttätig unterbrechen, das dauert auf dem kalten Mars ca. 15 Minuten. Dann zieht sich bei Abkühlung des Wachses der Kolben wieder zurück und die Finger schließen sich fest. So fest, dass sie sich nur unter Gewalteinwirkung mittels Werkzeug öffnen ließen. Sollte der IDA also einen Stromausfall erleiden, würde er keinesfalls die kostbare Fracht fallen lassen.
Das Aussetzen war zwischen dem 19. und 31. Marstag (Sol) nach der Marslandung geplant; Sol 19 war am vergangenen Sonntag, dem 16. Dezember. Man ist also noch früh im vorgesehenen Plan. Die Bewegungssequenz des Roboterarms war nach der Festlegung der genauen Position zum Aussetzen zunächst an einem Klon der Sonde getestet worden, der sich in einem Labor beim JPL in einem der Landestelle nachempfundenen Sandkasten befindet. Nach erfolgreicher Verifizierung der Bewegungssequenz wurden die Befehle zum Bewegen des Arms am Dienstag den 18.12.2018 zur Sonde hoch geschickt. Am frühen Donnerstagmorgen war es dann soweit: Das Seismometer wurde angehoben und auf den Marsboden gesetzt, direkt vor den Lander in maximale Distanz, die der Instrument Deployment Arm noch erreichen konnte (1,6 m).
Dabei liefen beide Kameras, die Instrument Deployment Camera (IDC) am Roboterarm und die Instrument Context Camera (ICC), die an der Plattform fest montiert ist und starr den Aussetzbereich der Instrumente vor dem Lander im Blickfeld hat. Aus den Aufnahmen habe ich eigene Animationen in voller Auflösung gebastelt; im Netz kursieren einige miniaturisierte GIFs.
Zunächst aus der Perspektive der Instrument Deployment Camera am Roboterarm:
Hier die Sicht der Instrument Context Camera auf den Aussetzvorgang:
SEIS wird sich als nächstes exakt horizontal nivellieren und testen, ob die gewählte Position geeignet ist. Gefordert ist, dass der Boden weniger als 15° Neigung hat, das Seismometer sicher trägt und exzellenten Kontakt zwischen den Seismometerbeinen und dem Boden bietet. Ansonsten kann der Roboterarm SEIS noch einmal versetzen, der Grapple wird deswegen vorerst noch nicht wieder gelöst. Man hat einen sehr schön glatten Boden vorgefunden, der nur um 2°-3° gegen die Horizontale geneigt ist, von daher sind also keine Probleme zu erwarten. Das Seismometer wird sich selbstständig auf weniger als 0,3° Neigung nivellieren und dann über einen Marstag lang in einer Art “Ingenieursmodus” die Qualität des Bodenkontakts testen, aufgrund dessen dann entschieden wird, ob es dort bleiben soll.
Wird der Standort für gut befunden, so wird IDA im Anschluss das silberfarbene Wind- und Thermal Shield von der Sonde nehmen und wie eine Tortenhaube über das Seismometer setzen, damit es nicht durch Windböen erschüttert werden kann und seine Temperatur über den Marstag nicht zu sehr schwankt.
SEIS ist das wichtigste Instrument der Mission. 3/4 aller wissenschaftlichen Aufgaben obliegen dem Seismometer. Deswegen wurde es mit höchster Priorität ausgesetzt. Es ist das erste Seismometer, das direkt auf der Oberfläche eines anderen Planeten abgesetzt wurde; es gab zwar Seismometer auf dem Mond, der jedoch kein Planet ist, und auf den Mars-Viking-Landern, dort waren sie jedoch in den Landern integriert und deswegen nicht so präzise wie SEIS.
SEIS enthält drei kleine (5,2×1,8 cm) elektronische Pendel (eines für jede Hauptachse) in einer Vakuumkammer, bei denen jeweils ein bewegliches Teil gegenüber einem fest montierten ausschlagen kann. Die beiden Teile sind über 20 kleine Lamellen miteinander verbunden, deren Verbiegung gemessen wird. Der Maximalausschlag des Pendels beträgt dabei gerade einmal 50 µm, das ist 1/20 mm. Und sie können Ausschläge vom Durchmesser eines Wasserstoffatoms messen! Die Pendel verfügen über einen Mechanismus, der Temperaturschwankungen mechanisch kompensiert (Thermal Compensation Device Mechanism, TCDM). Dieser wird unter dem WTS durch Versuche zunächst optimal justiert. Erst nach dieser Kalibrierung beginnen die wissenschaftlichen Messungen.
Nach dem Seismometer wird bald der Wärmeflusssensor HP³ ausgesetzt werden. Bereits in Betrieb ist das Rotation and Interior Structure Experiment (RISE), das ein gerichtetes Funksignal im X-Band zur Ende sendet, mit dessen Hilfe die Rotation des Mars genau gemessen werden kann und kleinste Schwankungen von der Erde aus beobachtet werden können. Auch auf diese Weise kann man etwas über das Innenleben des Mars erfahren, ob sich da beispielsweise ein noch flüssiger Kern mit Konvektionsströmungen befindet.
So hat sich das JPL mit dem Aussetzen des Seismometers schon einmal ein schönes Weihnachtsgeschenk gemacht. Wir sind gespannt, ob SEIS am Platz bleiben darf und wie es mit HP³ weitergeht. Schön, dass wir dank der frei verfügbaren Bilder einen Logenplatz am Bildschirm haben.
Referenzen
- NASA/JPL: “NASA’s InSight Places First Instrument on Mars“, NASA News Website, 19./20. Dezember 2018.
- JPL, CNES, IPGP, Imperial College London, ISAE, MPS, ETH: “The SEIS seismometer and the HP3 penetrator must be placed on the ground“, SEIS-Website, 01.08.2017.
- JPL, CNES, IPGP, Imperial College London, ISAE, MPS, ETH: “A very complex yet modular mechanism developed by the Institut de Physique du Globe, Paris“, SEIS-Website, 11.08.2017
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